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Einblicke in die Abschiebehaft im rheinland-pfälzischen Ingelheim

5. August 2022

Einblicke in die Situation in der Abschiebungshaft in Ingelheim bietet eine Broschüre, die zum 20-jährigen Bestehen des ökumenischen Engagements in dieser Einrichtung erschienen ist. Neben evangelischen und katholischen SeelsorgerInnen engagiert sich der Caritasverband für die Diözese Mainz, der eine unabhängige Rechtsberatung finanziert.

„Obwohl der Freiheitsentzug die schärfste Sanktion unseres Rechtsstaates ist, wird die Abschiebungshaft immer noch zu schnell, zu oft und zu lange verhängt“, so Diözesancaritasdirektorin Nicola Adick anlässlich der Auswertung der Arbeit des Rechtshilfefonds in der Ingelheimer Abschiebungshaft. In der Einrichtung arbeitet ebenfalls die evangelische und die katholische Seelsorge. Für viele Flüchtlinge ist die Inhaftierung in der Abschiebungshaft ein Schock. Sie sind traurig, enttäuscht, ihre Situation erscheint ausweglos. Sie wurden inhaftiert, weil ihr Antrag auf Asyl aus Sicht des BAMF nicht ausreichend begründet war und weil sie eine freiwillige Ausreise für sich ablehnen. Die Pastoralreferentin Evi Lotz-Thielen berichtet über die Arbeit mit den ausreisepflichtigen Frauen:

„Wollten etwas Besseres probieren…“

In der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige (GfA) im rehinland-pfälzischen Ingelheim gibt es einen Haftflur für Frauen. In der Regel sitzen weniger Frauen in Abschiebungshaft ein als Männer, aber ihre Situation ist nicht weniger dramatisch. Die Frauen sind oft bei Razzien im Bereich der Prostitution oder bei anderen illegalen Tätigkeiten aufgegriffen worden. Manche Frauen werden auch auf offener Straße oder beim Transfer im Bus oder am Bahnhof verhaftet. Ausreisepflichtige Frauen aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und NRW belegen am häufigsten die Haftplätze in der GfA. Die Fluchtwege der Frauen bis zur Haft sind immer einzigartig. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: Oft sind es Geschichten von Menschenhandel und sexueller oder wirtschaftlicher Ausbeutung. Die Wege der Flucht führen Frauen vermehrt in Abhängigkeiten und gefährliche Lebenssituationen.

Eine „Endstation“?

Und die Frauen können oft nicht begreifen, dass ihre Flucht in der GfA eine „Endstation“ markiert. Die Abschiebungen führen entweder ins Heimatland oder in ein anderes EU-Land. Die Abschiebungen ins Heimatland sind in der Regel endgültig. Bei Rücküberstellungen in ein anderes EU-Land, gemäß der Dublin-Verordnung, werden familiäre Bindungen nicht berücksichtigt. Rücküberstellt wird in das Land, das zuerst betreten wurde, das ein Visum ausgestellt hat oder wo eine Registrierung vorgenommen wurde. Die Frauen werden also oft wie Pakete vom einen EU-Land in ein anderes versandt. Da soziale Bindungen keine Beachtung finden, versuchen die Frauen oft wieder nach Deutschland zurückzureisen, da dort ihre Familien, Bekannten oder Freunde leben. Dann wiederholt sich die Rücküberstellung erneut.

Evi Lotz-Thielen

Das Paket-Projekt war Teil einer Installation zur Nacht der Offenen Kirchen in Ingelheim. Die Frauen haben auf einen Paketkarton notiert, was sie gerne Menschen außerhalb der Haftmauern über ihre momentane Lebenssituation oder die besondere Haftsituation mitteilen möchten.

Paket-Projekt

„Wir sind vor 6 Monaten für eine bessere Zukunft aus Venezuela gekommen und wollten etwas Besseres probieren, jetzt wo die Situation in Venezuela so kompliziert ist. Deswegen haben wir beschlossen hierher nach Deutschland zu kommen, um unseren Familien zu helfen und eine bessere Zukunft in unserem Land zu haben. Wir sind gekommen um Häuser zu putzen, weil sie uns keine bessere Arbeit gegeben haben. Weil wir keine Arbeitspapiere hatten. Und so haben wir hier die Zeit verbracht bis eines Tages auf der Arbeit uns die Polizei verhaftete und ihnen auffiel, dass wir Illegale sind. Und sie haben uns einem Richter vorgeführt und sie haben uns an diesen Ort (GfA) gebracht.

Nun sind 5 lange Wochen vergangen und Gott sei Dank haben sie uns ein Datum für unsere Flüge gegeben. Und bald können wir mit unserer Familie zusammen sein. Über diesen Ort (GfA) lässt sich sagen, dass sie uns sehr gut behandelt haben und uns dadurch den Aufenthalt nicht so schwer gemacht haben. Wir haben an der Kirche teilgenommen. Wir kamen gut mit unseren Mitgefangenen zu Recht. Dies war eine  Erfahrung, die wir dachten nie machen zu müssen.“

Deilyn und Andrea aus Venezuela, Abschiebung ins Heimatland

 

 

 

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