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Eine Eiszeit im Knast und in Abschiebehaft

14. Juli 2022

Gefängnisse sind starre Systeme. Auch wenn Gefangene kommen und wieder entlassen werden, die Bediensteten im Urlaub sind und es dann und wann doch mal zwar kleine, aber doch spürbare Neuerungen gibt, so bleibt der Alltag doch fast immer gleich. Auch für die Gefängnisseelsorge. Da tut es gut, dann und wann mal etwas zu unterbrechen.

Mirko Wiedking ist Gefängnisseelsorger im offenen Jugendvollzug Hövelhof und in der Abschiebhaft Büren in Nordrhein-Westfalen.

So hat Mirko Wiedeking in den letzten Tagen die Menschen in der JVA Hövelhof und in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) Büren, alle Inhaftierten, Untergebrachten und Bediensteten, auf eine kleine Eiszeit eingeladen. Ein Eisstand als Einstand quasi. Wiedeking ist seit 10 Monaten in den beiden Knästen tätig. Es ihm ein großes Anliegen ist, allen einfach mal eine kleine Freude und Aufmerksamkeit zu machen. Die Unterstützung von Holger Kentrat mit seinem Eis Bulli 76 (Kennzeichen: EIS-VW 76) und dem wirklich leckeren Eis hat‘s möglich gemacht, die Einrichtungsleitungen haben zugestimmt und das Wetter hat mitgespielt. „Und weil ich ja an den dreieinigen Gott glaube, wurden alle mit dieser Info zu drei Kugeln Eis eingeladen“, so Wiedeking.

Eis-Unterbrechung

So eine Unterbrechung kommt bei den meisten super an, und gerade in diesen heißen Tagen war es für viele eine willkommene Abkühlung. „Für mich war es vor allen Dingen interessant wahrzunehmen, welche Zwischentöne durch so eine Aktion ausgelöst werden“, sagt der Gefängnisseelsorger des Erzbistums Paderborn. Die Rückmeldung eines Bediensteten, dass er dadurch seit langem das erste Mal wieder positiv über die Kirche denkt; die Frage eines Gefangenen mit ganz erstauntem Gesicht: „Warum machen Sie das?“; der Versuch von Gefangenen und Bediensteten, sich ein zweites Eis zu ergaunern; die Aussage eines Gefangenen: „Ich glaube, ich trete wieder in die Kirche ein!“; die Wahrnehmung, dass so manch einer sich ein Eis geholt hat, aber es nicht über die Lippen gebracht hat, Danke zu sagen; die Nachfrage „Ich glaube ja an die nordischen Götter, wieviel Kugeln bekomme ich dann?“; die Aussage eines Bediensteten: „Jetzt kann ich mir endlich mal meine Kirchensteuern wiederholen; die Verärgerung mancher Personen, nicht im Vorfeld informiert gewesen zu sein; der Dank eines Gefangenen an den Eismann, in den Knast zu kommen. Anscheinend löst die Idee, den Menschen im Knast einfach mal ohne Hintergedanken eine Freude zu bereiten, ganz schön viel aus.

Aufbrecher sein

Was also bleibt von so einer Aktion? Letztendlich sind esind es die strahlenden Gesichter und die Freude, die in den Gesichtern beim Eisschlecken zu sehen war. Eine gelungene Unterbrechung, die bei vielen in den Köpfen bleiben wird. „Letztlich bin ich überzeugt, dass dies zu meiner Aufgabe im Knast gehört: das starre System, den Alltag nicht nur durch Gottesdienste und Gespräche zu unterbrechen, sondern den Menschen Freude zu verschaffen, einfach nur so“, erzählt Wiedeking. Vielleicht kann und sollte dies die Aufgabe der Kirche sein, gerade in Kriesenzeiten. Und vielleicht wurde bei manch einem nicht nur etwas unterbrochen, sondern auch aufgebrochen. „Im Knast Aufbrecher statt Ausbrecher sein, für mich ist das Verkündigung pur!“, sagt Mirko Wiedeking.

 

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