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GefängnisseelsorgerInnen am Loch des Braunkohleabbaus

14. Oktober 2022

GefängnisseelsorgerInnen kennen durch ihren Dienst im Gefängnis so einige menschliche Abgründe. Was die TeilnehmerInnen der Studientagung in Herzogenrath beim Braunkohle-Tageabbau sehen, spiegelt dies wieder. Die Region um Aachen ist durch den Braunkohle-Abbau im Rheinischen Revier nachhaltig verändert worden. Die gigantischen Ausmaße „des Lochs“, wie der Tagebau der Braunkohle umgangssprachlich genannt wird, schockiert und fasziniert zugleich.

Das Ende der Braunkohle in Nordrhein-Westfalen sei besiegelt. Bis 2029 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen und die Förderung von Braunkohle eingestellt werden. So sagt zumindest der Senior-Experte, der die Gruppe von GefängnisseelsorgerInnen an das „Loch“ führt. Er ist ein ehemaliger RWE Mitarbeiter. „Die Flächen der Tagebauen sollen dann rekultiviert werden, so wie es auf der Sophienhöhe am Tagebau Hambach bereits geschehen ist“, sagt er überzeugend. Für die Umsiedlungen der Dörfer wäre er zuständig gewesen. „Das sei schon manches Mal hart gewesen, aber die Menschen werden dafür entschädigt“, sagt er in die kritischen Blicke der ZuhörerInnen. „Hier ist der kleinste Abbau nahe dem Ort Inden“, sagt er.

Pfarrer Ralf Linartz aus dem Ort Inden (rechts) am „Loch“ des Braunkohle-Tagebaus.

Der Tagebau Inden der RWE Power AG liegt im Rheinischen Braunkohlerevier nahe Inden, zwischen Eschweiler und Jülich. Die Jahresförderung beträgt 22 Millionen Tonnen Braunkohle und dient ausschließlich der Versorgung des Kraftwerks Weisweiler. Die Kohleflöze sind bis zu 45 Meter mächtig. Der Abbau erfolgt mit Hilfe von Schaufelradbaggern, die Wiederverfüllung vor der Rekultivierung mit Absetzern. In diesem Betrieb sind 850 Menschen beschäftigt. „Der Braunkohleabbau wird mit Millionen subventioniert“, sagt eine erfahrene Gefängnisseelsorgerin. Dieser Aussage widerspricht der ehemalige RWE Mitarbeiter heftig. Der ebenfalls vor Ort anwesende Pfarrer aus dem nahen und neu entstandenen Ort Inden versucht zu vermitteln. „Damals galt der Tagebau als sozialer Aufstieg der Menschen für den Aufschwung in Deutschland. Das hat sich heute radikal geändert. Natürlich leiden die Menschen um den Verlust ihrer Heimat“, sagt er.

„Das ist wie im Knast. Es gibt nur dies oder da, schwarz oder weiß. Die Leute vertrauten auf die Firma RWE“, sagt der örtliche Pfarrer Ralf Linartz. Dass die umliegenden Gemeinden Schwierigkeiten damit haben, dass der Boden sich senkt und sich Risse in den Häusern im weiten Umkreis bilden, wird abgebügelt. „Man brauche schließlich die Energie“, so eine Aussage eines Teilnehmers. Über 200 m geht es in die Tiefe. „Gigantisch, kaum vorstellbar, wie das jemals wieder renaturiert werden kann“, fügt ein bayerischer Gefängnisseelsorger hinzu. Das Grundwasser wird um Umkreis von 50 m abgepumpt. Das kleine Gewässer Inden hat 2021 sein natürliches Flussbeet zurück erobert und überschwemmte die Förderanlagen mit Geröll und Schlamm. Bis heute sind die Spuren davon zu sehen.

Nachdenkliche Gesichter, kritische Nachfragen und schmerzliche Stille entstehen innerhalb der Gruppe von GefängnisseelsorgerInnen. Eine Diskussion entbrennt zu alternativen Energiegewinnung. „Die Windkraftanlagen da oben und die Solaranlagen auf dem Feld nebenan sind ein Weg“, versucht einer zu kommentieren. „Das sieht von hier oben aus, als sei es eine Modelleisenbahn-Landschaft“, sagt ein anderer. Tatsächlich ist es eine technische Leistung, was da abgebaut wird. Doch um welchen Preis?

Michael King | JVA Herford

 

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