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Durch (enge) Türen gehen oder „Scheiß drauf“?

20. August 2022

Als ich mit ihm am Telefon erzählte, wusste ich nicht, dass dies das letzte Gespräch mit meinem Vater war. Ein paar Tage später starb er, weit entfernt in einem Krankenhaus, und ich konnte mich nicht mehr von ihm verabschieden. Viele Jahre hat mir das zu schaffen gemacht: kein Dank war mehr möglich, keine Worte zu dem, wie er für mich war und kein Lächeln mehr. Die Tür dafür war verschlossen.

Eine Haftraumtür von innen mit Botschaften und „Postfach“…

Die Erfahrung plötzlich verschlossener Türen musste ich bereits öfter machen. Im Streit mit meinem Freund verpasste ich den Moment zu sagen: „Es tut mir so leid, ich habe dich sehr verletzt.“ Stattdessen war ich fest geworden in Rechtfertigung und Besserwissen. Auch da war die Tür verschlossen, den Streit frühzeitig zu beenden. Und wie oft habe ich in Unaufmerksamkeit und Selbstbezogenheit nicht wahrnehmen können, was der andere gerade braucht? Wie viele Türen sind auf dem Lebensweg durch das zu spät Kommen ein für alle Mal verschlossen?

Im Evangelium warnt Jesus davor, nicht da zu sein, wenn es darauf ankommt. Allen Spätzündern sagt er: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“ Es ist jene enge Pforte neben dem Stadttor, wie sie in alten Städten manchmal noch zu sehen ist, die alle spät Heimkehrenden noch einzeln durchlässt, um dann zur Nacht verschlossen zu werden. Mit diesem Bild verweist Jesus auf den Eingang zum Reich Gottes; dieses tut sich manchmal überraschend und plötzlich auf und ermöglicht im Moment eine Erfahrung göttlicher Wirklichkeit mitten im Leben. Immer ist es dann eine Unterbrechung des gewohnten Ganges, ein sich Einlassen in tiefes Vertrauen jenseits aller Bedenken, ein Angenommensein mit allen Brüchen und Begrenzungen jenseits aller Berechnungen, eine Versöhnung über tiefe Gräben hinweg jenseits jeglicher Vergeltung.

Gehe ich durch diese Tür?

Es kommt nur darauf an, durch die Tür zu kommen, die sich im Moment öffnet. Vor der Tür halten die eigenen Bedenken, oft auch vermeintlich schlaues und ewiges Diskutieren, die eigenen Sicherheitsbedürfnisse und auch das Beharren auf der eigenen Position davon ab, einzutreten. Das Loslassen vom Eigenen ist für uns Menschen so schwer, dass es, wie Jesus sagt, eine echte Bemühung ist, durch diese Tür des Loslassens zu kommen. Hinter der Tür aber ist dann kein Halten mehr, „sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen“, sagt Jesus.

Offene Türen entdecken

Ich glaube daran, dass bis zum Schluss immer noch eine Tür offensteht, die Tür, die mir auch nach vielen bereits verpassten Zugängen endlich doch Eingang gewährt. Denn „im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“, sagt Jesus, was mich hoffen lässt. Auf dem Weg täten achtsame Aufmerksamkeit und das Nachlassen von Selbstbezogenheit wohl gut, öfter offene Türen zu entdecken. So durch die Tür gelangt folgt, wenn wir dem Evangelium glauben dürfen, eine Bewegung von Gott her, die einlädt und bedingungslos aufnimmt. Für mich sind dies lebendige Erfahrungen in vielen Begegnungen. Du kannst sie nicht machen oder herstellen, sie tauchen auf und erfüllen einen – dann ist es gut, ganz da zu sein. Und du bist froh, eingetreten zu sein.

Christoph Kunz | Magdeburg

 

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