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Geschäfte im Gottesdienst nicht immer Realität

4. Januar 2020

Gottesdienst – damit ist aus der Sicht der Bediensteten natürlich erst einmal der Gedanke der Beaufsichtigung verbunden: Wie viele Gefangene nehmen teil? Wer ist von der Teilnahme ausgeschlossen? Gibt es bestimmte Erlasse und Vorschriften zu beachten? Wer übernimmt die Aufsicht? Von manchem Kollegen wird diese eine Stunde ganz einfach als unnötig, scheinheilig oder sinnlos abgetan. Negativurteile wie die Behauptung, die Gefangenen gingen alle nur zum Gottesdienst, um Geschäfte zu machen, sind schnell ausgesprochen, aber entsprechen „Gott sei Dank“ nicht immer der Realität.

Neben der eigentlichen Intention des Gebets bietet gerade diese eine Stunde am Sonntag die Möglichkeit kurz im Alltagstrott inne zu halten, abzuschalten und unser eigenes Tun und Handeln neu zu überdenken. Der Gottesdienst erlaubt die Rückbesinnung auf die Leitgedanken des Berufs, zu einem aufeinander Zugehen und spätestens bei einem Friedensgruß muss bewusst werden, dass auch der Gefangene, der diesen Gruß ausspricht, den Wunsch hat, sich mit der Gesellschaft zu versöhnen. Dann die Hand zurück zu halten oder nur halbherzig zu antworten, wäre das Zeugnis einer falschen Einstellung zum Leitbild des Vollzugs.

Nur der Mensch als wichtig erachtet

Jeder Gottesdienst im Gefängnis ist die Keimzelle einer Hoffnung auf einen verständnisvolleren Vollzug. Verständnisvoller in beide Richtungen: Bedienstete für die Probleme der Gefangenen und ihre Angehörigen – Gefangene für den Dienst der Bediensteten. Hier kann für einen kurzen Moment das gegenseitige Misstrauen zurückgedrängt werden, das uns dazu verleitet, negative Gedanken und Einstellungen im Mittelpunkt unseres Alltags hinter den Anstaltsmauern übermächtig werden zu lassen. Hier muss nur der Mensch als wichtig erachtet werden, unabhängig von seinem Beruf, seiner Straftat, seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Hautfarbe. Diese eine Stunde ist ein Moment des „Sich-Fallen-Lassens“ in eine geistige Geborgenheit, die den restlichen Vollzugsalltag für kurze Zeit in der Bedeutungslosigkeit versinken lasst.

Nicht nur für Gefangene da

Die GefängnisseelsorgerInnen sind nicht nur für die Gefangenen da, sondern auch für die Bediensteten. Dazu ist ein guter Kontakt und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit hilfreich. Die Balance zu halten zwischen den Gefangenen und den Bediensteten ist eine Herausforderung. In Konflikten zwischen Gefangenen und Bediensteten sitzen GefängnisseelsorgerInnen oft zwischen den Stühlen. Beide Seiten wünschen Unterstützung und Solidarität. Im System „Justizvollzug“ genießen GefängnisseelsorgerInnen große Freiheiten und sie sind verschwiegen. Dies kann bei manchen Bediensteten Unmut erzeugen: „Was erzählt der Gefangene im Gespräch mit dem Seelsorger vielleicht über mich?“ In den Dienstzimmern, Konferenzen und auf den Gängen gibt es persönliche Gespräche mit den MitarbeiterInnen. GefängnisseelsorgerInnen werden oft zwischen Tür und Angel angefragt. Überwiegend erleben die Bediensteten die Gefängnisseelsorge und damit die Kirche über die Kontakte und die Zusammenarbeit im Gefängnis als sehr verständnisvoll.

Franz Krickl | JVK Hohenasperg
Aus: Informationen – Broschüre des Diözesan- und Priesterrats, Diözese Rottenburg-Stuttgart

 

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