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Im Gewühl des Alltags eine Melodie, die zu Herzen geht

12. Mai 2024

Menschen sind auf der Flucht aus Hunger und Durst, wegen Krieg, Verfolgung und Diskriminierung. Wer dann im neuen Land, in das alle Hoffnung gesetzt ist, ankommt, erfährt dort nicht selten erneut Feindschaft und Ausgrenzung. Aber auch innerhalb eines Landes fliehen Menschen. Wir können in der Welt fliehen, aber nicht aus der Welt.

Das Foto entstand im Kunstmuseum „Kloster Unser Lieben Frauen“, das älteste erhaltene Bauwerk in Magdeburg.

Wenn die Umgebung bedrohlich fremd geworden ist, wo Verlust erfahren wird, Ausgesetztsein oder Ausgrenzung, kann das auf der Suche nach Schutz und Sicherheit zum Rückzug führen in die eigenen vier Wände, manchmal auch in ein Verbarrikadieren in zurechtgebastelte Weltsichten, abgeschirmt von der Wirklichkeit. Die Welt ist unsicher – und sie ist der einzige Ort zu sein. Wir können in der Welt fliehen, aber nicht aus der Welt. So bleibt das in der Welt Sein, und der Auftrag, diese zu gestalten.

Kraft, die es gut mit uns meint

Davon Zeugnis gibt das Johannesevangelium mit dem großen Gebet Jesu. Es wird das Hohepriesterliche genannt, denn seine Worte heiligen das menschlich Sein als ein von Gott getragenes. „Heiliger Vater“, betet Jesus, „bewahre sie [die Menschen) in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir!“, und: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“. Jesus hat uns den Namen Gottes gelehrt, schrieb der Paderborner Theologe Eugen Drewermann, und allen nahegebracht, „dass der Hintergrund der Welt kein dunkler Abgrund, und was diese Welt trägt und durchzieht, keine schweigende Macht ist, der wir gleichgültig sind.

Wir dürfen, inmitten unseres kurzen Lebens, Vertrauen setzen in die Kraft, die will, dass wir sind, und die, ob wir es wissen oder nicht, es gut mit uns meint“. Der Name Gottes ist die Liebe, sagt das Johannesevangelium. Sie ist wie eine Quelle, nach der wir uns sehnen, wofür Menschen die Flucht ergreifen, weil sie sie so schmerzlich vermissen. Und diese Quelle „unendlichen Lebens“, wie es im Johannesevangelium heißt, sprudelt im Menschen. Es braucht kein frommes Gebaren noch das Ableisten von Bußwerken: die so andere, jeder Logik des „Wie Du mir – so ich Dir“ sich widersetzende und aus den Fallstricken eines sich absolut setzenden Egos befreiende Kraft, die Liebe, die Gott ist, kommt in Bewegung, wo immer wir uns der Stimme des Herzens überlassen. „Das Wort Gottes trägt man nicht in einem Köfferchen bis zum Ende der Welt: Man trägt es in sich, man nimmt es mit auf den Weg“, schrieb einmal die Mystikerin Madeleine Delbrêl, „der lebendige Drang dieses Wortes geht dahin, Fleisch zu werden, Fleisch zu werden in uns.“

Zerstörerische Logik der Welt unterbrechen

In der Welt und doch nicht von der Welt – welche Herausforderung! Wie sehr bestimmend sind in der Welt andere Spielregeln als die der Barmherzigkeit und Versöhnung? Wie selbstverständlich ist es, sich mit dem Ellenbogen durchzusetzen und aufzurüsten? Gott, bewahre die Menschen vor dem Bösen, betet Jesus, wissend, wie nahe es liegt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Doch mit der Kraft eines Lebens, das wie ein Gebet innehält und die ganz andere Wahrheit Gottes in der Liebe, in Zuwendung und Vertrauen lebt, wird in dieser Welt jedes Mal neu die zerstörerische Logik der Welt unterbrochen. Dann sitzt er plötzlich da, dieser junge Mann aus einem fernen Land, und spielt mitten im Gewühl des Alltags eine Melodie, die zu Herzen geht. Und du erkennst: da, im Herzen, sind wir verbunden und es ist gut zu Sein.

Christoph Kunz | Joh 17, 6 – 19

 

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