Die 51. Fachtagung „Kirche im Justizvollzug“ für Gefängnisseelsorgende fand zum 1. Mal im Oblaten-Kloster im hessischen Hünfeld statt. Die neoromanische Kulisse mit ihren Tagungsräumen bot den 43 Teilnehmern ein hervorragendes Ambiente, um sich mit spannenden Themen des täglichen Dienstes in einer JVA auseinanderzusetzen.
Das Thema der diesjährigen Fachtagung lautete: „Der (in sich) gefangene Mensch“ Das lässt schon erahnen, dass weniger die konkreten Abläufe und Regelungen, auch weniger das System des Strafvollzuges als solches im Mittelpunkt standen. Es ging vielmehr um den Gefangen selbst, um ihn als Mensch mit seinen Bedürfnissen und dem, was ihn prägt. Aus verschiedenen Perspektiven und Fachrichtungen wurde dieses Menschsein beleuchtet. Zunächst aus unserer eigenen Perspektive.

Paulina Gehring, Lehrbeauftrage für Psychologie an der hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HOMS) in Mühlheim. Fotos: Michael Barnt
Wer sind die Menschen
Wer sind die Menschen, mit denen wir in der JVA zusammenarbeiten? Was lösen sie in uns aus, wie begegnen wir ihnen, wo werden wir von ihnen innerlich berührt, was schreckt uns ab oder nervt uns? Erstaunlich viele Punkte kamen hier zusammen, die man in der täglichen Arbeit immer wieder reflektieren muss, damit man auch das eigene Handeln besser verstehen kann. Diese Positionsbestimmung war auch eine gute Gelegenheit, uns erst einmal besser kennen zu lernen und zugleich die Vielfalt der unterschiedlichen Teilnehmer und Teilnehmerinnen wahrzunehmen.
Fachlicher Input
Zu einer Fachtagung gehört der fachliche Input und der wurde zwei Tage lang mit Vorträgen und Workshops geboten. Insgesamt sechs interessante Vorträge gab es: Der erste Vortrag befasste sich mit den Möglichkeiten und Grenzen der pädagogischen Angebote während der Haftstrafe, ein zweiter aus psychologischer und soziologischer Perspektive mit den Ursachen der Gewalt, ein dritter mit der Thematik Trieb und Sexualität. Drei weitere Vorträge folgten am nächsten Tag: Hier wurde zunächst aus kriminologischer Sicht auf den Gefangenen geschaut und die Frage diskutiert, ob und in welcher Form die Seelsorge in der Wertevermittlung unterstützend tätig sein kann bzw. ob Religion überhaupt einen Einfluss auf Kriminalität hat. Sehr spannend war auch ein Vortrag über psychische Erkrankungen, die uns ja auch recht häufig im Alltag begegnen.
Erfahrungsaustausch
Abgerundet wurde die Reihe mit einem Vortrag über Sucht und Suchtmittel. Das Gehörte wurde jeweils in Workshops mit den Referenten und Referentinnen vertieft und durch eigene Erfahrungen ergänzt. Gerade dieser Erfahrungsaustausch mit den Kollegen und Kolleginnen war ein starkes Plus der ganzen Veranstaltung. Sehr hilfreich gestaltete sich eine spontane Fragerunde am Abend für die Neueinsteiger, wo die schon erfahrenen Seelsorger mit vielen hilfreichen Tipps und ihrem Hintergrundwissen gute Unterstützung und konkreten Rat anbieten konnten.
Schnell in Kontakt gekommen
“Für mich persönlich war es erst die zweite Fachtagung, an der ich teilnehmen konnte. Ich habe insbesondere die Vielfalt bewundert, mit der wir in den unterschiedlichen JVAen unterwegs sind, auch die unterschiedlichen Charismen und Stärken. Daher waren der persönliche Austausch und das gemeinsame Kennenlernen neben all den fachlichen Informationen und Anregungen für mich eine sehr wichtige Erfahrung“, sagt Gerd Wagner, Gefänngnisseelsorger in der JVA Dieburg. „Auch wenn man erst zum zweiten Mal an dieser Fachtagung teilnimmt, so stellt man wohltuend fest, dass man sehr schnell miteinander in Kontakt kommen kann und man stellt auch fest, wie sehr man sich schon nach einem Jahr Seelsorge in der JVA verändert hat“, führt der Diakon aus. „Sich immer wieder gemeinsam unterstützen und bewusstwerden, dass man gerade in einer JVA nicht mit Akten und Delikten, sondern mit Menschen zu tun hat, von denen wir uns selbst manchmal gar nicht so unterscheiden“, resümiert der Neueinsteiger. Insgesamt eine wohltuende, stärkende Fachtagung, die schon jetzt Vorfreude auf die Tagung im nächsten Jahr weckt. „Daher ein herzliches Dankeschön an alle, die diese Fachtagung vorbereitet haben“, so Wagner.
Gerd Wagner | JVA Dieburg (Hessen)