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Im Erleben in manchen Punkten ganz bei Gefangenen

24. März 2021

Das, was bis in die tiefe Nacht hinein in der Bund- und Länderberatung durch die Bundeskanzlerin und die MinisterpräsidentInnen beschlossen wurde, kennen Gefangene nur zu gut. Wieder einmal kein Licht im Tunnel, keine Lockerung und keine Perspektive. Anstelle dessen noch weitere Verschärfungen. Man drückt es positiv aus: Hashtag #WirBleibenZuhause und „erweiterte Ruhetage“. Ruhe haben wir noch lange nicht vor der Pandemie. „Gesundheitsschutz geht vor“ und „Die BürgerInnen haben es jetzt in der Hand“, solche Aussagen vertrösten und werfen die Verantwortung auf jeden einzelnen zurück. Was haben „wir“ nicht alles getan. Brav zuhause geblieben, keine Geburtstage gefeiert und Kontakte virtuell geknüpft.

Den inhaftierten Menschen hinter den Mauern geht es zurzeit besser als denen, die „Zuhause“ sind. Der Haftalltag soll weitgehendst aufrechterhalten werden. Im Pulverfass „Vollzug“ ist der soziale Friede eh schon brüchig. Ein Lockdown im permanenten Lockdown der Inhaftierung wirkt sich verschärft aus. Und doch gibt es Ähnlichkeiten draußen. Die Grundrechte sind weitgehendst ausgehebelt. Die Religionsfreiheit durch virtuelle und magisch daherkommende Segensgesten ersetzt. „Wir haben eine neue Pandemie.“ Mit einem mutierten Virus, „deutlich tödlicher, deutlich infektiöser“. sagt die Kanzlerin Merkel. Darauf wäre ich nicht gekommen. Gefangene hören solche Aussagen oft: „Wir können Sie nicht lockern, zu groß ist die Gefahr, dass sie rückfällig werden…“

Ist das einleuchtend?

Die Gefahren sind da, keine Frage. Es wird nicht die Pandemie geleugnet. Aber sind die indirekten Folgen der drastischen Maßnahmen nicht vielleicht jetzt schon höher, als die direkten Folgen der Viruserkrankung? Menschen können solche Entscheidungen nur nachvollziehen, wenn es ihnen einleuchtet. Seit einem Jahr werden gebetsmühleartig Durchhalteparolen geliefert. Die Aussagen hören sich an, als hätte man die Repeat-Taste gedrückt. Man hat den Eindruck, die Impfkampagne ruht. Die Lösung der Eindämmung der Gefahr einer Ansteckung wird im Einsperren bzw. den Kontaktbeschränkungen zwischen Menschen gesucht. Was ist nach Ostern, nach der Verlängerung des Lockdowns Ende April? Dies kann niemand beantworten. Wahrscheinlich wird dann festgestellt, dass die eh schon wenigen Impfmöglichkeiten wirkungslos gegenüber einer wieder neuen Mutation sind.

Es soll kein „die“ und „wir“ geben

„Wir“ brauchen keine Ruhe, sondern Beschleunigung im Impfen und der Möglichkeit der Schnelltests. Es ist ein hin und her. Ein Debakel ohne Ende. Maskenskandal, keine Schnelltests verfügbar und dann noch die Warnhinweise zum Impfstoff AstraZeneca. Wer kann da noch nachvollziehen, welche Faktoren noch eine Rolle spielen? Das ist der Beginn von Verschwörungstheorien. Wie im Knast. Dort entstehen bei Gefangenen ebenso die wildesten Spekulationen, warum man dies oder jenes nicht bekommt. „Fördern und Fordern“ ist das Thema. Doch es soll kein „die“ und „wir“ geben. Die Politiker und „wir“ BürgerInnen. Es geht uns alle an. Die Verantwortlichen Größen tun so, als würden sie führen. Sie sind doch selbst hilflos und ohnmächtig. Das wäre doch mal etwas, dass sie das zugeben könnten: Das Herumeiern.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprich von einem Paradigmenwechsel. „Wir haben uns deutlich nach vorn entwickelt. Es geht nicht mehr um Auf und Zu.“ Wie? Ah, lautet die Devise: Harter Lockdown mit ein paar Ruhetagen und dann ist alles gut? So ganz logisch klingt das nicht. Da bin ich ganz bei den Gefangenen, die so manche Entscheidung anderer über sie und ihr Leben nicht logisch finden. Es gibt kein Rezept und keine schnelle parate Lösungen. Demgegenüber bergen so manche kritische Fragen vielleicht schon Antworten in sich. Warum wird das Impfen nicht weiter massiv verstärkt? Warum werden die Schnelltests nicht mehr eingesetzt? Welche maßgebliche Rolle spielt der Inzidenzwert? Gibt es Untersuchungen, an welchen Orten besonders eine Ansteckung wahrscheinlich ist? Es nutzt alles nichts. „Wir“ müssen da durch. Ist nur die Frage, wie weiter? Das Vertrauen in die Politik schwindet. Warnungen und Appelle führen ins Leere. Perspektiven werden immer wieder zerstört. Da bin ich, wie gesagt, ganz beim Erleben so mancher Gefangener im Knast.

Michael King

 

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