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GefängnisseelsorgerInnen gegen Weltanschauungen von Rechts

19. Januar 2024

Die Gefängnisseelsorge arbeitet in einem Bereich, der staatlich organisiert ist. Darin treffen sich im sozialen Brennglas hinter den Mauern unterschiedliche Weltanschauungen, Religionen und Kulturen. Das christliche Menschenbild ist im Dienst von GefängnisseelsorgerInnen maßgebend, jedem Menschen würdevoll zu begegnen. Populistische, rechtsextremistische und antisemitische Positionen werden zunehmend salonfähig. Misstrauen, Hass und Hetze treiben die Gesellschaft auseinander. In Justizvollzugsanstalten kann dies besonders spürbar werden.

Manche der GefängnisseelsorgerInnen erzählen aus einigen Ländern, dass Bedienstete im Dienstzimmer mit AfD Fähnchen sitzen und in entsprechender Haltung gegenüber inhaftierten Menschen auftreten. Daneben gibt es Gefangene, die meinen im Vollzug die Menschen spalten zu können, indem sie menschenverachtende Einteilungen vornehmen. Das ist in der Geschichte Deutschlands nicht neu. Unterlagen aus dem Bistumsarchiv Fulda zeigt ein Schreiben vom Naumburger Generalstaatsanwalt von 1934. Damals wird mehr Seelsorge in den Anstalten gefordert: „Bei meinen Besichtigungen der Gefangenenanstalten habe ich zu meinem tiefen Bedauern vielfach, insbesondere in den mittleren und kleineren Anstalten die Feststellung machen müssen, daß der Seelsorge an den Gefangenen nicht das nötige Gewicht beigelegt […] So wichtig die Beugung unter das Gesetz und die Erziehung des Gefangenen zur Ordnung, Sauberkeit , Pünktlichkeit, Unterordnung, Pflichterfüllung, Fleiß, Geschicklichkeit, Ausdauer, Körper-und Geistespflege und damit zur Volksgemeinschaft ist, so ist es nicht recht, hierbei stehen zu bleiben, wenn die Möglichkeit besteht, an die Seele des Mitmenschen heranzukommen und Ewigkeitswerte zu vermitteln.“ Dass dies nicht im Sinne der „Geistlichen“ war, zeigt sich Jahre später, als Gottesdienste und Seelsorge in den Gefängnissen nicht mehr durchführbar waren, es politische Gefangene gab und Entlassene in die Hände der Gestapo-Polizei gegeben wurden.

Grundwerte unserer Gesellschaft

Ob sich das mit Heute vergleichen lässt? Sicher nicht, aber die populistischen Reden und die zum Teil wortgleichen Aussagen von AfD PolitikerInnen erinnern an diese dunklen Zeiten. Normalerweise äußern sich Bischöfe nicht zu politischen Parteien. Doch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige erhebt seine Stimme, „dass, wenn gegen das Menschenbild gehandelt wird, wir etwas sagen müssen“, betont der Bischof. Er und seine Kollegen aus den (Erz-)Bistümern Berlin, Erfurt, Dresden-Meißen, Görlitz und Hamburg appellieren in einem offenen Brief:  „Spätestens die Schrecken der Weltkriege und die Gräueltaten des NS-Regimes haben uns gelehrt: Die unantastbare Würde des Menschen zu achten und zu schützen muss die oberste Richtschnur jedes staatlichen Handelns sein. Politische Parteien, die diesen Grundsatz in Frage stellen, können nach unserem Verständnis keine Alternative sein. […] Krude Ausweisungsphantasien für Migranten und ihre Unterstützer, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, der alleinige Fokus auf Leistungsfähigkeit, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen sind mit diesen Grundwerten unserer Gesellschaft unvereinbar. […] Es gibt keine bessere Staatsform als die Demokratie, denn sie ermöglicht uns, in Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit zu leben“, so wörtlich einige Passagen des Briefes.

Demonstrationen gegen rechts

Als Kirchen und GefängnisseelsorgerInnen müssen wir gegen jede Form von Extremismus auftreten. Wir haben die Menschenwürde im Blick, besonders in der Arbeit mit den Straftätern im System des Justizvollzuges. Jede und jeder hat die gleiche Würde. Dass man dies niemandem in Abrede stellen darf, müssen wir als GefängnisseelsorgerInnen deutlich benennen. Die Würde kann niemandem genommen werden egal welcher Straftat jemand verurteilt oder aus welcher Kultur jemand kommt. Die so genannte „Remigrations-Besprechung“ in Potsdam, entspricht ganz und gar nicht dieser Haltung. In vielen Städten hat die verächtliche Art und Weise solch einer „Diskussion“ Demonstrationen von Menschen „gegen Rechts“ ausgelöst. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass sich die Geschichte des NS-Regimes nicht wiederholt. Die AfD bezeichnete der Hamburger Erzbischof Heße als „demokratiefeindlich“, ihr Gedankengut als „völkisch und nationalistisch“. Der Erzbischof, der auch Flüchtlingsbischof der Deutschen Bischofskonferenz ist, sagt poin­tiert: „Eine Schnittmenge zwischen Christentum und der Partei AfD existiert nicht.“

Michael King

 

2 Rückmeldungen

  1. 📚 Christoph Kunz sagt:

    Wer wählte eigentlich Hitler?

    In diesen Zeiten lohnt sich die Erinnerung: Wikipedia schreibt dazu: „…von den 17 Millionen NS-Wählern (1930) kamen ungefähr 7,4 Millionen von den bürgerlich-protestantischen, 2,5 Millionen von den sozialistischen Parteien und 6 Millionen von den Nichtwählern“. Mit anderen Worten: einige unserer Mütter und Väter, Großeltern und Urgroßeltern wählten die NSDAP. Und heute: jüngste Umfragen der Meinungsforschungsinstitute rechnen mit über 20 % im Bund für die AfD, in Thüringen mit 36 %, in Sachsen mit 34 % und in Sachsen-Anhalt mit 32 %.

    Mit anderen Worten: einige unserer Familienangehörigen, Nachbarn, ArbeitskollegInnen haben vor, die AfD zu wählen. Die Tendenz zu antisemitischen, homophoben, rassistischen und anderen den anderen Menschen abwertenden Gedanken und Sprüchen ist nah, liegt sozusagen in der (gesellschaftlichen) Familie. Und ehrlich gesagt: wie nah ist dies auch im je eigenen Gedankengut? Vielleicht nur ganz wenig. Aber wenig ist auch etwas. Deshalb ist jegliche Zweiteilung nach dem Motto „Wir sind die Guten und die anderen die Bösen“ nicht hilfreich. Das verstärkt nur den Populismus. Gerade die AfD versteht es, auf dieser Klaviatur zu spielen: „Wir sind die Opfer, die anderen die Täter“. Verbote helfen auch nicht, sie schaffen nur Märtyrer.

    Statt dessen hilft Verständigung

    Leider ist dies der deutlich mühsamere Weg. Es braucht nämlich das gegenseitige Anerkennen. Wir sind nun mal miteinander verbunden, und alles hat Auswirkung auf alle. Es braucht die Mühe um das Verstehen des Anderen. Es braucht die Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun und den Mut, selbst vor Ort anders zu handeln. Und eine Politik, die nicht trickst, sondern ehrlich ringt um Gerechtigkeit. Die auch zumutet und nicht erpressbar ist. Demokratie ist verletzlich; doch schlägt sie nicht zurück wie eine Diktatur, sondern kümmert sich um die Verwundungen. Unsere Großeltern und Urgroßeltern haben sich nach der Zeit des NS-Terrors auf diesen mühsamen Weg der Demokratie gemacht. Heute sind wir Nachkommen lernend auf diesem Weg. Miteinander.

  2. Anna Rieta Schnitker sagt:

    Ich wäre an ihrer Internetseite interessiert. Die Gefangenenseelsorge liegt mir sehr am Herzen. Habe lange Briefkontakte zu Inhaftierten gehabt. Gehe regelmäßig in die JVA.
    Würde mich freuen von Ihnen zu hören!
    Freundliche Grüße

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