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MoTrip und Kelly nehmen Film-Konzert im Kölner Dom auf

1. Juli 2020

Ein inhaftierter Jugendlicher kommt zum Gespräch zum Seelsorger. Aufgeregt und schon fast euphorisch bittet er den Seelsorger, auf YouTube das Lied von „MoTrip“ hören und den Musikclip sehen zu können. „Schon wieder so ein Rapper mit Gangstertexten“, denkt sich der Seelsorger… Doch weit gefehlt. Das Lied entpuppt sich als ein Video im Kölner Dom mit Michael Paddy Kelly und dem libanesisch stämmigen Mohamed El Moussaoui. „Ein Hoffnungslied in der Krisenzeit mit meinem Lieblingsrapper“, so der 22-jährige Inhaftierte Kevin O. stolz. Ein Mitgefangener hat ihn darauf hingewiesen.

Michael Patrick Kelly und MoTrip im Kölner Dom? Ja, warum nicht. „Ich wollte in die Stimmungslage von Zukunftsängsten und Isolation ein Zeichen der Hoffnung setzen und bin den Vertretern des Kölner Doms sehr dankbar für diese Möglichkeit“, sagt Kelly. Auf Einladung von Dompropst Gerd Bachner hatte Kelly das Konzert bereits in der Karwoche vor Ostern in der leeren Kathedrale eingespielt.“ Bachner habe ihn angerufen und gefragt, ob er sich vorstellen könne, im Dom Musik zu machen, um den Menschen ein bisschen Zuversicht zu geben. Mit dem Rapper MoTrip tritt Kelly auch in der Sendung „Sing meinen Song“ auf. „Und ich habe gedacht, dass ist eine einmalige Gelegenheit, das ist unglaublich“, so „Paddy“, wie er zu Zeiten der „Kelly Family“ genannt wurde.

Der „Voice of Germany“-Coach Kelly war von der außergewöhnlichen Location ganz begeistert. „Der Kölner Dom ist für mich ein unfassbarer Ort. Er ist 700 Jahre alt, Weltkulturerbe und wenn man da reinkommt, dann ist es ein Gefühl von Magic.“ Die Film-Aufnahmen des Konzerts, die bis spät in die Nacht gingen, erinnerten Michael Patrick Kelly an seine Zeit im Kloster. „Es war wie bei Exerzitien – Einkehrtage im Kloster – bei denen man sich so abschaltet von der Welt. Es fühlte sich sehr schön an.“

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Kellys Leben zeigt immer wieder Bezüge zur Religion auf. Im Jahr 2004 hatte er sich entschlossen, als Mönch im Kloster der Johannesgemeinschaft in Burgund zu leben. Bis 2010 führte er ein Mönchsleben. Mit dem Bonifatiuswerk hatte Kelly für dieses Jahr die Ausstellung „#PeaceBell“ während des Liborifestes in Paderborn geplant. Wegen der Corona-Pandemie musste diese laut Hilfswerk abgesagt werden. Während Kelly im Dom selbst performte, stand MoTrip in einem Vierungsturm einige hunderte Meter über der Stadt. Das Konzert lief unter dem Motto nach dem gleichnamigen Bob Dylan-Klassiker „Knocking on heaven’s door“ – passend zum Ambiente der Kathedrale.

MoTrip, bürgerlich Mohamed El Moussaoui, ist ein deutscher Rapper libanesischer Herkunft. Sein Künstlername beinhaltet die im Vor- und Nachnamen vorkommende Buchstabenkombination Mo. Seine Familie wanderte 1989 wegen des damaligen Bürgerkriegs aus seiner Heimat nach Deutschland aus. Seither lebt er in Aachen. Die Metal-Sängerin Jennifer Haben (Beyond The Black) wirkte ebenso mit und sang auf dem Dach des Gotteshauses.

Die Begeisterung kam bei dem Gefangenen im Jugendvollzug an. Die Musikrichtung im Knast konzentriert sich eher in Richtung Gangsterrap. „Das Lied ist für mich etwas Besonderes, auch in der Knastzeit der letzten Monate. Ich mag Deutsch Rap. Seit meiner Jugend spricht mich MoTrip an. Jetzt sieht man in der Coronazeit die Sache mit anderen Augen. Nicht allen geht es gut. Das Lied bringt die Krise auf den Punkt“, so Kevin O. im Büro des Gefängnisseelsorgers.

King | domradio.de


Dialogtext des Konzerts

Die ganze Welt ist im Lockdown. Die ganze Welt schließt sich zu Hause ein. Das mache ich jetzt auch. Ich schließe mich ein. Alleine im Kölner Dom. Seit 700 Jahren strömen Menschen dorthin, um sich bei Gott einzuloggen und mit ihm zu chatten. Jedes Jahr 6 Millionen, am Tag mehr als 30.000 Leute. Das ist ein ganzes Stadion. Jetzt ist der Dom leer. Ich habe zwei Gitarren dabei, aber kein Publikum. In dieser Zeit ist nichts normal.

Dialog I
Wo bist du? Bist du hier? Man nennt das hier doch ein Gotteshaus. Was ist los mit der Welt? Ich fühle mich wie in einem Science-Fiction-Film. Ein winziges Virus bringt die Welt zum Zittern und trifft uns alle gleiche. Reiche und Arme, Mächtige und Kleine.

Waren wir zu selbstsicher? Zu egoistisch? Zu gierig? Zu machtgetrieben? Wie verwundbar wir doch alle sind. Und irgendwie widersprüchlich. Wir erobern das Weltall, aber auf der Erde haben wir nicht einmal genügend Schutzmasken, Krankenbetten und Beatmungsgeräte. Und was ist mit den anderen Viren, die wir ignorieren? Alle 4 Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger, 25.000 Menschen pro Tag. Who cares?

Derzeit sind über 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Es gibt um die 25 blutige Kriege. Und wir? Machen ein Geschäft daraus. Wir produzieren und liefern weiter Waffen. Den Planeten machen wir zur Müllhalde, ohne zu merken, dass wir Menschen schon mit auf der Liste der bedrohten Arten stehen. Hast du nicht dieses Universum erfunden? Und uns? Haben wir trotz all dem noch eine Chance?

Dialog II
Bist du da? Die Welt ist so laut und deine Stimme so leise. Können wir kurz reden?

Für so viele Menschen da draußen ist es einfach nur dunkel. Da kursiert ein anderes Virus, das viel älter ist als Covid-19.

Dieses Virus heißt Verzweiflung. 800.000 Menschen nehmen sich jedes Jahr aus Hoffnungslosigkeit das Leben.

Ich kenne das Gefühl. In dieser Dunkelheit war ich auch schon mal. Eigentlich war ich nicht da. Ich war nirgendwo.

Aber du warst da. Du warst da.

 

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