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Franz Xaver Muhr steht Inhaftierten der JA Wels zur Seite

8. Dezember 2022

„Ich war im Gefängnis und  ihr habt mich besucht.“ Dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium hat es Franz Xaver Muhr angetan. Denn er beschreibt genau die Aufgabe, die sich der 63-Jährige selbst gestellt hat. Muhr begibt sich als Gefängnisseelsorger einmal wöchentlich in das Welser Gefängnis, um dort für die Insassen da zu sein. Das ist Seelsorge am Rande der Gesellschaft: Der Ohlsdorfer Pensionist und Diakon Franz Xaver Muhr steht den Insassen der österreichischen Justizanstalt (JA) Wels als Begleiter zur Seite.

Bis zu seiner Pensionierung arbeitete der Ohlsdorfer als Bauleiter bei der Energie AG. „Danach wollte ich noch einmal etwas Neues und Sinnvolles beginnen“, sagt er. Muhr entschied sich für eine Ausbildung zum Diakon. Wohin diese Reise ihn führen sollte, wusste er zunächst nicht. „Ich wollte nur nicht so etwas wie ein Ersatzpfarrer in einer Gemeinde sein“, sagt er. „Diakone arbeiteten ursprünglich ja am Rand der Gesellschaft, bei den Armen oder Ausgestoßenen.“ Als ihn der Welser Gefängnisseelsorger Samy Franz Schrittwieser einlud, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen, sagte Muhr deshalb gleich zu.

Hinter acht Stahltüren

Die österreichische Verfassung garantiert jedem Menschen freie Religionsausübung. Das Strafvollzugsgesetz regelt das auch für Inhaftierte. Deshalb gibt es Gefängnisseelsorger. Und eine kleine Kapelle mitten im Welser Strafgefangenenhaus. Muhr muss durch acht gepanzerte Stahltüren gehen, bis er die Kapelle erreicht. Sie hat die einzige Holztür im Gebäude. „Ich besuche die Häftlinge nicht, um sie zu bekehren oder ihnen meine Religion aufzudrängen“, sagt Muhr. „Ich frage die Menschen nicht einmal nach ihrer Konfession. Ich mache ihnen nur ein Angebot: Ich bin für jeden da, der mit mir reden möchte.“

Viele suchen das Gespräch

Und reden wollen viele der rund 160 Insassen (darunter zehn Prozent Frauen). Der Seelsorger ist für die Gefangenen eine Vertrauensperson. Während das Gefängnispersonal angewiesen ist, Gespräche mit Häftlingen zu protokollieren, hat die Justiz kein Anrecht, etwas über die Unterhaltungen zwischen Muhr und den Insassen zu erfahren. Für Letztere ist der Gedankenaustausch mit dem Gefängnisseelsorger deshalb ein Stück Freiheit. „Als Häfenpfarrer musst du zuhören, zuhören und zuhören“, sagt Muhr. „Meine Klienten hören von mir keine Vorwürfe, auch nichts Wertendes, ich begegne ihnen auf Augenhöhe. Wenn ich sie in den wöchentlichen Gottesdiensten als ´Schwestern und Brüder´ anrede, meine ich das ernst.“

Bis zu 35 Nationalitäten sind in den Welser Gefängniszellen vertreten. Zu Franz Xaver Muhr kommen Betrügerinnen und Drogenkriminelle genauso wie Mörder. Er kümmerte sich um einen Pädophilen, der mehr als 100 Kinder sexuell missbrauchte, und um einen bulgarischen Bandenchef, der die Freundin seines Widersachers so brutal  verprügelte, dass sie anschließend eine Fehlgeburt erlitt. Manche Leute fragen Muhr, ob er Angst hat im Gefängnis. „Nein, aber man muss versuchen, sich innerlich abzugrenzen“, sagt er. „Oft verlasse ich die Haftanstalt mit einem schweren Rucksack. In solchen Momenten ist meine Frau ein wichtiger Rückhalt für mich.“

Schuldgefühle, Einsamkeit

Als Diakon darf Muhr seinen Klienten die Beichte nicht abnehmen, das Bußsakrament ist Priestern vorbehalten. Über ihre Schuldgefühle, ihre Einsamkeit und Sorgen reden die Häftlinge dennoch mit Muhr. Manchmal bitten sie ihn um Hilfe beim Verfassen eines Entschuldigungsbriefes. Oder um Organisatorisches innerhalb der Gefängnismauern. „Ich arbeite sehr eng mit den rund 80 Vollzugsbeamten hier zusammen“, sagt Muhr. „Das sind junge, gut ausgebildete Menschen, die 24 Stunden am Tag extrem professionell arbeiten.“ Aber steht ein institutionelles Strafsystem nicht im krassen Widerspruch zur christlichen Botschaft der Liebe? Nein, meint Muhr, denn auch Jesus habe die Staatsgewalt nicht infrage gestellt. „Es gibt keine Gesellschaft ohne Regeln.“ Dennoch bräuchten gerade jene Menschen, die gestrauchelt sind, eine entgegengestreckte Hand. „Und wo ist eine Botschaft der Hoffnung besser aufgehoben als in einem Gefängnis? Ich bemühe mich sehr, dass die Menschen meine Gottesdienste gestärkt verlassen. Dass ich ihnen helfe, mit ihrer schwierigen Situation zurechtzukommen. Das geht nicht bei allen, aber jeder Einzelne ist den Versuch wert.“

Edmund Brandner | OÖ Nachrichten

 

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