Immer wieder wird es dunkel, jeden Abend. Das ist normal. Auch wenn es uns im Winter mitunter zu schaffen macht, wenn das Licht so gering ist. Aber manchmal wird es auch tagsüber dunkel. Aus heiterem Himmel. Ich sitze im Fahrstuhl, der mit Riesengeschwindigkeit im Keller landet, Erfahrungen des Erlischens, Leben ohne Perspektive.
Und wenn es finster ist, richtig finster, scheint alles untröstlich, scheint jedes Reden vom Licht vergeblich. Meist versuchen wir, die Nacht und die dunklen Erfahrungen zu verdrängen: Unsere Lichtschalter sorgen dafür und der Druck der guten Laune. Die Lichtverschmutzung nimmt weltweit immer weiter zu – ist in der Zeitung zu lesen. Sie lässt die Sichtbarkeit von Sternen drastisch sinken, aber macht auch der Tierwelt, der Umwelt zu schaffen und sorgt für Störungen etwa bei Insekten, von denen die Hälfte nachtaktiv sei. Wir wissen, dass sich Armut versteckt; Dunkelheit ebenso, sie wird vertrieben: Am Nachthimmel, aber auch im übertragenen Sinn: Wer im Dunklen sitzt, vermag sich oft kaum zu äußern, und wer nach einer tiefen Nacht den Morgen erlebt, will ebenso vom Dunklen nichts mehr wissen. Nachtgeschichten möchten wir schnell los werden oder gar nicht erst erleben: Trauererfahrungen, Ohnmacht, Trübsinn, Depressionen.
Gott ist anders
Licht und Finsternis kämpfen. Immer schon. Mal scheint es, dass das Licht siegt, mal die Nacht. Selbst unser Glaubensleben ist nicht frei davon. Die Heilige Therese von Lisieux spricht von „Gottesfinsternis“. Die uralten Erkenntnisse des Elija, der am Godesberg Horeb erfährt, worin Gott alles nicht ist – nicht im Sturm, nicht im Feuer – machen auch wir, wenn wir spüren, dass so manches, was wir mit Gott in Verbindung gebracht haben oder als Gottes Willen meinten wahrzunehmen eher menschliche Annahme war oder Aberglaube. Unsere Zeit, in der wir leben, wirft einen anderen Blick auf so manche Glaubensüberzeugungen, die Menschen jahrhundertelang getragen haben. Wir lernen, wie sehr Gott unsere Vorstellungen übersteigt, wir lernen, was es bedeuten kann, wenn wir sagen: Gott ist ganz anders, unbegreiflich. Wenn Glaube sich klärt, sieht es nicht selten so aus, als schwände er ganz.
Ich kenne das. Ich bleibe…
Was gibt deinem Leben Licht? Menschen haben Jesus als Licht erfahren, zu Seinen Lebzeiten – und danach. Sie spürten: Jemand ist da, dem ich nicht gleichgültig bin, jemand ist da, auf den ich all meine Hoffnung setzen kann. Aber die Erfahrung lehrt uns auch: Glaube ist kein Knopfdruck auf den Lichtschalter – und alles Dunkle ist vertrieben. Licht und Dunkel sind kein Nacheinander, eher ein Ineinander. „Das Volk, das im Dunkel saß, hat ein helles Licht gesehen.“ Ich höre das gern. Wenn ich glaube, dass das Licht nur eine Fata Morgana ist, werde ich hingewiesen auf Menschen, die das Licht gesehen haben. Wenn ich meine, meine Nacht will nicht enden, sagt mir jemand: Ich kenne das. Es bleibt dabei nicht. Und wenn es gut geht, höre ich nicht nur „Ich kenne das. Es bleibt dabei nicht“ – sondern zusätzlich: Und solange es so bleibt, bleibe ich bei dir. Das verbinde ich mit Jesus. Den, der meine Nacht kennt. Den, der nicht im Sonnenlicht des Himmels verschwindet. Den, der bei mir bleibt. Den, der in der Nacht da ist.
Bernd Mönkebüscher, Matthäus 4, 12-23 | Titelfoto: A. Hartmann