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„Ich möchte Geschichten von Euch hören“, sagt Danny Fresh

8. Juli 2023

Die zehn jugendlichen Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt Herford im Jugendvollzug sind skeptisch. Haben sie sich doch für einen Workshop angemeldet, der eigentlich Gutes verheißt. Sie können rappen und ihren RAP-Song aufnehmen. Einige der Inhaftierten wollen groß rauskommen. Sie haben hier und dem Gangster-RAP verschrieben. Doch das sind ganz und gar nicht konform mit dem, was ihre Resozialisierung anbelangt. Drogenkonsum, Gewalt und ein schräges Frauenbild prägen ihr Leben. Danny Ohler, der sich für das Projekt „Anstoß für ein neues Leben“ des Deutschen Fußballbundes engagiert, überzeugt sie über etwas Anderes.

Danny Fresh, wie er sich nennt, studierte an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim als erster Studiengang im Bereich Popmusikdesign mit dem Schwerpunkt „Songwriting“. Er gibt Workshop´s in Justizvollzugsanstalten, besonders im Jugendvollzug. Lässig kommt er mit einem roten Rollwagen mit seinem Equipment durch den Besuchereingang. „Ob das wohl rechtens ist?“, fragt ein Bediensteter. Ja, es ist es. Das zweitägige Projekt wird durch den Deutschen Fußballbund und der Sepp Herberger Stiftung gefördert. Was Ohler am Ort des Projektes in der Anstaltskirche der JVA Herford erwartet, kennt er bereits. Jugendliche Inhaftierte, die im so genannten „Gangster-RAP“ ihre Erfüllung finden wollen.

Musik „machen“ ohne je ein Musikinstrument gelernt zu haben…

Freestyle zeigen

Erst einmal gibt es im Stehen eine Taktvorgabe: Mit den Füßen stampfen und dazu in unterschiedlichen Rhythmen klatschen. Bereits hier fühlt sich einer der Jugendlichen „wie im Kindergarten“. Doch Danny kann überzeugen. Er gibt Hinweise, wie unterschiedlich das Taktgefühl sein kann und wie wichtig dies für den Sprechgesang ist. Ebenso wichtig ist, wie das Mikrofon gehalten wird. Das gibt Antrieb, sich um den „Beat“ zu kümmern. „Müssen wir das gemeinsam machen?“, fragt einer der jungen Gefangenen. „Ich habe nämlich mein eigens im Kopf“, sagt dieser. Doch als Erster ans Mikrofon zu gehen und sein „Freestyle“ zu zeigen, wagt er dann doch nicht. Danny weiß die Jugendlichen einzubinden, sie zu bestärken. Er lässt sie an den Beat-Maker. „Knöpfchen zu drücken und das Gefühl zu haben, man könne schon alles, beflügelt“, sagt die begleitende Pädagogin Stephanie Hoh. Gemeinsam mit ihrer Kollegin, Alexandra Kobusch, gibt sie Deutsch-Unterricht. Schon zum zweiten Mal begleiten die beiden LehrerInnen gemeinsam mit dem Gefängnisseelsorger, Michael King, solch ein Projekt.

Rat holen bei Danny

Mit dem digitalen Schneiden des Beat am Laptop lässt sich in der Musiksoftware einiges korrigieren. Auch damit findet die selbst erstellte Musik nicht unbedingt keine Mehrheit. „Können wir nicht etwas Aggressives machen“, sagt einer. Danny Ohler argumentiert: „Lass uns das jetzt durchziehen, sonst verlieren wir zu viel Zeit“, sagt er. „Du hast doch gerade in Deinem Style dazu gerappt. Warum findest Du dann den Beat nicht gut?“, kontert der erfahren RAP´er. Das scheint nachdenklich gemacht zu haben. Bereitwillig nehmen die inhaftierten Jugendlichen die leeren Papierblätter entgegen. Sie stehen konzentriert an den Stehtischen, schreiben Sätze auf, suchen Worte und holen sich Rat bei Danny. Ein „Hook“, der sich wiederholende Refrain eines RAP, sticht hervor. Ein marokkanischer Jugendlicher rappt diesen in italienischer und arabischer Sprache. Spontanes Klatschen honoriert sein Können.

Eigene Geschichte erzählen

„Wisst Ihr, warum ich möchte, dass sich Euer Song von anderen unterscheidet?“, fragt Ohler. Ratlose Gesichter kommen ihm entgegen. „Weil jeder irgendein ´harten“ Song machen will, der sich nicht unterscheidet von allen. ich möchte, dass ihr eigene Geschichten von Euch erzählt, so dass ich weiß, das war derjenige aus der JVA Herford“, motiviert Ohler. Die Songs sind schnell, kaum verständlich und immer mit den bekannten Handbewegungen vorgetragen. „Du hast die Pausen gut eingehalten“, lobt Danny einen Jugendlichen. Irgendwie weiß er, wie er die Jugendlichen fördern kann. Strahlend und irgendwie beflügelt reden sie auf den Referenten ein. Der weiß gut damit umzugehen. Freundlich, aber klar, gibt er Hinweise, wie man was verbessern kann.

Sprechgesang will gelernt sein

Es will gelernt sein, seinen eigenen RAP-Songs zu produzieren. Dies allen, auch wenn man kein einziges Musikinstrument gelernt hat. Der Sprechgesang will verstanden werden. „Stellt Euch vor, jemand von draußen will Eure Botschaft wahrnehmen. Es ist wie auf einer großen Bühne zu stehen“, sagt der Heidelberger Musiker. Das beherzigen die Jugendlichen. In nicht so einem schnellen Tempo kann weitaus mehr gehört werden. Die Gruppe der Inhaftierten kommen am zweiten Tag alle wieder „zum aufnehmen“ in der Anstaltskirche. Leider bekommen sie ihre Aufnahme nicht in ihren Haftraum. „Zu groß ist die Gefahr, dass die gebrannten CD´s als Geschäftsmodell an andere Mitgefangenen veräußert werden“, sagt der Bedienstete von Sicherheit und Ordnung. Doch die Erfahrung des zweitägigen „Seminares“ bewirkt viel mehr als Verbote. Da sind sich der Workshop-Leiter sowie die jugendlichen Teilnehmer sicher.

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