Rezeptbuch: Die kochen doch auch nur mit Wasser…

25. August 2021

In einer „Mangelwirtschaft“ des Justizvollzuges kommen Inhaftierte auf neue Ideen, wie sie ihr Leben bereichern können. So kochen Gefangene ihre eigenen Kreationen mit ihrem zugelassenem Wasserkocher. „Die kochen doch auch nur mit Wasser“, sagt ein Gefangener, und erzählt stolz, wie er seine Nudeln mit dem im Einkauf „geholten“ Wasserkocher weich bekommt. Diese Idee haben AutorInnen in ihrem Rezeptebuch „The Joy of Water Boiling“ – 100 köstliche Rezepte für den Wasserkocher – aufgegriffen.

Als einer der Autoren und Ideengeber, Thomas Götz von Aust, zur Untermiete in einer Wohngemeinschaft wohnte und plötzlich das Gas abgestellt wurde, musste er zwangsläufig kreativ werden. „Da bin ich auf die Idee gekommen, mir Suppen im Wasserkocher warm zu machen. Später habe ich dann meine ersten Nudeln darin gekocht“, sagt er. Da sind ihm die Inhaftierten im Justizvollzug bereits weit voraus. In den Gefängnissen, in denen ein Wasserkocher zugelassen ist, ist es längst Alltag zum Alltag geworden, in dieser Weise seine eigene Mahlzeit zuzubereiten.

Besser als das Knastessen

„Man kann sogar im Wasserkocher braten“, meint ein junger Inhaftierter. „Dazu kaufe ich im Einkauf Würstchen ein und brate diese auf der Wasserkocher-Heizplatte“, grinst dieser und lacht. „Dabei wird nicht einmal ein Kurzschluss verursacht“, sagt er. Gängig ist, im Wasserkocher Nudeln zu kochen. „Das schmeckt besser als das Knastessen“, sagt der erfahrene Inhaftierte. „Dazu eine Tomatensoße und man hat ein Festmahl“, erzählt er. Verboten ist dies nicht unbedingt hinter den Mauern. Einen Wasserkocher kann man dort unter bestimmten Voraussetzungen erwerben. Das ist nicht immer einfach zu finanzieren. Der durchsichtige Wasserkocher zeigt, ob darin etwas versteckt wird oder nicht. „Warmes oder heißes Wasser gibt es eben nicht im Knast aus dem Wasserhahn“, sagt der Gefangene.

Wasserkocher als Quelle entdeckt

Die ungewöhnliche Art des Kochens haben die AutorInnen – ohne an den Knast zu denken – ein ganzes Kochbuch mit hundert Rezepten für den Wasserkocher gewidmet. Die Idee ist in den Gefängnissen längst Realität. Dort haben Wasserkocher ohne Spirale Einzug gehalten. „Wichtig ist, dass der Wasserkocher ein verdecktes Heizelement hat. Es darf also keine offene Heizspirale darin sein, sonst kann sich dort etwas verfangen und das führt zu einem Kurzschluss ­– ich spreche da aus Erfahrung“, sagt der Autor. Es sei außerdem gut, wenn das Gerät mindestens 1,5 bis 1,75 Liter fasst, weil man dann mehr zubereiten könne. „Außerdem muss der Deckel möglichst weit zu öffnen sein, um mit dem Löffel gut umrühren zu können.“ Ideale Voraussetzungen für den Wasserkocher hinter Gittern.

Kochen auch nur mit Wasser

Es ist, als wenn die AutorInnen von den Inhaftierten gelernt hätten. Im Jugendvollzug wird das Rezeptbuch mit dem Hinweis des Gefängnisseelsorgers für die Gefangenen-Bibliothek erworben. „Das muss ich unbedingt haben“, sagt der 21-jährige Eugen. Er ist „voll motiviert“ Neues mit dem Wasserkocher auszuprobieren. „Not macht erfinderisch“, sagt er. „Die kochen doch auch nur mit Wasser“, fügt er hinzu. Mit „die“ meint er wohl die Bediensteten. Oder ist es als dezenten Hinweis für die Knastküche gemeint? Mit dem Rezepten-Buch für den Wasserkocher findet die Notlösung im Gefängnis den Weg in die Öffentlichkeit.

Michael King | JVA Herford

 

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