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Es fällt einem kaum auf, wenn man tagtäglich hier ist

9. Mai 2021

Ist man als Jugendlicher und junger Erwachsener in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert, dann gewöhnt man sich relativ schnell an den Knastalltag. Bestimmte Dinge nimmt man in Kauf, man sieht dieses oder jenes nicht mehr mit den Augen, als man „einfuhr“. So ergeht es ebenso den Bediensteten. Der Fotograf Veit Mette hat sich mit einer Gruppe jugendlicher Gefangener und zwei Bediensteten mit der Kamera innerhalb des Knast auf den Weg gemacht. Dabei heraus kamen Knastansichten, die man – obwohl tagtäglich gesehen, wieder neu betrachtet. Für die Insider alltäglichen Geräusche aus dem Jugendvollzug der Justizvollzugsanstalt Herford verstärken die Wirkung der schwarz-weiß Fotos.

Es fällt einem kaum auf, wenn man tagtäglich hier ist. Sie stehen in Kleingruppen zusammen. Die Gefangenen. „Es ist schon eine Abgeschiedenheit“, sagt ein junger Inhaftierter. Schnell kann man im System verschwinden, schnell untergehen. Auch für sich selber. Der Zaun als Abgrenzung. Die Mauer als Sichtschutz. Alles scharf. Was man sieht ist, dass es ein kalter und dunkler Ort ist. Der Bielefelder Fotograf, Veit Mette, bringt von draußen seine Kamera mit. „Damit die Jugendlichen ihre Blickwinkel einfangen können“, sagt er. Im Jugendgefängnis gibt es sie zuhauf, die Überwachungskameras. Doch sie nehmen nur aus bestimmten Winkeln auf. 

Schlüsselgeklapper und Türgeräusche

Veit Mette studierte Kunstpädagogik an der Universität Bielefeld. Seit 1990 ist er für Zeitungen, Zeitschriften sowie für Unternehmen und Stiftungen als Fotograf in den Bereichen Reportage, Porträt und Werbung tätig. Neben diesen Printveröffentlichungen in Publikationen wie Stern, Süddeutsche Zeitung, Geo und Die Zeit präsentiert er seine künstlerischen Arbeiten in zahlreichen Büchern und Ausstellungen. Veit Mette lebt und arbeitet in Bielefeld. In mehreren Projekten war er im Herforder Knast. Die Fotos sind bewusst in schwarz-weiß. Bunt ist es im Knast eher nicht. „Guten Morgen, aufstehen“ hört man zu Beginn der Präsentation „Hart abmachen“ mit Schlüsselgeklapper und Türgeräuschen. „Die JVA Herford, zumindest ein kleiner Teil“, kommentiert ein Bediensteter. Er meint die riesig anmutenden Sicherheitszäune rings um die Anstalt, die neben der 5 ½ Meter hohen Mauer die Anlage schützen soll.

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Kleider und Haare machen Leute

Im Grunde haben sich die Aufnahmen in all den Jahren wenig verändert. Die Türen im Knast sind zu. Die Abgeschiedenheit wird als hart erlebt. „Man verschwindet nicht nur für die Außenwelt“, sagt ein Bediensteter. „Die Kleider kann man sich nicht aussuchen“, erzählt ein Inhaftierter zum Bild der Unterhose auf der Heizung. „Die neuen Sachen sind besser als die, die schon lange von jemand Anderen getragen wurden. Kleider machen Leute. Man muss sich damit zufriedengeben, fremde und einheitliche Sachen zu tragen“, betont der Jugendliche zu den Bildern der Wäsche.

Ein Foto zeigt, wie ein Inhaftierter seinem Mitgefangenen die Haare schneidet. „Für Außenstehende sieht das ziemlich gewalttätig aus. Den Knastfriseur spart man sich lieber. Jemanden an seine Haare dran zu lassen und dem zu vertrauen, dass dieser ihn nicht verunstaltet, ist schon eine Leistung“, erzählt der Bedienstete. Lautsprecherdurchsagen, wie sie üblich sind, lassen einem den Alltag im Jugendknast näher kommen. „Man gewöhnt sich daran und an die Arbeit“, sagt ein Jugendlicher, der eine Ausbildung macht. „Morgens wird man mit Durchsagen geweckt“, fügt er hinzu.

Die Jungs finden immer Wege

Die Flickstellen in der Feinvergitterung sind inzwischen durch neue (sichere) Gitter ersetzt worden. „Die Jungs finden immer wieder einen Weg. Man kann da noch so viele Gitter hin machen“, lacht der Bedienstete. So hat ein Jugendlicher die neue Feinvergitterung akkurat herausgebrochen, um seinen Fernseher über das Haftraumfenster für den Mitgefangenen oberhalb zu pendeln. Die Schadensmeldung fiel entsprechend hoch aus. Trotz der Sicherung soll die „Resozialisierung“ im Blick sein. Die jugendlichen Straftäter können sich in Handwerksberufen wie Tischler oder Maler ausbilden lassen, ein Antigewalt-Training absolvieren oder die Suchtberatung in Anspruch nehmen. „Die Nebenwirkungen dieses Ortes sind allerdings nicht wegzudiskutieren“, sagt ein anderer Bediensteter. „Die Jugendlichen erziehen sich untereinander selbst. Bestimmte subkulturelle Tätigkeiten sind gegeben. Da kommen wir als Bedienstete kaum durch“, resümiert er.

Die Fotos geben einen Einblick in eine Welt, die sonst verschlossen ist. Wie überall gibt es an diesem Ort nicht nur schwarz oder weiß. Der soziale Brennpunkt „Gefängnis“ ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Darin spiegeln sich viele Facetten und Persönlichkeiten wieder. Und nicht alles, was im Jugendvollzug passiert ist negativ. Es gibt ebenso gute Entwicklungen. „Davon sollten wir mehr sprechen und diese betonen“, ergänzt der junge Mann im Bild, das ihn als Maurerlehrling zeigt. „Das werde ich mitnehmen“, zeigt er sich überzeugt.

Michael King | JVA Herford

 

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