Ich bin begeisterter Kinogänger. Filme berühren mich – und zwar die großen wie die kleinen Momente. Immer dann, wenn Menschen zu ihrem Innersten finden, wenn Verwundungen zu Stärken werden, wenn Verzagtheit zu Mut wird und zum Handeln befähigt.
Mystik ist für mich nicht etwas Schwärmerisches, Elitäres oder Abgehobenes, sondern eine engagierte Denk-, Lebens- und Glaubensform; um es mit Martin Luther (1483–1546) zu sagen: „Die mystische Theologie ist eine auf Erfahrung, nicht auf Lehre bezogene Weisheit.” Ich meine, dass wir alle Erfahrungen kennen, in denen wir im Innersten ganz tief berührt sind, Momente des Aufgehoben-Seins in Gott, Momente, in denen Raum und Zeit wie aufgehoben erscheinen, innere Einheitserfahrungen, in denen wir die tiefere Verbundenheit mit allem spüren. Diese dichten Gotteserfahrungen lassen mich nicht über den Dingen schweben, sondern führen mich noch mehr zum Urvertrauen, Gott in allen Dingen zu erahnen. Darum werde ich in einer mystischen Lebensgestaltung eingeladen, einen Spannungsbogen zu wagen, um der Schönheit und der Widersprüchlichkeit des Lebens gerecht werden zu können.
Frei tanzen
Er erinnert mich an eine kraftvolle Szene im englischen Film „Billy Elliot” von Stephen Daldry. Billy, ein elfjähriger Junge möchte sich nicht durch das Leben boxen, wie das sein Vater für ihn vorgesehen hat, sondern er möchte sich tanzend dem Leben in die Arme werfen. Billy findet Unterstützung bei einer Tanzlehrerin, er tanzt sich frei. Am Weihnachtsabend entdeckt ihn sein Vater, wie er um Mitternacht in einer großen Boxhalle tanzt. Hochspannung!
Tiefe Worte
Billy stellt sich seinem Vater entgegen und er tanzt, bis es tanzt durch ihn, er tanzt sich durch die ganze Halle hindurch, er vergisst sich, er fliegt und zugleich bleibt er während dem ganzen Tanz in einer inneren Verbindung zu seinem Vater. Sein Vater lässt sich durch den Tanz verwandeln und anstatt Billy zu strafen, sagt er die tiefsinnigen Worte „Sohn, komm nach Hause!” Damit wir uns auch daheim zu Hause fühlen können, brauchen wir Wurzeln und Flügel. Von solchen Momenten erzähle ich in meinem Buch „Geh hinein in deine Kraft. 50 Film-Momente fürs Leben” und auch in einer Serie mit YouTube-Clips, die nach und nach erscheinen.
Pierre Stutz
1 Rückmeldung
Filme können ein Spiegelbild für das eigene Leben sein. Sie zeigen neben den Worten noch andere Ebenen auf. Pierre Stutz hat als Schüler nur zwei Filme gesehen, die ihn beide beeindruckten: „Winnetous Tod“ und „Zur Sache Schätzchen“. Sein damaliger Religionslehrer gab eine Linie vor, die Stutz später verinnerlichte: „Wir suchen die Spur zum eigenen Leben und begegnen darin der göttlichen Spur.“
Filmen können tiefe Lebensmomente zeigen, die mystisch sind: “Voll da und ganz weg”. Trotz so mancher Opferrolle, trotz Traumatisierungen und Ungerechtigkeiten zu erfahren: „Du bist mehr als deine Verletzungen“ ist eine hoffnungsvolle Botschaft.