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Ein Hahn und Seidenhühner beschäftigen Inhaftierte

10. Juli 2022

Sonntagmorgen im Knast. Alles ist ruhig Die meisten jugendlichen Inhaftierten schlafen. Die Knast-Katze kommt dem Bediensteten entgegen. Sie will durch die aufgeschlossene Tür in den Vorhof. Neben den wilden Enten mit ihren Küken beherbergt der Knast zwei Katzen, zwei Seidenhühner, eine Zwerg-Langschan-Henne und einen schwedischen Blumenhuhn-Hahn. Dieser kräht bereits um 6 Uhr lauthals hinter den Mauern der Justizvollzugsanstalt Herford.

Majestätisch stolziert der Hahn zusammen mit den Seidenhühnern im Gehege umher. Der Hahn überfliegt auch schon mal den Zaun des Außengeheges. Aber wo will er denn hin? Den großen Zaun und die Gefängnismauer der Justizvollzugsanstalt kann er nicht überfliegen. Betreut werden die Tiere durch die Teilnehmer des ATM I und den langjährigen Bediensteten Thomas Brandt. „Früher war ich draußen in der Gärtnerei tätig. Nun bin ich für die Arbeitstherapiemaßnahme (ATM I) zuständig“, erzählt Brandt. Hier finden jugendliche Gefangene Arbeit, die sonst zu keiner anderen Beschäftigung offen sind. „Mit Tieren umzugehen ist noch mal etwas anderes“, sagt Claus, ein 17 jähriger Inhaftierter. „Wir haben auch zwei Kaninchen. Eines davon ist blind“, erzählt er.

Der Hahn sieht majestätisch aus, ist aber sehr scheu im Umgang mit Menschen.

Seidenhühner sind so süß…

Morgens um 6.30 Uhr werden bei schönem Wetter die Hühner und der Hahn nach draußen ins Außengehege gesetzt. Da kommen Gefangene wie Bedienstete vorbei und bleiben stehen. „Sie finden die Seidenhühner so süß“, erzählt Claus. Häufig sind die Gefangenen im Innengehege und streicheln die Hühner. „Den Hahn kann man nicht auf den Arm nehmen“, fügt der Jugendliche hinzu. Jeder Tag schaut die Gruppe von fünf bis acht Inhaftierten nach deren Futter. „Der Hahn ist nervig und sehr laut am krähen. Es gibt schon Angebote von Mitgefangenen, den Hahn zu beseitigen“, berichtet ein anderer Gefangener. Brandt fügt hinzu: „Tierquälerei ist oft die Vorstufe für weitere Delikte“, so der Mitarbeiter des Werkdienstes. „An den Hahn traut sich niemand ran. Er ist zu groß und zu eindrucksvoll“, sagt Brandt. Durch den verantwortungsbewussten Umgang der Inhaftierten mit dem Hahn ist dieser schon merklich zutraulicher geworden.

Tiergestützte Therapie

Immerhin sind die Tiere eine Unterbrechung und eine Abwechslung im gut strukturierten Jugendvollzug. „Tiergestützte Therapie“ nennen die einen dies. Wieder andere sagen „Streichelzoo“. Letztere Aussage kommt meistens seitens von Gefangenen. Tiere als Lebewesen zu sehen, bedeutet aus der eigenen, egozentrischen Welt hinauszugehen und in eine neue mit Beobachtung und Einfühlung zu verstehende Welt einzutreten. Diese Einstellung bewährt sich im Umgang mit den Mitmenschen. Jugendliche untereinander sind im Knast nicht gerade die besten Freunde. „Wer will schon mit einem Umgang haben, den man nicht leiden kann oder dessen Straftat einem auf die Nerven geht“, sagt Claus. Im Jugendvollzug kann man sich nicht so schnell aus dem Weg gehen. „Die Tiere helfen mir, mit den anderen umzugehen. Es gibt ja auch Menschen, die laut krähen und unnahbar sind“, sagt der 17 jährige und trifft es auf den Punkt.

Michael King

 

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