Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten geben Anlass zu größter Besorgnis. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran haben sich vertieft; die Eskalationsspirale droht in einen Krieg einzumünden. Sollte dieser nicht vermieden werden, so werden nicht nur unzählige Menschen darunter zu leiden haben, sondern die Länder der Region geraten noch tiefer als bislang schon in den Abwärtsstrudel aus Hass, gesellschaftlicher Zerrüttung, Gewalt, Terror und Verarmung. Ein Krieg zwischen den USA und dem Iran muss deshalb verhindert werden.
Alle Kräfte der Diplomatie müssen aufgeboten werden, um ein weiteres großes Blutvergießen im geschundenen Nahen Osten zu vermeiden. Die beiden Streitparteien sind hier in erster Linie gefordert. Aber auch die anderen Akteure auf der Weltbühne – auch die Europäische Union – sind aufgerufen, zu tun, was immer getan werden kann, damit den Menschen nicht ein weiterer Krieg aufgebürdet wird. Niemand sollte sich über den Charakter des iranischen Regimes täuschen: In seinem Bestreben, eine Vormachtstellung im Nahen Osten zu erringen und die Schiiten im konfessionellen Konflikt mit den Sunniten obsiegen zu lassen, überzieht der Iran die Länder der Region mit den Gewalttaten ihm nahestehender Gruppen und Milizen. Der Iran in seiner jetzigen Verfassung missachtet die Menschenrechte und ist ein Hindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden auch in seinen Nachbarländern.
Die aktuelle Kriegsgefahr geht aber ebenso von den USA aus. Ihre Nahost-Politik wirkt seit Jahren konzeptionslos und unberechenbar. Auch trägt die Verachtung des derzeitigen Präsidenten gegenüber zwischenstaatlicher Kooperation und multilateralen Strukturen zur Zersetzung der internationalen Ordnung bei. Dies wirkt sich notwendigerweise auch auf die Möglichkeiten der Streitschlichtung und der Friedenssicherung aus. Nicht zufällig ist die neue Runde der Spannungen zwischen den USA und dem Iran durch den Austritt der USA aus dem von zahlreichen internationalen Mächten geschlossenen Abkommen zur Verhinderung beziehungsweise Verlangsamung des iranischen Nuklearprogramms eingeläutet worden.
Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax | Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Hildesheim)