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Filmkritik: Mein Blind Date mit dem Leben

11. März 2021

Der Kinofilm und das gleichnamige Buch „Mein Blind Date mit dem Leben“ sind absolut empfehlenswert. Es ist eine tiefe und berührende wahre Handlung, die nicht nur fesselt, sondern die feinen Lebens-Facetten verdeutlicht und bewusst macht. Mit großem Ehrgeiz absolviert der fast erblindete Hauptpropagandist, der deutsch-singhalese Saliya Kahawatte, seine Kellner-Ausbildung in einem Sternehotel. Er verschweigt dabei seine „Seh-Behinderung“. Eine Lüge, in die er sich immer mehr verstrickt. Das Versteckspiel benötigt strikte Disziplinierung und Anstrengung.

Saliya Kahawatte (Kostja Ullmann) hat die Schule endlich hinter sich und kann nun ins Leben starten. So zumindest planen es die meisten der Mitschüler, mit denen er das Abitur gemacht hat. Das einzige Problem dabei: Saliya ist so gut wie blind. Weit davon entfernt, sich von seiner fortschreitenden Sehschwäche von irgendetwas abhalten zu lassen, stürzt sich der junge Mann mit Hilfe seiner Schwester in den Hotel-Traumjob. In dem Münchener Luxushotel, wo Saliya seine neue Stelle antritt, merkt keiner etwas davon, dass der neue Angestellte nahezu blind ist. Er übt einfach so lange, bis er keine Augen mehr benötigt, um die notwendigen Handgriffe zu vollführen. Der einzige Eingeweihte in Saliyas Geheimnis ist sein Ausbildungskumpel Max (Jacob Matschenz), der ihm dadurch in so manchen schwierigen Situationen zur Seite stehen kann. Doch dann verliebt sich Saliya in Laura (Anna Maria Mühe) und es wird ihr gegenüber immer schwerer, seine visuelle Einschränkung zu verheimlichen.

Mit Hilfe seines Freundes Max (Jacob Matschenz) und ausgeklügelten Ausweichtechniken kann Sali (Kostja Ullmann) die Ausbildung machen. Fotos: STUDIOCANAL GmbH.

Auch wenn es zuerst nicht so aussehen mag, kann Saliya auf Menschen seiner Arbeitsumgebung zählen, die ihm beistehen. Sie decken gezwungenermaßen seine Andersartigkeit auf. Sie lassen ihn aber nicht auffliegen. Beeindruckend ist, wie der Film dies in kleinen fast unbedeutenden Szenen zeigt. Die SchauspielerInnen sind hervorragend und die wahre Geschichte ist aus dem Leben geschrieben. Der Film zeigt wie tief man fallen und wie tief es einen in die Dunkelheit treiben kann. Auf der anderen Seite zeigt es die Leichtigkeit, die Liebe und die Freundschaften mit  spitzen humorvollen Pointen.

Der Ausbilder (Johann von Bülow) beispielsweise demütigt Saliya und lässt ihn mehrmals die Weingläser polieren. Abwertend nennt dieser ihn „Krawatte“ und hat anscheinend Spaß ihn zu drangsalieren. Und doch bleibt Saliya stoisch am Ball. In einer Szene spielt er mit dem Jungen seiner eroberten Freundin Fußball. Er kann den Ball nicht halten – schon gar nicht sehen. Das Kind fragt, ob er ein „Außerirdischer“ sei, der kein Fußball spielen könne. Und ob er ihn und seine Mutter beschützen will. Diese lädt er zum Essen ein, verschweigt aber, dass er kaum sehen kann. Er bestellt Gnocchi, um nicht aufzufallen. Die Freundin wundert sich, dass er seine Blicke nicht auf die gut aussehenden Frauen im Lokal wirft…

Eine Szene nach der anderen ist tief geschnitzt aus der Seele von Menschen. Immer mehr kann er seine „Behinderung“ nicht mehr verstecken. Am Ende lernt er stufenweise zu sich zu stehen. Er kann seine Abschlussprüfung absolvieren, obwohl er dies durch seinen Drogenkonsum fast vermasselt. So viel Stress der Koordinierung seins Versteckens sowie die schwierige Lebenssituation seiner Mutter kann man nur mit Drogen bewältigen. Immer wieder geht der Filmblick von ihm selbst aus und der Zuschauer sieht mit seinen 5 % Augenlicht. Und man sieht, wie er sich „offenen Auges“ mit einer Schneidemaschine in den Finger schneidet.

Auf DVD, Blu-Ray und digital erhältlich bei Studiocanal

Nicht alles ist rosig, aber vieles ist bunt im Geschehen dieser Erzählung. Saliya beginnt damit andere Sinne auszuprägen und erzielt großartige Resultate. So kann er wie kein anderer Weine begutachten und Dinge hören, die gerne überhört werden. Menschen fühlen sich an ihre eigene Stunden der Einsamkeit, der Dunkelheit, der Ängste, des Nichtverstehens, ihres Ehrgeizes etwas zu erreichen und so manch alt bekannter Notlügen erinnert. Entgegen vielen Widrigkeiten seine eigenen Träume zu erfüllen macht diese Geschichte Mut, nicht aufzugeben. Besonders dann nicht, wenn die menschen um ihn dazulernen. Der unbeliebte Ausbilder zeigt am Ende gar noch Achtung und Respekt vor „Krawatte“ und seinem miserabel gedeckten Prüfungs-Tisch.

Michael King

Hintergrund

Der Film entstand nach der Vorlage des gleichnamigen Buches „Mein Blind Date mit dem Leben“ von Saliya Kahawatte, der darin seine eigenen Erfahrungen schildert. Mit 15 Jahren ging das Sehvermögen des Deutsch-Singhalesen plötzlich innerhalb weniger Monate auf gerade einmal 5 % zurück. Um nicht den vorgezeichneten Weg mit einer Behinderung beschreiten zu müssen, verschwieg er 15 Jahre sein Handicap. Durch das Auswendiglernen mithilfe eines Sprachcomputers und durch viel Intuition bewegte er sich durchs Leben, litt jedoch darunter, dass er sich verstellen musste. Das überwand er erst, als er die Selbstverleugnung einstellte.

 

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