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LED kann echte Kerze in Haft nicht ersetzen

14. Januar 2019

In seiner Stellungnahme zur Petition führt das Ministerium der Justiz aus, dass das Licht als religiöses Symbol in vielen Religionen verankert sei. Eine Kerze sei jedoch in der Allgemeinheit kein besonderer religiöser Gegenstand, sondern könne als solcher genutzt werden. Kerzen seien ein Kulturgut mit vielfältigen Nutzungsarten und Erscheinungen, die weit über die Religion hin­ausgehen würden. Die Kerze habe keine religiös herausgehobene Stellung und finde in vielen weltlichen Bereichen Verwendung. Für das Gedenken an Verstorbene gebe es inzwischen auch LED-Kerzen.

Für den Petitionsausschuss ist die Kerze mit der Glaubenspraxis eines Christen eng verbunden. Eine Kerze symbolisiert im religiösen Kontext den Gegensatz von Licht und Finsternis und ist durch das Jesus-Wort „Ich bin das Licht der Welt“ in der christlichen Gottesdienst- und Glaubenspraxis auf Jesus Christus bezogen. Ein künstliches Kerzenlicht kann nicht das Abbrennen einer echten Kerze ersetzen. Gerade dadurch, dass sich das Material der Kerze verzehrt, um Licht spenden zu können, wird symbolisch auf das Sterben und Auferstehen Jesu Christi ver­wiesen. Hierin besteht der Kern des christlichen Glaubens. Insbesondere im Rahmen von christlichen Feiertagen und bei der Trauerpraxis von Christen spielt die Kerze vor dem darge­stellten Hintergrund eine besondere Rolle und vermittelt nicht nur Geborgenheit und Wärme, sondern ist für gläubige Christen auch Sinnbild für das Leben nach dem Tod. Die Bedeutung der Kerze und ihres Lichts gehen in der christlichen Glaubenspraxis Weit über eine Verwen­dung im Rahmen des Brauchtums oder als Dekorationsobjekt hinaus.

Der Ausschuss unterstreicht weiterhin, dass § 53 Absatz 3 Strafvollzugsgesetz nicht auf die ausschließliche Nutzung eines. Gegenstandes im religiösen Bezug abstellt. Im Gesetz ist nicht von speziellen Gegenständen oder einer notwendigen herausgehobenen Stellung eines Gegen­standes die Rede, sondern nur von Gegenständen des religiösen Gebrauchs. Diese Auffassung wird gestützt durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom. 3. Juli 1986 (Az: 3 Ws 1078/85). Das. Gericht vertritt die Auffassung, dass unter den Begriff der Gegen­stände des religiösen Gebrauchs im Sinne von § 53 Strafvollzugsgesetz nicht nur solche fallen würden, die bereits ihrer Beschaffenheit nach ohne weiteres dem religiösen Bereich zuzuordnen seien. Vielmehr könnten hierzu auch solche Gegenstände gerechnet werden, die sowohl zu pro­fanen Zwecken wie zu religiösen Kulthandlungen benutzt werden könnten. Auf dieser Grund­lage stelle eine Kerze einen zum religiösen Gebrauch geeigneten Gegenstand dar. Das Oberlan­desgericht bezieht sich hierbei auf einen Beschluss des Landgerichts Zweibrücken vom 28. August 1984 (Az: 1 Vollz 41/84).

Dr. Tobias Müller-Monning, Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt Butzbach und rechtspolitischer Berater der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge, hat in einem Artikel im 86. Mitteilungsblatt der Konferenz vom April 2017 konstatiert, dass die Definitionsmacht, ob Kerzen religiöse Gegenstände seien, dem Selbstbestimmungsrecht der Kir­chen unterliege. Eine Kerze sei im christlichen Glauben selbstverständlich die Repräsentanz des Christus und symbolisiere die Gegenwart Gottes in vielerlei Hinsicht. Nach Kenntnis des Petitionsausschusses sind bei der Vorbereitung des Erlasses SeelsorgerInnen nicht beteiligt worden. Eine solche Einbindung erachtet der Ausschuss jedoch gerade bei einer generellen Regelung für notwendig, um angesichts der Bedeutung des Grundrechts auf freie Religionsausübung eine angemessene Bewertung von religiösen Symbolen vornehmen zu kön­nen.

Das Bundesverfassungsgericht konstatiert in seinem Beschluss vom 16. Oktober 1968 (Az: 1 ByR 241/66), dass der Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit unter anderem auch die Freiheit des kultischen Handelns umfasse. Da die Religionsausübung zentrale Bedeutung für jeden Glauben und jedes Bekenntnis habe, müsse dieser Begriff gegenüber seinem histori­schen Inhalt extensiv ausgelegt werden. Dafür spreche, dass die Religionsfreiheit nicht durch einen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt sei, .nicht mehr in Zusammenhang .mit den anderen Bestimmungen über das Verhältnis von Staat und Kirche stehe (BVerfGE 19, 206 (219 f.)), nicht nach Artikel 18 Grundgesetz verwirkt werden könne und darüber hinaus durch < verfassungsrechtliche Sonderregelungen geschützt sei. Für das Bundesverfassungsgericht gehö­ren demnach kultische‘ Handlungen und die Beachtung religiöser Gebräuche zur Religionsausübung. Auch die Strafvollstreckungskammer des. Landgerichts Aachen hat in ihrem Beschluss vom 25. Juni 2014 (Az: 33i StVK 924/13) festgestellt, dass freie Religionsausübung auch das Recht des Gläubigen bedeute, sein äußeres Verhalten nach den Geboten seines Glaubens auszu­richten.

Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages | Petition L2123-19/527

Kerzenverbot Argumentationshilfe | Beschluss Landgericht

 

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