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Geiselnahme in der Justizvollzugsanstalt Geldern

3. September 2020

Im Innenhof der JVA Geldern kam es zu einer Geiselnahme, bei der ein Inhaftierter einen Bediensteten unter Vorhalt eines Messers in seine Gewalt brachte. Das zuständige Polizeipräsidium Essen übernahm schnell die Einsatzführung und unterstützte die Polizei aus Kleve. Zahlreiche Einsatzmittel sowie Spezialeinheiten der Polizei wurden alarmiert und machten sich auf den Weg zur Justizvollzugsanstalt. Die Anstalt ist mit dem Wort „Sehnsucht“ an der Außenmauer bekannt.

Gegen 17.15 Uhr konnte der Täter von mehreren Bediensteten der JVA in einem günstigen Moment überwältigt und entwaffnet werden. Hierbei erlitten zwei Bedienstete, darunter die Geisel, und der Täter leichte Schnittverletzungen, die vor Ort ambulant behandelt wurden. Dem schnellen Zugreifen von herbeigeeilten Kollegen in einem geeigneten Moment ist es zu verdanken, dass die Sicherheitsstörung noch vor dem Eintreffen der alarmierten Polizei beendet werden konnte. Für den Geiselnehmer bestand laut Angaben der JVA nicht die Möglichkeit, aus der Justizvollzugsanstalt zu flüchten oder Unbeteiligte zu gefährden.

Bei dem Geiselnehmer handelt es sich um einen 31-jährigen Gefangenen mit türkischen Wurzeln, der wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde. Die Kriminalpolizei Essen hat eine Ermittlungskommission eingerichtet. Die beteiligten KollegInnen werden von der psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) begleitet. Die Sicherheitsstörung konnte schnell durch Kräfte des Vollzuges beendet werden, bevor die Lage weiter eskalierte. Das Ereignis führt vor Augen, wie schnell in einer Justizvollzugsanstalt eine Situation kippen kann. Es gilt immer wieder die Balance zwischen Nähe und Distanz zu den Inhaftierten abzuwägen. Besonders für die „Uniformierten“ des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD), die an vorderster Front sind. Doch auch die MitarbeiterInnen der Fachdienste arbeiten nicht im luftleeren Raum.

Der Umgang mit einer steigenden Anzahl psychisch auffälligen Gefangenen, die Behandlung, Betreuung und Resozialisierung dieser schwierigen Gefangenengruppe ist in vielfältiger Weise in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Beispielsweise wird immer wieder von Haftraumbränden berichtet oder von Übergriffen auf Mitgefange. In der Differenzierung gibt es Gefangene, die auf Grund psychischer Auffälligkeiten eine Selbst- oder Fremdgefährdung aufweisen, etwa bei Schizophrenien, Persönlichkeitsstörungen oder bei affektiven oder neurotischen Störungen. Davon zu unterscheiden sind Gefangene, die psychisch auffällig, aber weder für sich noch für andere gefährlich sind, etwa bei Phobien, Demenzen u.a. In beiden Fällen geht es um Diagnose und geeignete Psychotherapie, wobei ein erhöhtes Fremdgefährdungsrisiko immer auch ein Risikomanagement nach sich zieht. Andere Gefangene weisen keine psychischen Auffälligkeiten auf, sind aber auto- oder fremdaggressiv.

Erst vor kurzem griff ein junger Gefangener in einer anderen Justizvollzugsanstalt unmittelbar und ohne Vorzeichen einen Bediensteten von der Seite an und verletzt ihn im Gesicht. Hierzu gab es keinerlei Auseinandersetzungen vor dieses Ereignis. Es schien so, dass sich der junge Inhaftierte von der Justiz massiv bedrängt gefühlt haben muss und nichts anderes wusste, als zuzuschlagen. Nichtsdestotrotz ist die sogenannte „Soziale Sicherheit“ in den Gefängnissen wichtig. Eine Erhöhung der Sicherheitsprävention mit höheren Zäunen und weniger Möglichkeiten der Beschäftigung von inhaftierten Menschen, steigert umso mehr die Aggressionen. In der Regel wird im Justizvollzug deeskalierend agiert sowie in der sozialen Sicherheit durch Ausbildung, Unterricht, Freizeitmaßnahmen und Projekten investiert. Gibt es eine Sehnsucht im Gefängnis zu sein?

M. King

 

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