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Gott am Tatort. Der Straffall Jesus von Nazareth

1. April 2021

Die Karwoche hat begonnen. Menschen hinter Gittern fühlen sich in dieser Woche manches Mal dem Gefangenen Jesus von Nazareth besonders nahe. Die Verhaftung und Verurteilung kennen Inhaftierte aus eigener Erfahrung. Corona prägt dieses Jahr die Osterfeiertage auch hinter den Gefängnismauern. Wie an anderen Orten werden Präsenzgottesdienste limitiert und verkürzt von der Gefängnisseelsorge angeboten. Wer aufgrund der Einschränkungen und den strengen Sicherheits-Vorkehrungen auf der Quarantäne-Abteilung nicht aus der Zelle darf, erlebt nicht nur ein einsames Osterfest.

Es ist kein Geheimnis, dass sich Menschen hinter Gittern dem Gefangenen Jesus besonders nahe fühlen. Vor allem wegen seiner Verhaftung und Verurteilung am Karfreitag. Gott selbst, der Schöpfer des Himmels und der Erde, ist an diesem Tatort präsent. Den weltlichen Gesetzen sieht er anscheinend tatenlos zu. Im Gegensatz zu dem, was man am Stammtisch sagt, war Jesus unschuldig und kein Verbrecher. Und auch wenn er es wäre, gibt es keinen Grund für die Todesstrafe. Es gibt heute noch Fälle, in denen Menschen unschuldig für eine Tat verantwortlich gemacht werden. Doch der größte Teil ist aufgrund einer Straftat rechtmäßig verurteilt. Sie bleiben und sind Menschen. Mit dem Tod wird in unserer Zeit „Gott sei Dank“ niemand bestraft. Was leicht übersehen wird: Die Meisten der Verurteilten sind selbst Gewaltopfer geworden. Diejenigen, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, sind oft jünger als der zum Tode verurteilte 33 jährige jüdische Mann aus Nazareth.

Sehnsucht nach einem anderen Leben

Die Karwoche und das Osterfest erzählen von Gefangenschaft und von Befreiung. Es bleibt aber eine schwierige Zeit für die Menschen im Gefängnis. Genauso wie an den besonderen Feiertagen von Weihnachten, Silvester und anderen Familientagen. Die Corona-Maßnahmen kommen erschwerend hinzu. „Draußen“ erlebt man das eigene Gefängnis in Corona-Zeit neu. Was manche im Justizvollzug mit dem inhaftierten Jesus verbindet, sind Grenzerfahrungen und Konflikte. Nicht das stereotype Bild des Konsums von illegalen Drogen oder Alkohol. Von Jesus sagt man, dass er selbst gerne Wein getrunken hat. Was Gefangene mit Jesus teilen, ist die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Vor allem aber, ein freier Mensch zu sein. Man glaubt an etwas, man hofft auf etwas. Ein Gewaltstraftäter liebt vielleicht etwas. Die Widersprüche gilt es auszuhalten Jeder hat im Gefängnis seine Geschichte, seinen Gott und seine Dogmatik des Lebens. Das sind oft schmerzhafte Gesprächsthemen mit den Inhaftierten.

Die Straße ist meine Ausbildung

Die Botschaft Jesu ist nicht der Tod, sondern die Auferstehung. So berichtete ein Gefangener vor ein paar Tagen: „Pfarrer, auf der Straße muss ich überleben. Das ist die Ausbildung, die ich hatte. Es gibt für mich keine Alternative, auch wenn ich glauben sollte. Wissen Sie, da entsteht der Kreislauf Opfer und Täter zugleich zu sein. Ich sage nur zwei Wörter: Polizeiliches Führungszeugnis. Das heißt keine Arbeit, keine Wohnung und keine Chance auf einen Neubeginn!“ Dieser Schmerz bleibt. So wie von Jesus gesagt wurde: „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut“ (Jesaja 53,3). Die Hohepriester liefern ihn aus Neid aus (Markus 15,10). Der römische Statthalter Pilatus überlässt den Gefangenen Jesu der Kreuzigung, nachdem er ihn geißeln ließ (Markus 15,15). Um Trost und Kraft zu finden, erinnern wir gemeinsam an ihn. Durch seine Wunden und Tod als unschuldig gerichteter Gefangener zeigt uns, dass Christus im heute Heilung und Versöhnung schenken kann (1 Petrus 2,23 f).

Meins Coetsier | JVA Hünfeld und Fulda 

 

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