Geistliches Leben soll den Bewohnern der „Fazenda da Esperança“ helfen, den Drogenentzug zu schaffen. Rainer (Mitte) und Sebastian (rechts) tauschen sich mit den anderen auf dem “Bauernhof der Hoffnung” regelmäßig über die Bibel aus. Foto: NDR.
Während am Wochenende andere Jugendliche noch Party machen, steht der 17-jährige Rainer wie jeden Morgen um 6 Uhr auf und beginnt seinen Tag mit einem Gebet. Er lebt auf einem “Bauernhof der Hoffnung”, der “Fazenda da Esperança“. Nicht ganz freiwillig, er hat Mist gebaut. Die Regeln dort sind allerdings hart: vorgegebener Tagesablauf, immer auf dem Gelände bleiben, kein Facebook oder WhatsApp, morgens und abends gemeinsames Gebet. Auch seine Familie darf ihn in den ersten drei Monaten nicht besuchen.
Noch vor kurzem führte er ein wildes Leben: Partys, schließlich auch Drogen. Während am Wochenende andere Jugendliche noch Party machen, steht der 17-jährige Rainer wie jeden Morgen um 6 Uhr auf und beginnt seinen Tag mit einem Gebet. Er lebt auf einem “Bauernhof der Hoffnung”, der “Fazenda da Esperança“. Nicht ganz freiwillig, er hat Mist gebaut. Die Regeln dort sind allerdings hart: vorgegebener Tagesablauf, immer auf dem Gelände bleiben, kein Facebook oder WhatsApp, morgens und abends gemeinsames Gebet. Auch seine Familie darf ihn in den ersten drei Monaten nicht besuchen.
Noch vor kurzem führte er ein wildes Leben: Partys, schließlich auch Drogen. Die Eltern machten ihm und sich Vorwürfe, die Familie drohte zu zerbrechen. Verzweifelt wandten sie sich schließlich an Jugendhilfeeinrichtungen, doch sie landeten nur auf Wartelisten oder bekamen direkt Absagen. Ein Freund der Familie stellte dann einen Kontakt zur “Fazenda da Esperança” her. In der Fazenda trifft Rainer auf den 36-jährigen Sebastian aus München. Sebastian war heroinabhängig und schaffte es vor zehn Jahren, auf einer “Fazenda da Esperança” clean zu werden. Aber dann hatte er einen Rückfall. Zum zweiten Mal entscheidet sich Sebastian, ein Jahr auf der Fazenda zu verbringen. Sebastian muss dafür sogar seine Frau und sein kleines Kind zurücklassen.
Kann Religion helfen, eine Drogensucht zu bekämpfen? Genau davon sind die Gründer der “Fazenda da Esperança” überzeugt. Auf den “Fazenden” sollen Drogenabhängige nicht nur von ihren Süchten loskommen, sondern einen radikalen Neuanfang wagen, “ein neuer Mensch werden”. Das Besondere: Statt herkömmlicher Therapien soll ein klosterähnliches Leben die Menschen innerlich auf dieses neue Leben vorbereiten.
Die Autoren des Films begleiten die beiden Protagonisten über zwölf Monate. Wie gehen sie mit den strengen Regeln der Einrichtung um? Was lösen die verpflichtenden Gebete und Gottesdienste bei ihnen aus? Beide waren nie richtig gläubig. Kann der Glaube nun eine innere Leere füllen, die bisher nur unter Drogen erträglich war? Rainer und Sebastian haben einen langen und schweren Weg vor sich, für den sie sich jeden Tag neu entscheiden müssen.
Therapiekonzept
Die Therapie auf der Fazenda da Esperança nennt sich Rekuperation. Das Wort kommt aus dem Portugiesischen und bedeutet ursprünglich in Latein „sich wieder gewinnen / finden“. Die Betroffenen werden nicht als Klienten oder Patienten bezeichnet, sondern als „Rekuperanten“, weil es das Ziel des Fazendaaufenthaltes ist, sich selbst und ein gelingendes, gemeinschaftliches Leben wieder zu entdecken. In der einjährigen Therapie können die Rekuperanten ihre eigenen körperlichen und seelischen Kräfte wiedererlangen. Es geht um einen Prozess des Neu-werdens im ganzheitlichen Sinne und ist daher mehr als ein Leben ohne Drogen, es geht um den Anfang eines neuen Lebens.
4 Rückmeldungen
Das Video zeigt eine extreme, jedoch bedenkens-werte alternative Drogenentzugsmöglichkeit auf. Die Beiträge der so genannten „Rekuperanten“ sind spannend. Sie zeigen jedoch auch, dass Rückfall und Abbruch nach und bei diesen Aufenthalten auf der Fazenda da Esperança, trotz Aushändigung eines derartigen Diploms, die Praxis sind.
Das Ziel dieses Experimentes in einer klosterähnlichen Gemeinschaft, ohne weitere therapeutische oder psychologische Betreuung, ist, sich selbst und ein gelingendes (gemeinschaftliches) Leben wieder zu entdecken. Leider wird auch hier, wie bei Modellen des klassischen Strafvollzugs oder wie in diesem Fall des Drogenentzugs, die Realität, in die sich die Betroffenen wieder einfinden sollen/wollen, total ausgeblendet.
Ein Kloster, in dem das GEBET den Tagesablauf strukturiert, dient sicherlich denjenigen, die vorher diesen Bezug nicht hatten, als eine Art NEU-FINDUNG. Und das ist ja, wie ein Betroffener aussagt, das wirklich Wichtige, was ihm im klassischen Drogenentzug fehlt:
– Du lernst im klassischen Drogenvollzug nichts Neues kennen.
– Und es fehlt die Liebe.
Die innere Leere mit Gott füllen? Sobald diese Form der Gemeinschaft weg fällt, steht der/die Betroffene ALLEIN da, ohne die Leere in sich füllen zu können. Ein alternativer Entzug sollte zu verschütteten Ressourcen in sich selber führen als auch neue Ressourcen erschliessen. Auch Plattformen bieten, den Alltag unserer Gesellschaft einzuüben.
Dazu kann dieses in sich abgeschlossene realitätsferne Ordensleben leider nicht führen. Wie sollte jemand nach dieser Form des extrem-religiös-geprägten-gemeinschaftlichen Lebens, der oder die nicht Ordensmitglied ist, den Alltag ausserhalb und a l l e i n bewältigen?
– Weit gefächerte Formen entwickeln, in denen Menschen zu ihren eigenen Ressourcen zurückgeführt werden bzw. neue Ressourcen hinzu gewinnen. Hier könnte der Beitrag weiterführend sein und zwar nicht nur auf der einseitigen Wiederentdeckung der eigenen Religiosität.
– „Etwas Neues hinzulernen“, das ist die Aussage der Protagonisten. Hier könnten Institutionen, die den klassischen Entzug praktizieren und das Umfeld der Betroffenen ausblenden etwas abschreiben und hinzulernen an Kreativität und vor allem wohl auch an LIEBE.
Ich sehe solche Konzepte oder Therapieansätze sehr kritisch. Der Glaube mag in der Arbeit mit Suchtkranken häufig funktionieren, oft „tappen“ die Abhängigen aber in einer andere „Sucht“ oder Abhängigkeit. Ähnlich ist es bei den „Fleckenbühlern“ oder bei „Synanon“. Strenge strukturierte Abläufe, Sanktionen bei Rückfällen oder Verfehlungen (was ich bei Esperança nicht unterstellen möchte), all das ist mir nicht fundiert genug und zielt oft auf Strafe ab.
Der Glaube ist auch nicht für Jedermann das Richtige. Das Einlassen in eine (Therapie-)Gruppe ist schon schwer genug, sich dann auch noch mit seinem Glauben auseinanderzusetzen finde ich hinderlich. Mag aber auch klappen. Wenn ich mir manchen Häftling im Knast anschaue, bezweifele ich, dass jemand zu Gott findet, nur weil er in so eine Einrichtung kommt und dadurch von Drogen loskommt.
Ich denke, es sollten Fachleute an Krankheiten arbeiten. Seelsorge und Priesteramt sind tolle Hilfsmittel, jedoch fehlt mir persönlich die Fachkompetenz von Therapeuten/ Suchtberatern, Ärzten (allein für Medikamente) o.ä. In Hannover gibt es auch eine Einrichtung, welche sich strikt an Glaubensarbeit hält und das Gebet als Teil der „Therapie“ nutzt.
Wie gesagt, ich finde, dass es jedem helfen kann zu sich selbst zu finden und Selbsterkenntnis zu erleben, dafür muss man aber auch empfänglich und bereit sein. Manche Dinge sind m.M.n. aber nur durch professionelle Unterstützung von Fachpersonal aufzuarbeiten. Solche Therapieansätze haben immer etwas von Kulten und von so etwas halte ich wenig.
Für Menschen, die keine Familie, keinen Anhang haben mag das passend sein. Ebenso für Menschen, die eh bereits gläubig waren und im Glauben Halt finden. Menschen, die dort ihren Halt und ihren Mittelpunkt finden und bleiben.
Was machen die „Rekuperanten“ denn, wenn sie nicht glauben (wollen)? Was wird denn dafür getan, um den Rückweg in das alte Milieu vorzubereiten? Werden Eltern gebrieft, geschult, therapiert? Alles mit Liebe zu erklären ist ja ganz schön, aber damit kommt man vor dem Job-Center-Mitarbeiter nicht gänzlich weiter.
Sicherlich hat Glauben für viele Menschen einige Vorteile. Aber das Ganze hier ist m.M.n. ein Verschieben des Problems. Wirf deine Schuld auf Gott, der ist für dich gestorben, du bist ohne Sünde. Gut. Aber mit Suchtdruck. Und den nimmt mir erst einmal keiner, wenn ich wieder in Dortmund am Hauptbahnhof stehe. Es wird gebetet, gesprochen, diskutiert – und gearbeitet. Arbeiten ist gut, strukturierter Tagesablauf auch, aber wenn keiner meine „alten Fälle“ mit mir aufarbeitet, kann ich auch nicht mit ihnen umgehen. Und da müssten Fachkräfte her.
Schön, dass die Jungs ans Arbeiten kommen. Schön, dass sie Holz hacken und Lavendel schneiden können. Aber in Berlin Marzahn habe ich nicht gänzlich viel davon. Schön für sie, wenn sie die Erfahrungen machen können, geliebt zu werden. Schön, wenn sie sich selbst wieder lieben können. Wie hoch ist das Rückfallrisiko, wenn von der eigenen Familie keine große Liebe vorhanden ist? Diese Therapie erscheint mir mega einseitig. Die Welt außerhalb der Klosterwand ist definitiv eine andere als im Kloster.
Dass der Ort ” Fazenda da Esperança” ein Hoffnungsort für Menschen sein kann, die suchtkrank und auf die schiefe Bahn gekommen sind, ist keine Frage. Allerdings sehe ich die so genannten “Rekuperations-Therapie” sehr kritisch. Die spirituelle Ausrichtung mit dem Gebet des Rosenkranzes und anderen festen Tagzeitenliturgien können nicht die Heilsbringer sein. Diese lassen keinerlei andere Sichtweisen zu. Die Gefahr ist groß, dass die Sucht “einfach” mit dem (christlichen) Gott ersetzt wird. “Ist doch gut”, mögen viele sagen, hauptsache der Konsum illegaler Drogen oder Alkohol hört auf. In der Einengung auf die klare, feste und eingefahrene Form entsteht neue Abhängigkeit.
Meine Erfahrungen als Gefängnisseelsorger, der mit jugendlichen Suchtkranken arbeitet, zeigen mir, wie schwierig es ist. Auf der einen Seite wollen Jugendliche sehr klare Regeln und halten sich vielleicht daran. Doch was ist, wenn das Umfeld, in der das gelebt wird, wegfällt? Was ist mit der Aufarbeitung traumatischer Erfahrungen, mit Persönlichkeitsstörungen, die einer medikamentösen und psychologischen Begleitung bedürfen? Stichwort ist ebenso ein „angepasstes Verhalten“, was im Knast auf gleiche Weise Wirkung findet. Auf göttliche Begleitung zu setzen und die Lebenssituationen vor Gott zu tragen finden meine volle Unterstützung. Doch da treffen Welten aufeinander, die nicht allein mit frühmittelalterlichen Gebeten “therapiert” werden können.