Seit vier Jahren ist der Franziskaner und ehemalige Gefängnisseelsorger Gabriel Zoernig, der in der Jugendanstalt (JA) Neustrelitz arbeitete, in seinem Wohnmobil unterwegs. Er versteht sich dabei in der Tradition seines Ordens. Wenn weniger Menschen zur Kirche kommen, muss die Kirche zu den Menschen fahren, sagt er: „Ich treffe Menschen, die Fragen haben und auf der Suche sind.“ Ein Interview mit dem in der „Gegend-Herumfahrer“.
Innovative Seelsorge
Der Weg zum „rollenden Kloster“ steckt voller Herausforderungen. Die Idee, woher das Geld für ein neues gebrauchtes Wohnmobil genommen werden sollte, musste reifen. Die katholische Gemeinde in Waren/Müritz unterstützte das Projekt als Erste mit Spenden. „Fast hätte ich eine ausgediente, umgebaute Feuerwehr bekommen“, erinnert sich der Ordensmann. Darin hätte es nur einen Schlafplatz gegeben – keine guten Bedingungen für ihn als Franziskaner, da er sich häufig mit anderen Engagierten, Freunden, Kollegen oder Bekannten auf den Weg macht.
Neues Gebrauchtes
Dann aber gab es ein Angebot von einem berufstätigen Paar, das aus zeitlichen Gründen sein Wohnmobil abgeben wollte. Der Ordensobere gab grünes Licht. Das Wohnmobil konnte gekauft werden. Vor Kurzem kam es in Mecklenburg an, die Ummeldung erfolgte und die Aufkleber zur Wiedererkennung wurden angebracht. Jetzt kann der Franziskaner damit wieder über Land fahren. Mit dem „neuen Gebrauchten“ öffnen sich nun auch andere Perspektiven des Projektes „Franziskanisch unTerwegs“. Die Idee, das modernere Wohnmobil als Lernort für andere Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Kirchengemeinden zu nutzen, nimmt konkretere Formen an. „Vielleicht“, so der Franziskaner, „werde ich mit dem neuen Wohnmobil auch verstärkt in der Urlauberseelsorge unterwegs sein.“
Franziskanisch unTerwegs
Bruder Gabriel freut sich auf die neuen Möglichkeiten. Und natürlich bleibt Mecklenburg ein Schwerpunkt des Projektes. Aber es ist vorstellbar, dass er auch durch Schleswig-Holstein fährt. Eine Herzensangelegenheit für den Franziskaner ist die Frage nach der Zukunft von „franziskanisch unTerwegs“: „Ich freue mich, wenn es später auch mal ohne mich weitergeht“, sagt er. Denn innovative Seelsorge sollte nie nur an Einzelpersonen gebunden sein.
Quelle: Erzbistum Hamburg
Bruder Gabriel, was müssen Sie noch einpacken, bevor es losgeht?
Noch ein paar frisch gedruckte Segenskarten, meinen Laptop habe ich schon dabei, eventuell muss ich noch ein paar Medikamente einpacken. Aber ansonsten bin ich wie immer ausgerüstet .
Sie sind immer kreuz und quer unterwegs: Mal am Ostseestrand, beim Musikfestival „Fusion“ mit 70.000 jungen Menschen, in sozialen Brennpunkten wie Plattenbauvierteln in Schwerin, oder auch vor dem Ostseestadion mit den Fußballfans von Hansa Rostock. Haben Sie eine Begegnung, die Ihnen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist?
Br. Gabriel: Eine? Ich könnte von zehn erzählen. Zum Beispiel auf der Fusion, wo fast nur Nicht-Christen hinkommen. Dort traf ich einen jungen Mann der sagte, dass er mit Leuten wie mir nichts zu tun hat – normalerweise. Das war sein Fehler. Er meinte, hätte ich ein bisschen Zeit, würde er sich gerne mit mir unterhalten. Er hatte Pech, ich hatte Zeit. Wir haben uns eine ganze Stunde unterhalten und jetzt weiß ich seine Lebensgeschichte. Es war eine sehr interessante, intensive Begegnung. So funktioniert das in der Regel.
Sie treffen ganz unterschiedliche Menschen und viele haben vielleicht gar keine Lust mit Ihnen zu sprechen. Haben Sie einen Trick, um ins Gespräch zu kommen?
Manchmal sagen es die Menschen schnell, dass sie keine Lust haben, aber das kommt relativ selten vor. Ich frage in der Regel: „Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo hier die katholische Kirche ist?“ Und wenn sie dann mit der Erklärung anfangen, unterbreche ich sie und sage, dass ich das doch selber weiß. Dann fragen sie, warum ich sie angesprochen habe und ich antworte, dass ich wissen wollte, ob sie das auch wissen. Dann kommen wir ins Gespräch und sehr schnell erzählen die Menschen von sich, von ihren Lebenskrisen und -ereignissen. Das liegt dann immer oben auf.
Wie durchgetaktet sind Ihre Reisen? Haben Sie auch die Zeit, spontan anzuhalten und Leute zu treffen, oder ist das eher nicht drin?
Ich halte immer spontan an. Ich habe einen Jahresplan, wo ich hinfahre, in dem natürlich noch Lücken sind. Es kann auch passieren, dass ich zum Beispiel einfach nach Wismar fahre. Ich kenne den Pfarrer ziemlich gut und kann dort an der Kirche stehen. Oder ich fahre auf die Insel Poel. Das kann auch spontan passieren. Aber in der Regel habe ich ein gutes Jahresprogramm.
Sie sind über Ostern unterwegs und werden in Neustrelitz die Osterpredigt halten. Unter anderem sind Sie dann in dem ehemaligen Kloster Tempzin, das heute das bedeutendste Pilgerzentrum von Mecklenburg-Vorpommern ist. Dort sind Menschen, die sich ohnehin für den Glauben interessieren. Warum machen Sie auch da Station?
Das kann man so nicht sagen. Nach Tempzin kommen viele Menschen, die auf der Suche sind. Wenn ich in Tempzin bin, das ist sozusagen meine zweite Heimat, dann treffe ich Menschen, die Fragen haben und auf der Suche sind. Mit denen komme ich im Garten oder bei einem Kaffee ins Gespräch. Und auch hier erzählen die Menschen relativ schnell von sich.
Sie waren auch in den vergangenen Jahren über Ostern in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Wie ist das, an einem christlichen Hochfest in einer überwiegend säkularen Gegend unterwegs zu sein?
Witzig ist, dass die Leute bei Ostern natürlich an Ostereier und den Osterhasen und all so etwas denken. Dann frage ich, ob sie sich mit Kirche und Gott auskennen. Wenn sie sagen, „Nee, überhaupt nicht“, dann erkläre ich, worum es an Ostern geht und wir kommen ins Gespräch. Manchmal bin ich fast erschrocken, wie wenig Menschen über den christlichen Glauben oder das Osterfest wissen. Aber sie finden es dann schon spannend.
Sie halten nicht viel von niedergelassenen Klöstern und sagen, dass den Franziskanern das Unterwegssein in der DNA steckt. Warum ist das Unterwegsein wichtig?
Jesus war ein Wanderprediger und ist zu den Menschen hingegangen. Irgendwann hat die Kirche gedacht, dass die Menschen lieber zu ihr kommen sollen. Wir Franziskaner sind ein apostolischer Orden und uns ist es aufgetragen, unterwegs zu sein. Franziskus war mit seinen Brüdern dort unterwegs, wo die Menschen sind. Die Brüder haben sich relativ bald in Klöstern niedergelassen und ich fand, das muss man ändern. Das ist keine ganz neue Idee für mich, ich habe das immer schon überlegt. Seit vier Jahren fahre ich durch die Gegend und mache es so wie Franziskus mit seinen ersten Brüdern, bei den Menschen zu sein, weil die Leute kaum noch in die Kirche kommen. An dem, was ich tue, finde ich spannend, dass ich dort bin, wo die Menschen sind – vor allem Nicht-Christen. Und das lohnt sich.
Das Interview führte Hilde Regeniter | domradio.de