„Gemeinsam hinter und vor die Mauern der Gefängnisse in Europa blicken“ – Unter diesem Titel treffen sich nationale Verantwortliche der Katholischen Gefängnisseelsorge in Europa in der Stadt Würzburg. Die Organisation International Commission of Catholic Prison Pastoral Care (ICCPPC) hat das Treffen unter der kommissarischen Leiterin Doris Schäfer von der JVA Würzburg vorbereitet. Der Ort des Internationales Treffens sind die Räumlichkeiten der Gemeinschaft Sant’Egidio in der fränkischen Metropole.
Aus zehn Ländern
Die Teilnehmenden kamen aus zehn europäischen Ländern. Anwesend waren der Präsident der ICCPPC, Brian Gowens aus Schottland, der Präsident von IPCA (International Prison Chaplains Association), David Buick aus Frankreich, und der Vorsitzende der Katholischen Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V., Andreas Bär, ebenso wie Luis Okulik, der in der CCEE, dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen, Sekretär der Kommission für soziale Pastoral ist. Alle sprachen sie zu Beginn der Veranstaltung ein Grußwort. Die Grußworte wurden ergänzt durch einen schriftlichen Gruß von Ministerialdirigent Peter Holzner, dem Leiter der Abteilung Justizvollzug im Bayerischen Staatsministerium der Justiz, und am kommenden Tag durch einen Gruß des Würzburger Weihbischofs Ulrich Boom, der seit einigen Jahren ab und an zu Gottesdiensten und zu einem Bibelgesprächskreis in die JVA Würzburg kommt. Die Europabeauftragten sind im ICCPPC integriert, einem weltweiten Zusammenschluss von Katholischen GefängnisseelsorgerInnen. Finanziell unterstützt wird das Europatreffen in Würzburg durch die Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. und durch das Hilfswerk Renovabis, das einen Teil der Ausgaben der osteuropäischen TeilnehmerInnen übernimmt.
Verschiedene Situationen
Nach einer längeren Pause, bedingt durch die Pandemie und durch den Wechsel von Zuständigkeiten in Europa, war sie froh, dass endlich wieder ein Treffen stattfinden konnte. Sie zitierte mehrmals das Abschlussdokument der Würzburger Synode von 1975, das den Titel „Unsere Hoffnung“ trägt. Mit der Zitierung dieses Textes wollte sie die Teilnehmenden ermutigen, „die Sprengkraft gelebter Hoffnung“ in diesen Tagen wieder zu spüren und sie in die ICCPPC, in die Kirche und in die Gefängnisse zu tragen. Zunächst berichteten die Vertreter der einzelnen Länder kurz von ihren Situationen, die sehr unterschiedlich sind. In Österreich hat mit dem Eintritt in den Ruhestand des viele Jahre langen Vorsitzenden Dr. Christian Kuhn eine neue Ära begonnen, in der es sich neu aufzustellen und auszurichten gilt.
In der Schweiz hat es den ersten assistierten Suizid hinter Gefängnismauern gegeben. Der Vertreter von Belarus hat alle zu einer Jubiläumsveranstaltung der orthodoxen Gefängnisseelsorge nach Minsk eingeladen. Aus der Ukraine wurde berichtet, welche Folgen der Krieg auf die Gefängnisse, die Gefangenen und die Gefängnisseelsorge hat. Andere osteuropäische Vertreter beklagten, dass in ihren Ortskirchen soziale Fragen nicht im Blickpunkt der Seelsorge ihrer Diözesen stünden und sie deswegen kaum Unterstützung erfahren. Einer sprach von den Gefängnisseelsorgern als „einsamen Wölfen“ innerhalb der Kirche ihres Landes. Der Vertreter von Malta dagegen müsste mehrere Dutzend Sprachen lernen, um sich mit allen Gefangenen unterhalten zu können, und machte so deutlich, wie sich die europäische Frage der Migration in seinem Land besonders verdichtet.
Aus Brasilien zugeschaltet
„Gemeinsam hinter und vor die Mauern von Europas Gefängnissen blicken“ – Dabei wurden Themen behandelt, die in Europa alle betreffen und die sich hinter den Gefängnismauern oft in besonderer Weise konzentrieren: Armut, mangelnde Bildung, Auswirkungen von Corona, Krieg und Migration. Schwester Petra Pfaller, die nationale Verantwortliche für die Katholische Gefängnisseelsorge in Brasilien, die sich aus Sao Paolo zugeschaltet hat, berichtet von der Armut vieler Gefangener in Brasilien. Stefania Tallei, die ehrenamtlich mit der Gemeinschaft Sant’Egidio in italienischen Gefängnissen regelmäßig Gefangene besucht, sprach über die Bedeutung von Bildungsmaßnahmen im Gefängnis. Prof. em Frieder Dünkel, der bis zu seinem Ruhestand Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Universität Greifswald war, ließ sich zuschalten und referierte über die Auswirkungen von Covid 19 in verschiedenen Ländern Europas.
Migranten im Gefängnis
Adriana Porowska, eine junge polnische Politikerin, die sich ehrenamtlich um die Betreuung von Obdachlosen in Warschau und die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine kümmert sowie Schwester Gabi, die sich in Ungarn für Flüchtlinge engagiert, erinnern daran, dass Europas Gefängnisse von Migranten bevölkert sind. Am zweiten Vormittag bildete der Vortrag von Marco Gnavi, von der Gemeinschaft Sant’Egidio, einen spirituellen Schwerpunkt. Marco Gnavi macht regelmäßig Besuche in einem Gefängnis im Süden von Rom, in dem ehemalige Mafiamitglieder inhaftiert sind, die mit der Justiz zusammengearbeitet haben. Er versuchte, dem Auditorium den Blick Jesu auf die Gefangenen zu vermitteln, um die SeelsorgerInnen, die täglich mit dem etwas anderen Blick der Justiz und des Vollzugs konfrontiert sind, zu einer Klärung der eigenen Sichtweise zu animieren.
Führung durch JVA Würzburg
Am Abend vorher hatten die TeilnehmerInnen der Veranstaltung an einem Gebet der Gemeinschaft Sant’Egidio von Würzburg teilgenommen, zu dem auch Bedienstete der JVA Würzburg, ehemalige Gefangene und MitarbeiterInnen von Organisationen, die sich um Gefangene oder Entlassene kümmern, gekommen waren. Gebetet wurde für die Gefangenen wie für die Bediensteten, in besonderer Weise für solche, die in den letzten Jahren im Gefängnis oder aufgrund der Ausübung ihres Dienstes verstorben sind. Nach den Fürbitten durfte jede/r TeilnehmerIn nach vorne kommen und an einem Kandelaber, der seitlich des Altares aufgestellt war, eine Kerze entzünden. Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Führung durch die JVA Würzburg, bei der die stellvertretende Anstaltsleiterin und einige Bedienstete ihre Arbeit erklärten und Fragen beantworteten. Mit einem Gebet von Papst Paul VI., das er bei einem Gefängnisbesuch mit Gefangenen gebetet hatte, wurden am Ende alle wieder in die Freiheit entlassen.
Doris Schäfer | Einfühtungsworte