Anfang April 2022 führt der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ein Telefonat mit dem kolumbianischen Präsidenten Iván Duque. Sie sprechen unter anderem über die Erhöhung des Imports kolumbianischer Steinkohle nach Deutschland. Auf diese Weise will Deutschland einen Teil seines Bedarfs an russischer Kohle ersetzen, um den Sanktionen nachzukommen, die sie gegen die Russsische Förderation aufgrund der Kriegs-Invasion in der Ukraine verhängt haben.
Das Kollektiv der kolumbianischen Diaspora, Unidas por la Paz – Alemania, setzt sich für die Verteidigung der marginalisierten Gemeinschaften in Kolumbien ein. Sie lehnen die Erhöhung der Nachfrage nach kolumbianischer Kohle vehement ab. Es ist erwiesen, dass die größten Kohleexporteure in Kolumbien zahlreiche Menschenrechts- und Umweltverletzungen begangen haben, von denen vor allem die in den Abbaugebieten lebenden Gemeinden betroffen sind. Die schlimmsten Missstände treten in den Regionen La Guajira und Cesar auf, wo 90% der Kohle des Landes gefördert wird. Die wachsende Nachfrage nach kolumbianischer Kohle gibt dem größten Kohlebergwerk Lateinamerikas, El Cerrejón, neuen Auftrieb. El Cerrejón befindet sich in dem Gebiet des indigenen Volkes der Wayuu in La Guajira, im Norden Kolumbiens. Der Konzern Glencore, Eigentümer dieses Kohlebergwerks, kündigte vergangenes Jahr an, die Mine aufgrund der geringen Nachfrage zu schließen – plant aber nun, u.a. aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus Deutschland, die Produktion wieder zu erhöhen.
Austrocknung durch Umleitung
Einen Tag nach dem Telefongespräch zwischen den beiden Staatsoberhäuptern erhielt El Cerrejón die Erlaubnis der kolumbianischen Regierung, den Bach Bruno umzuleiten, um die in seinem Flussbett gefundenen Erze abbauen zu können. Der Bach Bruno ist der wichtigste Nebenfluss des Ranchería-Flusses: Letzterer ist der einzige Fluss in der Wüstenregion La Guajira, von dessen Wasserversorgung zahlreiche indigene, afro-kolumbianische und bäuerliche Gemeinschaften abhängen. ExpertInnen warnen, dass die Umleitung des Baches Bruno diesen austrocknen wird, so dass der Zugang zu Wasser für tausende von Menschen unmöglich gemacht wird. Die Genehmigung für den Kohleabbau am Bruno-Bach wurde von der Regierung des Präsidenten Iván Duque ohne die Zustimmung der Wayuu-Bevölkerung erteilt. Zudem wurde die Meinung von ExpertInnen missachtet, die vor einer Dürre warnen. Damit verstößt der Präsident gegen ein Urteil des kolumbianischen Verfassungsgerichts, das die Umleitung des Nebenflusses ohne vorherige Anhörung der betroffenen Parteien untersagt. Dies ist eine weitere autoritäre Handlung der derzeitigen Regierung, die während der Demonstrationen im Jahr 2021 wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen international bekannt wurde.
Keine Lösung mit kolumbianischer Kohle
Die Organisation versteht, dass der Verbrauch russischer Kohle die Tragödie der ukrainischen Bevölkerung finanziert, deshalb begrüßen sie den Versuch Deutschlands, den Kauf zu reduzieren. Es sei jedoch in jeder Hinsicht unethisch, dieses Problem durch den verstärkten Ankauf kolumbianischer Kohle zu lösen. Denn dies bedeutet, den indigenen Völkern und anderen Gemeinschaften in La Guajira den Zugang zu Wasser zu verwehren. Sie rufen die gesamte kolumbianische und lateinamerikanische Diaspora, Menschenrechtsorganisationen und andere interessierte Menschen auf, die Forderung nach kolumbianischer Kohle, die auf Kosten der Wasserversorgung der indigenen Völker gewonnen wird, abzulehnen. Deutschland und Europa haben beschlossen, ihren Verbrauch an russischer Kohle einzustellen, um die Ungerechtigkeit gegenüber dem ukrainischen Volk abzulehnen. Jetzt müssten sie ebenso konsequent handeln und die kolumbianische Kohle meiden. Sie finazieren damit das Leiden des Wayuu-Volkes und den Gemeinschaften, die vom Kohleabbau ausgebeutet werden.
Unidas por la Paz – Alemania
Das migrantische Kollektiv in Berlin, arbeitet an den Schnittstellen zwischen zivilgesellschaftlicher Mobilisierung, Lobbyarbeit, Pädagogik, Information und Netzwerkbildung. Sie legen einen besonderen Schwerpunkt auf Friedensprozesse in Kolumbien, soziale Prozesse in Lateinamerika und Friedensförderung in Deutschland, wo sie sich als MigrantInnen mit lokalen Gruppen und Gruppen an anderen Orten der Welt vernetzen. Durch Projekte, in denen Dialog und direkter Kontakt eine zentrale Rolle spielen, engagieren sie sich für eine interkulturelle Arbeit, die die Ausübung einer aktiven Zivilgesellschaft in Verbindung mit der Entwicklung eines politischen Bewusstseins und einer kritischen Positionierung zur Veränderung des Kontextes ermöglicht.