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Gefängnisse in Mosambik: Hoffnungsvolle Projekte

5. Oktober 2024

Mosambik liegt am Indischen Ozean in Südostafrika. Die Hauptstadt ist Maputo. Am 25. Juni 1975 erlangte Mosambik die Unabhängigkeit von Portugal. Aufgrund eines darauf folgenden jahrelangen Bürgerkriegs ist es bis heute eines der ärmsten Länder der Welt. Hierhin reist Doris Schäfer, Gefängnisseelsorgerin der JVA Würzburg und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft International. Sie besucht eine Frauenabteilung des Gefängnisses in Beira, trifft Don Antonio im Haus der Barmherzigkeit und engagiert sich, dass Gefangene durch Spenden früher entlassen werden können.

 

Werkstatt der Freiheit

Don Antonio ist ein italienischer Priester der Missionsgemeinschaft von Villaregia, der vor mehreren Jahren bei einem Einsatz an der Elfenbeinküste seine Leidenschaft für die Gefangenen entdeckte. Seit einigen Jahren arbeitet er als Gefängnisseelsorger in Mosambik, wo er in der Hauptstadt Maputo den Gefangenen im Hochsicherheitsgefängnis beisteht. Von Anfang an war er betroffen, dass viele Gefangene eine sehr lange Strafe haben und den ganzen Tag untätig im Hof in der Sonne sitzen müssen. Deswegen begann er eine Aktivität, die er „Werkstatt der Freiheit“ nannte. Er ließ sich vom Gefängnis einen Raum geben, in dem eine feste Gruppe von Gefangenen jeden Tag Handwerksarbeiten verrichten konnte, gemeinsam in der Bibel lasen, miteinander beteten und zusätzlich zur einzigen Mahlzeit des Tages ein Frühstück und ein Abendessen erhielten. Voraussetzung für die Teilnahme an der Gruppe war, dass man ein neues Leben beginnen wollte, sich von Suchtmitteln fernhielt und bereit war, auch an sich selbst zu arbeiten.

Als die ersten Absolventen dieser Werkstatt in die Freiheit entlassen wurden, baten sie den Pater um Hilfe für die Zeit nach ihrer Entlassung. Sie hatten den Kontakt zur Familie verloren, die oft weit weg wohnte. Sie waren also ohne Wohnung und ohne Arbeit. Im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit 2016 hatte Pater Antonio daher die Idee, ein Haus der Barmherzigkeit zu gründen und zu bauen. Am Stadtrand von Maputo bekam er ein Grundstück, auf dem er mit dem Bau begann. Heute ist das Haus wie eine Oase inmitten seiner ärmlichen Umgebung. „Ich war früher eher ein Intellektueller, habe aber nach der Gründung dieser Einrichtung noch weitere Begabungen von mir entdeckt. Ich habe angefangen mich mit Hausbau, aber auch mit Garten und Landwirtschaft und Gartenbau sowie mit der Verwaltung von Projekten zu befassen. Am Anfang musste ich alles allein machen. Heute habe ich viele Ehrenamtliche angelernt, die mir überall zur Seite stehen.“

Haus der Barmherzigkeit

Das Haus beherbergt im Moment etwa 10 Entlassene und einige weitere Gefangene, die ihre Strafe auch auf eine alternative Weise abgelten können. Außerdem ist der Pater dabei, auf einem angrenzenden Grundstück ein weiteres Haus für entlassene jugendliche Straftäter aufzubauen. Die jungen Männer, die im Moment in der Einrichtung leben, versorgen eine Hühnerfarm, kümmern sich um Reparaturarbeiten, oder bauen das Haus weiter aus. Sie stellen viele kleine Dinge in Handarbeit her, die sie im Stadtviertel oder auf dem Markt verkaufen. Außerdem gibt es eine Nähschule, die auch Bewohner des Stadtviertels besuchen dürfen. Dasselbe gilt für die Alphabetisierungskurse. Dem Pater ist sehr an einem guten Verhältnis mit den angrenzenden Nachbarn gelegen, um zu verhindern, dass sie vor den Gefangenen Angst haben oder über sie Gerüchte verbreiten.

Im kommenden Frühjahr plant Pater Antonio eine nationale Konferenz der katholischen Gefängnisseelsorge, zu der je ein Priester und ein Ehrenamtlicher aus jeder Diözese kommen sollen. Außerdem hat er einen Traum für das Heilige Jahr 2025: „Papst Franziskus hat angeregt, dass die Justiz überlegen soll, ob man nicht in allen Ländern der Welt einige Gefangene begnadigen könne. Mein Traum für Mosambik ist es, dass im kommenden Jahr in jeder Diözese mindestens 10 Gefangene freikommen. Wenn die Justiz niemanden begnadigt, wollen wir wenigstens für einige, die nach ihrer Halbstrafe auf Bewährung entlassen werden können, die Verwaltungsgebühr bezahlen, damit sie tatsächlich freikommen können. Vielleicht könnten ja Gefangene oder Freunde aus Deutschland dabei mithelfen…

Frauenabteilung von Beira

Mitglieder der Gemeinschaft Sant’Egidio von Beira machen jeden Sonntagvormittag einen Besuch auf der Frauenstationd des Gefängnisses. Mitte August 2024 konnte ich sie begleiten. Im Moment sind dort 50 Frauen inhaftiert. Sie teilen sich zwei Zellen. Allerdings sind die Zellen nicht sehr groß. In der Nacht schlafen alle auf Matten am Boden, Da beide Zellen heillos überfüllt sind, müssen alle ganz nahe aneinander gekauert schlafen. Dabei ist es nicht möglich, sich zu bewegen, Deswegen ertönt ab und zu in der Nacht ein Signal, auf das hin sich alle Gefangenen von einer Seite auf die andere drehen. Für unseren Besuch versammelten sich alle Frauen auf einem überdachten Platz. Einige hatten ein paar selbst hergestellte Rhythmusinstrumente dabei. Sofort begann eine der Frauen laut zu singen, die anderen stimmten mit ein und mehrere Frauen erhoben sich, um zum Gesang zu tanzen.

Nachdem ich als besonderer Gast vorgestellt worden war, nannten auch alle Gefangenen ihren Namen und sagten, woher sie kamen. Es gab auch ein paar Ausländerinnen von Malawi und Lesotho. Anschließend las einer der Besucher eine Bibelstelle vor und man unterhielt sich darüber, was diese Bibelstelle bedeuten könnte. Als ich von den Frauen meiner Haftanstalt in Würzburg erzählte und berichtete, dass die Gefangenen der JVA Würzburg Geld gesammelt hatten – jede und jeder 1 oder 2 Euro – waren die Frauen sehr bewegt. Sie beschlossen sofort, einen Brief nach Würzburg zu schreiben.

Gefangene für Gefangene

Als ich Gefangenen der JVA Würzburg erzählte, dass ich diesen Sommer nach Mosambik fliegen würde und dort auch ein Gefängnis besuchen könnte, kam von ihnen der Wunsch, den Gefangenen dort irgendetwas Gutes zu tun. So beschlossen wir gemeinsam, das Projekt „Gefangene befreien“ der Gemeinschaft Sant’Egidio aufzugreifen. Ein Aushang mit Informationen auf allen Stationen war schnell gemacht. Die Gefangenen konnten per Antrag die Kasse beauftragen, mir einen kleinen Betrag auszuzahlen. In der Regel waren es Beträge zwischen einem und fünf Euro. Es war aber auch möglich, mir Briefmarken zu spenden. Am Ende kamen 250 Euro zusammen. Durch Spenden von Ehrenamtlichen oder Bekannten von mir wurde der Betrag aufgestockt.

Das Geld war für die Gefangenen in Beira gedacht, wo Freunde von mir aus der Gemeinschaft Sant’Egidio regelmäßig Besuche in einem Gefängnis machen, sodass auf diese Weise ein Kontakt bestand und ich Menschen hatte, denen ich vertrauen konnte. In Beira bekamen wir dann eine Liste überreicht von Gefangenen, die bereits die Hälfte ihrer Strafe verbüßt hatten und nach mosambikanischem Recht auf Bewährung entlassen werden konnten – wenn sie eine kleine Verwaltungsgebühr bezahlen konnten. Diese Gebühr hängt von der Länge der Strafe und anderen Faktoren ab. Für viele ist es umgerechnet ein Betrag zwischen 2 und 10 Euro. Da es in den Gefängnissen in Mosambik nicht die Möglichkeit gibt, zu arbeiten und Geld zu verdienen, können viele Gefangene diese Gebühr nicht bezahlen.

Gefangene entlassen

Meine Freunde aus Beira wählten 70 Gefangene aus, die während meiner Anwesenheit und in den Tagen danach entlassen werden konnten. Die ersten sechs Gefangenen wurden während einer offiziellen Zeremonie freigelassen, zu der die Gefängnisdirektorin, aber auch Presse und Fernsehen erschienen waren. Besonders beeindruckt waren alle, dass ein Teil der Spenden von Gefangenen aus Deutschland kam. Der Sozialarbeiter sagte zur Direktorin: „Das berührt wirklich mein Herz, dass deutsche Gefangene sich eine solch schöne Geste ausgedacht haben!“ Als den Inhaftierten ihre Entlassungsurkunde überreicht wurde, konnten sie nicht glauben, dass sie mit diesem Papier in der Hand sofort das Gefängnis verlassen durften. Sie fragten uns mehrere Male: „Aber dürfen wir damit jetzt wirklich raus?“ Als sie merkten, dass wir uns auf die Rückfahrt machten, rannten sie alle plötzlich ganz schnell, um sich umzuziehen und mit uns die Anstalt zu entlassen. Vermutlich hatten sie Angst, dass ihnen nach unserem Weggang die Urkunden wieder abgenommen werden könnten. Wir nahmen sie im Auto in die Stadt mit. Da sie erst unmittelbar vor Beginn der Zeremonie von ihrer Freilassung erfahren hatten, lösten sich ihre ernsten Gesichtszüge erst allmählich auf der Fahrt. Beim Aussteigen grüßten sie uns mit einem Lächeln und einer dankbaren Verbeugung.

Doris Schäfer | JVA Würzburg

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