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Gib dem Brot eine Geschichte, dann verwandelt es sich

18. August 2024

Erinnerungen sind uns wichtig. Manchmal helfen uns Gegenstände, Erinnerungen wachzuhalten oder sie lösen sie sogar aus: Ein Mitbringsel aus dem Urlaub, ein Stofftier, eine bestimmte Speise, ein Teil, das uns an einen verstorbenen Menschen erinnert. Gegenstände sind dann mehr als nur Gegenstände. Sie sind aufgeladen, an ihnen hängen Geschichten, die durch sie transportiert werden und lebendig bleiben.

Mit “Jesuskarte” im Gespräch bei der Gefangenenwallfahrt in Werl.

Vor kurzem las ich einen Satz, der diese Zusammenhänge für mein Empfinden treffend auf den Punkt bringt. Er lautet: „Gib dem Brot eine Geschichte, dann verwandelt es sich.“ Je mehr wir mit dem Brot, das wir essen, verbinden, um so mehr ist es mehr als Brot. Wir essen Geschichten. Rein geistig würden diese Geschichten vermutlich nicht überleben, sie gingen verloren.

In Fleisch und Blut übergehen

Denn auch unser Geist braucht Stützen – und diese sind in der Regel materieller Natur – und sei es nur der Eintrag im Terminkalender gegen die Vergesslichkeit. Wir sehen, wir hören, wir fühlen, wir schmecken und unsere Sinne vermitteln, was da mal war und eigentlich immer noch ist, was nichts an Bedeutung, an Glanz, an Kraft verloren hat. Jesus verbindet sich und sein Leben mit Brot, spricht von sich als lebendiges Brot und spricht vom Brot, das er gibt, sein Fleisch und Blut. Fleisch und Blut bezeichnen sein Leben, ähnlich wie wenn wir sagen: Etwas geht mir in Fleisch und Blut über, was so viel heißt wie: Es geht in mein Leben über, wird mir selbstverständlich.

Geschichte verwandelt

Jesus verbindet seine große Geschichte, sein Leben mit dem Brot – und Christen haben es von Anfang an auch. Das Brot vermittelt, es „transportiert“ sein Leben. Verbunden mit einem Wort von ihm, verbunden mit der Bitte um seine Gegenwart ist es mehr als Brot. „Gib dem Brot eine Geschichte, dann verwandelt es sich.“ Gerade das Missverständnis, das im heutigen Evangelium anklingt, ist immer wieder aufgetaucht oder nie verklungen: Das Brot losgelöst von der Geschichte zu sehen, ein magisches Eucharistieverständnis, das Jesus wie ein Objekt begreift, gegenständlich – bis hinein in die Vorstellung, dass wenn eine Hostie zu Boden fällt, Jesus zu Boden fällt.

Erzählgemeinschaft

Lebendiges Brot ist nie Gegenstand, entzieht sich beim Zugriff, aber gibt sich den Empfangenden. Das Christentum ist eine Erzählgemeinschaft, es lebt von den Geschichten, aber sie würden blutleer und irgendwann bedeutungsarm, wenn sie sich nicht mit Materie, mit dem Leben, mit dem eigenen Leben verbinden. Wenn wir in dem Zusammenhang von Materie reden, reden wir auch von Mütterlichkeit. Das Wort Mater, Mutter, steckt darin, es klingt ebenso an, wenn wir von Mutter Erde reden. Die Eucharistie, das lebendige Brot, ist etwas zutiefst Mütterliches. Brot backen: Die Arbeit der Frauen und Mädchen. Eucharistie gibt es nicht losgelöst von Frauen, wie widersprüchlich, dass nur Männer den Feiern vorstehen. Solange wir leben, gibt es nicht das eine ohne das andere, oder es würde nicht überleben, lebendig sein: Kein Brot ohne Geschichte und keine Geschichte ohne Brot, kein Geist ohne Materie und keine Materie ohne Geist. Wo diese Einsicht wächst, kommt immer mehr zusammen: Brot wird lebendig, Menschen werden wie Brot, und alles ist erfüllt von der Gegenwart dessen, der in vollendeter Form Wort und Brot ist.

Bernd Mönkebüscher | Joh 6, 51-58

 

1 Rückmeldung

  1. 📚 sagt:

    Für viele Menschen ist die Eucharistie und die katholische Liturgie lebensfremd (geworden). Schon der Abstand zum Altar und das trennende Frontale lässt das Geschehen wie durch ein Smartphone anschauen. Es ist eine Show, die man vielleicht noch ansieht, aber nicht wirklich dabei ist. Eine heimliche Faszination ob dem “Heiligen” bleibt vielleicht noch hängen. Die Kleriker feiern unter sich. Die pastorale Mitarbeiterin tritt ab beim Hochgebet. Sie darf noch die Kommunion austeilen. Das Mahl wird zuerst “oben” eingenommen, bevor die Mitfeiernden “unten” dran sind.

    Die Piusbruderschaft sieht Reformen nicht nur kritisch, sie lehnen sie ab und fallen bewusst zurück vor das II. Vatikanischen Konzil. “Da ist die Liturgie noch Liturgie”, sagt ein Sympathisant der erzkonservativen Gemeinschaft des französischen Priesters Lefebvre. Ist es so einfacher zu glauben, dass Gott sichtbar wirkt? Ich bezweifle das. Mir ist die katholische Eucharistie fremd geworden, weil ich aufgewacht bin. Ich mag sie nicht mehr mitfeiern. Da gibt es noch viele weitere Formen, die mir näher sind. Sie sind voller Geschichten und können in Fleisch und Blut übergehen ohne daran festkleben zu wollen.

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