Viele freuen sich auf Weihnachten. Nicht wenigen macht das schönste Fest des Jahres Angst. Angst vor dem Alleinsein. Einige von uns vermissen gerade in der Weihnachtszeit den geliebten Menschen besonders schmerzhaft. Das erste Weihnachten ohne ihn, ohne sie – aber auch das dritte, das achte, das zwölfte ist für viele noch schwer. Was wir an Weihnachten fühlen und empfinden hat viel damit zu tun, wie wir es als Kinder erlebt haben. Erinnerungen werden wach. Weihnachten weckt das Kind in uns.
Auch wenn wir selbst schon Kinder und Enkel haben, das Kind von einst lebt weiter in uns. Zuweilen weint das innere Kind in uns, weil es sich verletzt fühlt. Unverstanden, ungeliebt. Manchmal betet das Kind in uns, auch wenn uns das kindisch erscheint.Auch wenn wir nicht (nicht mehr) an Gott glauben (können), so ahnen wir doch wohl, dass es etwas gibt, das größer ist als wir Menschen. Eine verborgene Wirklichkeit, die wir nicht fassen können. Wenn wir nur das für wahr halten, was wir erklären können, dann verstehen wir nicht viel. Es gibt mehr als wir sehen. Wir sehen nur bis zum Horizont, und sehen nicht was dahinter ist. Wir sehen oft nicht, was sich hinter den Dingen verbirgt.
Wir haben kein Auge mehr für das Hintergründige, den Tiefsinn unseres Daseins. Wir lassen uns blenden von der Scheinwelt, leben in einer Spaßgesellschaft, die so flach ist wie der Flachbildschirm. Weihnachten lässt uns tiefer schauen. Wir spüren, dass unsere Sehnsucht sich mit Konsumgütern nicht stillen lässt. Ja, je mehr materielle Güter wir haben, umso mehr vermissen wir das, wonach, unser Herz sich sehnt. Martin Walser sagt: „Wenn es Gott nicht gibt, dann darf ich doch wenigstens sagen, dass er mir fehlt.“ An Weihnachten spüren wir mehr als sonst, was wir vermissen. Wir sehnen uns nach dem Ganz-Anderen, nach dem Heiligen. An Heiligabend fällt ein Stückchen Himmel auf die Erde.
Advent, Advent – die erste Kerze brennt
Das Kerzenlicht ist warm und mild, es leuchtet die dunklen Ecken nicht aus. Wir alle haben eine dunkle Seite in uns, die besser verborgen bleibt. Das Kerzenlicht lässt uns so sein, wie wir sind, nun mal geworden sind. Auf dem Hohenasperg habe ich erlebt, dass Gefangene sich schlagen, um eine kleine Kerze zu bekommen. Als ich einen Gefangenen fragte, warum ihm diese kleine rote Kerze so wichtig sei, antworte er: „Meiner Kerze kann ich alles sagen – auch das, was sonst niemandem wissen darf. Meine Kerze hört mir aufmerksam zu.”
Der Kerze wohnt eine Kraft inne, die uns in der Seele gut tut. Im Kerzenschein geht uns ein Licht auf: Mensch, Du trägst den göttlichen Funken in Dir. Wir Menschen sind wie Kerzen, wir kämpfen auch gegen das Dunkel an. Wir sehen schwarz, manchmal nur noch schwarz. Viele leiden unter Depressionen, werden von ihren Ängsten überschwemmt, bekommen Panikattacken. Burnout, ausgebrannt, innerlich leer, erschöpft. Wir alle leben unser Leben wie eine Kerze im Wind. Auch wenn wir nur kleine Lichter sind, brauchen wir unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Für manche sind wir der Lichtblick im Dunkel, der Hoffnungsfunken. Unser Lächeln tut anderen gut. Ohne es oft zu wissen geben wir Licht und Wärme weiter. Ein gutes Wort gibt Wärme für drei Winter, heißt es in Russland.
Da wird es echt Advent
Wo eine Kerze brennt, ein Mensch sich selbst verschenkt.
Drehen wir uns nicht nur um uns selbst, schauen wir auf die Menschen in Not, die unsere Hilfe dringend nötig haben.
Wir sind auf der Welt, um unser Licht zum Leuchten zu bringen.
Wir sind hier auf Erden, damit es durch uns heller, wärmer wird.
Lieber eine Licht anzünden als das Dunkel zu beklagen.
Lieber das Leid mittragen als andere anzuklagen.
Advent fängt mit A an
A Anfangen, anfangen bei mir, vor der eigenen Tür kehren.
D Demut, der Mut sich klein zu machen, in die Knie zu gehen.
V Vertrauen, dem Himmel zutrauen, dass alles gut wird.
E Erwarten. Das tun, was wir von anderen erwarten.
N Nachspüren, dem Göttlichen in allem auf die Spur kommen.
T Tun. Einen Schritt auf dem anderen zu, die Hand reichen, eine Tür öffnen, damit Advent bei uns einkehrt. In der Tat.
Weihnachten kann es nur werden, wenn unsere Herzenstür offen ist, wenn wir empfänglich sind. Lassen wir uns berühren vom Kind in der Krippe. Auch wenn es nur ein Strohhalm ist, er gibt Halt und hilft uns, das Schwere im Leben auszuhalten. Am Anfang die Krippe, am Ende das Kreuz. Christus hat keine anderen Hände als die unseren, um seine Liebe weiterzugeben. Er hat keine anderen Füße als die unseren, um den Menschen in Not beizustehen. Wir sind die einzige Bibel, die die Menschen heute noch lesen. Durch die liebevolle Zuwendung von Mensch zu Mensch bekommt unser Glaube Hand und Fuß, werden wir glaubwürdig.
Petrus Ceelen