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Folgen einer Tat werden Menschen ihr Leben lang begleiten

28. Juli 2023

Das Restorative Justice Pilotprojekt „Opfer und Täter im Gespräch“ wurde 2016 in der JVA Oldenburg umgesetzt. Hier hat die Traumatherapeutin Daniela Hirt in Trägerschaft des Vereines Konfliktschlichtung ein Handlungskonzept an die spezifischen Gegebenheiten des deutschen Justizvollzuges angepasst und das Projekt geleitet. Die dadurch gesammelten praktischen Erfahrungen speisen sich zusätzlich aus der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen, deren z.T. unveröffentlichte Interviews und Berichte sehr wertvoll u.a. auch für die Umsetzung des Restorative Justice Projekt Täter-Opfer-Kreis (TOK) in der JVA Bielefeld-Brackwede waren.

Sehr deutlich wurde in den Projektverläufen die Notwendigkeit, eine externe Projektleitung einzusetzen, die keine Interessenvertretung einer der am Projekt teilnehmenden Personen bzw. beteiligten Institution ist. Die gesamte Projektkoordinierung beinhaltet Konzeptarbeit, Auswahl der Teilnehmenden, Terminierungen, Strukturierungen aller Vor- und Nachgespräche und die Moderation aller Gruppensitzungen. Es wird gemeinsam mit der Leitung und dem Team der Justizvollzugsanstalt ein Projektplan erstellt. Flankierend steht die Projektleiterin bei Bedarf der Justizvollzugsanstalt beratend zur Seite, koordiniert ggf. den Projektbeirat sowie die wissenschaftliche Begleitung und unterstützt bei der Einbindung regionaler Netzwerke und der Öffentlichkeitsarbeit.

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Die Aufgaben des Justizvollzuges sind in den Strafvollzugsgesetzen klar geregelt. Die Inhaftierten sollen zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten befähigt und die Allgemeinheit soll vor weiteren Straftaten geschützt werden. Die im Jahr 2022 durchgeführte Maßnahme für eine sogenannte Opferorientierung im Strafvollzug in Form des Restorative Justice Projektes TOK in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede geht über den Gedanken des Opferschutzes durch Verhinderung künftiger Straftaten hinaus.

Die Einsicht der Inhaftierten über das Unrecht ihrer Straftaten und die Bereitschaft, für deren Folgen einzustehen, sollen geweckt und unterstützt werden. Opferorientierung wird in Übereinstimmung mit dem Resozialisierungsziel dabei in den Blick genommen. Das Projekt zielt in seiner Ganzheit darauf ab, Heilung und Wiedergutmachung für Personen, die Betroffene einer Straftat geworden sind, zu fördern und eine größere Akzeptanz für die Folgen von erlittenen Straftaten zu erzielen. Das Ziel ist die Rehabilitation der Personen, die Betroffene einer Straftat geworden sind sowie die Resozialisierung von StraftäterInnen als Mitglieder einer sicheren Gesellschaft (community building).

Voraussetzungen

Die Durchführung eines Restorative Justice Projektes in einer Justizvollzugsanstalt, in dem die Trennung der Straftatverarbeitung zwischen Betroffenen und StraftäterInnen aufgehoben wird, stellt eine hohe fachliche Herausforderung für alle beteiligten Fachkräfte dar. Im Projektverlauf treten Menschen, die Betroffene einer Straftat geworden sind und inhaftierte StraftäterInnen (nicht ein und derselben Straftat) in den Dialog. Der Erfolg dieses auf Wiedergutmachung und auf die Herstellung von Gerechtigkeit abzielenden Justizprojektes ist maßgeblich von einer sehr intensiven und sorgfältigen Vorbereitung abhängig.

Wesentlicher Gelingensfaktor ist zudem, dass ein gemeinsamer, sicherer Vertrauensraum für die Betroffenen hergestellt wird, in dem sie von ihren Taten und Tatfolgen erzählen können. Dieses Erzählen hat den Anspruch, zu wahrhaftiger und authentischer Begegnung, Heilung und Wiedergutmachung zu führen und damit die Entwicklung von kontextuellem Verstehen und von Opferempathie überhaupt erst zu ermöglichen. In diesem Raum haben Sicherheit, Achtsamkeit, Respekt und Vertrauen oberste Priorität. Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Verschmelzung von Rehabilitation (von Betroffenen) und Resozialisierung (von StraftäterInnen) gelingen. Die am Projekt beteiligten Personengruppen sprechen naturgemäß unterschiedliche Sprachen. Personen, die Betroffene einer Straftat wurden, aber auch nicht selten StraftäterInnen, sind oft traumatisiert, fühlen sich stigmatisiert und „aus dem Leben gerissen“. Sie möchten und müssen mit ihrer Tatgeschichte und deren Folgen gesehen und wahrgenommen werden. Das wird ihnen durch die Teilnahme an dem Restorative Justice Projekt ermöglicht.

Daraus ergeben sich besondere fachliche Herausforderungen für die Projektleitung. Sie fungiert als interinstitutionelle Übersetzerin und strukturiert den Gesamtprozess, in dem die Begegnungen von Betroffenen und Inhaftierten stattfinden können. Dies kann nur unter dem Aspekt eines prozessorientierten Arbeitens und einer interdisziplinären und multiprofessionellen Zusammenarbeit in einem Kooperationsbündnis gelingen. Das prozessorientierte und kooperative Wirken zieht sich durch das Handlungskonzept im Ganzen, um der speziellen Dynamik und den besonderen Herausforderrungen eines Restorative Justice Projekts gerecht zu werden.

Darf der Vollzug sich Betroffenen „bedienen“?

Die opferbezogene Vollzugsgestaltung findet im § 7 Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen einen besonderen Stellenwert. Die gesetzlichen Regelungen stellen klar, dass im gesamten Vollzugsverlauf die berechtigten Belange der Betroffenen zu berücksichtigen sind. Der Strafvollzug bedient sich bewährten Methoden des individuellen Täter-Opfer-Ausgleiches. Er sucht in individuellen Vollzugsplanungen nach Behandlungserfordernissen und Umsetzungsmöglichkeiten eines, auf das individuelle Tatgeschehen ausgerichteten Tatausgleiches, in Abwägung mit den besonderen Schutzbedürfnissen der Betroffenen. Schon im Strafverfahren dreht es sich im Wesentlichen um „den/die StraftäterIn“ und es gibt kaum einen Raum für die Betroffenen, deren Angehörigen oder für die Angehörigen der StraftäterInnen. Es gibt keinerlei Raum, in dem sich beide Parteien in einem geschützten Rahmen begegnen und in einen Austausch gehen können. Darüber hinaus stehen in der alltäglichen Vollzugsarbeit mit den Inhaftierten naturgemäß deren Themen, Problemlagen und Perspektiven im Fokus.

Die Teilnahme an der Fachtagung „Opferorientierung im Justizvollzug – Perspektiven für die Praxis“ im Oktober 2017 in Göttingen war Ausgangspunkt für eine weitergehende Betrachtung der opferbezogenen Vollzugsgestaltung in der JVA Bielefeld-Brackwede. Initiiert und getragen von der Anstaltsleitung, haben sich interessierte Bedienstete aller Berufsgruppen weitergehend mit der Thematik beschäftigt. Grenzen und Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit mit Betroffenen von Straftaten und inhaftierten StraftäterInnen wurden differenziert erörtert. Ethische Fragestellungen, wie: „Darf der Vollzug sich Betroffenen „bedienen“, um Behandlungserfolge für den Resozialisierungsprozess von Inhaftierten zu generieren?“ wurden umfangreich und sensibel diskutiert.

Täter-Opfer-Kreis der JVA Bielefeld-Brackwede

Der BoAS–Ansatz bringt, über die individuelle Tataufarbeitung und einen häufig nicht zu realisierenden, individuellen Täter-Opfer-Ausgleich hinaus, die Chance für die Inhaftierten, sich mit den Perspektiven von Betroffenen auseinanderzusetzen, welche Erfahrung mit ähnlich gelagerten Delikten gemacht haben. Ab November 2019 hat sich eine interne Arbeitsgruppe von elf KollegInnen, bestehend aus dem Anstaltsleiter, PsychologInnen, Seelsorgern und SozialarbeiterInnen zusammengefunden und hat auf Grundlage des dargestellten Restorative Justice Konzept BoAS – angepasst an die praktischen Bedarfe der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede das Konzept „TOK – Täter-Opfer-Kreis ein moderierter Gesprächskreis zwischen Betroffenen/Betroffenenangehörigen und Tätern“ entwickelt. Mit der Projektwoche „Restorative Justice im Justizvollzug und der Ausstellung „The forgiveness Project“ Anfang November 2020 in der JVA Bielefeld-Brackwede, wurde den Inhaftierten die Thematik und die geplante, gemeinsame Maßnahme mit Betroffenen von Straftaten zugänglich gemacht. Zudem wurde regionales und landesweites Fachpublikum aus der Justiz, der freien Straffälligenhilfe und der sogenannten Opferarbeit über das neue Projekt informiert und in die Teilnehmendenakquise für den ersten Durchlauf eingestiegen.

Die Teilnehmendenakquise auf der Betroffenenseite stellt für den Strafvollzug eine besondere Herausforderung dar. In der Umsetzung haben Informationsveranstaltungen mit der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ und den Opferschutzbeauftragten der regionalen Polizeidienststellen stattgefunden. Den Fachkräften in den regionalen Netzwerken „Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Bielefeld“ und „Netzwerk soziale Strafrechtspflege Bielefeld“ wurden das Konzept und die Informationen zugänglich gemacht und über Zeitungsartikel wurde die breite Öffentlichkeit informiert. Mit Informationsflyern wurde durch das TOK-Team aktiv auf MitarbeiterInnen von Tankstellen und Geschäften in Bielefeld zugegangen. Interessierten, potentiellen TeilnehmerInnen war es fortan möglich, sich über unterschiedliche Kommunikationswege an das TOK-Team der JVA zu wenden und sich über die Maßnahme informieren.


Zum Ablauf

Nach vielen Einzelgesprächen mit Betroffenen und Inhaftierten konnten nach zwölf Monaten die Gruppentreffen starten. Es gab fünf Teilnehmende, die Betroffene einer Straftat geworden sind und vier Inhaftierte. Begleitet wurden die Treffen von dem TOK-Team, bestehend aus Frau Hirt (externe Begleitung und Moderation), Frau Wylenzek (Psychologin JVA) und Herrn Rilli (Sozialarbeiter JVA). Vor der gemeinsamen siebenstündigen Begegnung der Betroffenen und der Inhaftierten wurden mit beiden Gruppen vier Sitzungen durchgeführt, in der sich thematisch in gleicher Struktur auf die Begegnung vorbereitet wurde. In der vierten Vorbereitungssitzung hat die Betroffenengruppe sich erstmals in der JVA getroffen und die Justizvollzugsanstalt besichtigt, in der das Zusammentreffen später erfolgen würde. Leitender Grundgedanke der Gesamtkonzeption ist die Schaffung eines sicheren Raumes für alle teilnehmenden Personen. Um den Teilnehmenden der Betroffenengruppe Sicherheit und Vertrauen zu geben, wurde für die Führung und für Fragen der Teilnehmenden viel Zeit und Raum eingeräumt. In der Sitzung wurden die Botschaften der jeweils anderen Gruppe übergeben und besprochen. Bemerkenswert war festzustellen, dass in beiden Gruppen große Nervosität und Aufregung vor dem Zusammentreffen benannt wurden, was beide Seiten für die Teilnehmenden menschlich machte und eine erste Annäherung ermöglichte.

Gruppe beginnt mit Entzünden der Kerze

Die einzelnen Gruppensitzungen fanden alle zwei bis drei Wochen statt. Jede Gruppensitzung (auch mit den TäterInnen) begann mit dem Entzünden der Kerze und mit einem Moment der Stille, in dem die Gruppe an Menschen, die Betroffene von Straftaten geworden sind und an deren Folgen zu leiden haben, gedacht wurde. Greifbar war die Bewegtheit in den Momenten der Stille und die Fokussierung der Teilnehmenden auf die Folgen und die Betroffenheit durch Straftaten. Zur Schaffung von Sicherheit in den Begegnungen wurden Selbstfürsorgeregeln und Gruppenregeln in beiden Gruppen sowie eine verbindliche Struktur erarbeitet. Es wurde die Landkarte der Befindlichkeiten (mit eigenem Symbol zum Setzen) als wiederkehrender Bestandteil für den Beginn jeder Sitzung eingeführt. Die Methodik ermöglichte den Teilnehmenden, über sprachliche Metaphern sich selbst über die eigenen Empfindungen und Gefühle in Bezug auf die Teilnahme bewusst zu werden und diese Gedanken mit der Gruppe zu teilen. Darüber hinaus ging es in allen Sitzungen immer um die Leitfragen (was ist mir passiert; was habe ich getan; was hat sich verändert; warum nehme ich teil), sprich um die Darlegung des eigenen Erlebten. Am Ende jeder Sitzung gab es einen Ausblick auf die nächste Sitzung und ein Abschlussblitzlicht.

Worauf habe ich mich da eingelassen?

Im Dezember 2022 fand das Herzstück der Maßnahme, das Zusammentreffen der Gruppen in der Kirche der JVA Bielefeld Brackwede statt. Alle Teilnehmenden waren nervös und aufgeregt vor der Begegnung. Ein Inhaftierter äußerte unter Tränen: „Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können und mich immer wieder gefragt, worauf habe ich mich da eingelassen. Jetzt ist es wirklich so weit, ich habe Angst.“ Angekommen im Gruppenraum waren die Betroffenen schon im Raum und eine förmliche Begrüßung bei Kaffee und Keksen im Stehen und die Äußerung auch eines Teilnehmenden der Betroffenenseite, „Oh mein Gott war ich aufgeregt und jetzt bin ich echt gespannt auf den Tag“, löste sofort die Spannung auf beiden Seiten. Noch eine schnelle Zigarette vor dem Start und etwas Zeit gaben den nötigen Raum für das sich Einlassen und die Öffnung. Straftäter und Betroffene von Straftaten haben dann mit dem ihnen bekannten Ritual des Moments der Stille in Gedenken an Menschen, die Betroffene von Straftaten geworden sind, inhaltlich den Start in den Tag gefunden. Dies war ein besonderer Moment. An der Landkarte der Befindlichkeit öffneten sich die Teilnehmenden untereinander zu dem aktuellen eigenen Befinden.

Über die Motivation und die Erwartungen zu der Teilnahme wurde bis zum Mittagessen gesprochen. Beide Gruppen haben getrennt voneinander eine Mittagspause verbracht und einen Moment durchatmen können. Am Nachmittag haben die Teilnehmenden dann in der Gruppe berichtet, was sie jeweils erlebt oder begangen haben, welche Folgen es hatte und welche Fragen sie an die andere Gruppe haben. Es gab sehr emotionale Momente, die alle Teilnehmenden sehr bewegt und berührt haben. Alle Teilnehmenden waren bereit, die Sitzung um eineinhalb Stunden zu verlängern, sodass alle für den Bericht des Erlebten, der individuellen Geschichte und persönliche Fragen und Themen genügend Zeit hatte. Dem Abschlussblitzlicht war zu entnehmen, dass an dem Tag jeder/jedem Teilnehmenden und auch die Projektverantwortlichen sich bewusst waren, Teil einer besonderen Maßnahme geworden zu sein.

Fazit

Bei all der sorgfältigen, kleinschrittigen und intensiven konzeptionellen Vorbereitung der Maßnahme war den Teilnehmenden durch die Vorerfahrungen und Kompetenz von Frau Hirt früh klar, dass die gesamte Umsetzung als Prozess zu verstehen ist und individuell auf die Entwicklungen und Bedürfnisse in den einzelnen Gruppen eingegangen werden soll. Somit gab es die Möglichkeit, den Ablauf einer einzelnen Gruppensequenz immer wieder anpassen zu können. In der Umsetzung hat sich die Notwendigkeit der prozessualen Flexibilität schon früh gezeigt und Erkenntnisse für nachfolgende Kurse wurden gewonnen. Es war sehr schnell eine große Vertrautheit in beiden Gruppen entstanden. Der O-Ton: „Hier sind Menschen, die mich verstehen, weil wir Ähnliches durchgemacht haben.“, macht deutlich, dass der Austausch und die Vorbereitung in getrennten Gruppen besondere Bedeutung für die Teilnehmenden hatte. Hier war es zwingend erforderlich, den Gedanken und Emotionen den nötigen Raum zu geben. Einzelne Fragestellungen haben die Teilnehmenden als Gedankenanstöße zum Reflektieren mit nach Hause oder auf den Haftraum genommen und in der darauffolgenden Sitzung darüber berichtet.

Angst, dass der Täter wieder rauskommt

Aus den Erkenntnissen wird für den nächsten Durchgang mehr Zeit und eine zusätzliche Vorbereitungssitzung einzuplanen sein. Beiden Gruppen ist es wunderbar gelungen, sich gegenseitig wertschätzend und offen zu zeigen, aber auch Momente tiefen, betroffenen Schweigens zu tragen und zu fühlen. Fragen von Betroffenen wie beispielsweise „Denkt man als Täter überhaupt vor der Begehung der Tat über die Folgen für die betroffene Person nach oder geht es in dem Moment nur um die Befriedigung des eigenen Bedürfnisses?“ wurden genau so offen besprochen, wie die Lebensgeschichte eines Inhaftierten mit eigenen frühkindlichen dramatischen Opfererfahrungen. Ein Teilnehmer, der Betroffener einer schweren Körperverletzung geworden war, hat formuliert: „Ich habe immer so eine Angst, dass der Täter wieder rauskommt und so einen Hass auf mich hat, weil er wegen mir im Gefängnis sitzt. Können Sie mir dazu etwas sagen?“ war ein Schlüsselmoment, weil die teilnehmenden Inhaftierten sich solche Gedanken und Fragen der Betroffenen nicht haben vorstellen können. Eher würden sie große Scham für das, was sie den Betroffenen angetan haben, empfinden, sodass sie niemals auf den Gedanken kämen, die Betroffenen aufzusuchen, sondern vielmehr versuchen würden jeden Kontakt zu vermeiden. Hier konnten auf einer Seite das Einfühlen in die Gedankenwelt der Betroffenen für StraftäternInnen gewonnen werden und dem Betroffenen eine persönliche Sorge genommen werden.

Sicht der Betroffenen

Zum Abschluss bekamen alle Teilnehmenden einen dreiseitigen Fragebogen mit, den sie sechs Wochen später zum Nachsorgetreffen mitbringen konnten. Hier ging es um Fragen zur allgemeinen Zufriedenheit, der Motivation und der Ziele, Veränderungen im Laufe des Projekts und danach, positive Aspekte, negative Aspekte, Bewertung der Treffen in der „eigenen“ Gruppe, Bewertung des gemeinsamen Treffens in der JVA, Rückblick auf die erlebte/ausgeübte Tat und offen gebliebene Wünsche. Hier wurde als besonders eindrücklich genannt, die Perspektive der anderen Gruppe persönlich zu hören, Fragen beantwortet zu bekommen und etwas zurückzugeben an die Gesellschaft. Die Sicht der Betroffenen zu erleben und im Kontakt zu spüren. „Dies habe ihn für Tage berührt und nachdenklich gemacht“, schrieb ein Inhaftierter. Ein Zitat eines anderen Inhaftierten: „Es war erschreckend zu sehen, wie die Folgen einer Tat Menschen ihr Leben lang begleiten, auf beiden Seiten.“ Ein Inhaftierter mit mehr als siebenjähriger Hafterfahrung hat deutlich gemacht, dass er sehr viel Therapie- und Behandlungserfahrung im Vollzug gesammelt hat, sich theoretisch mit seiner Tataufarbeitung und der Perspektive der Betroffenen beschäftigt und sich mit anderen Straftätern darüber ausgetauscht hat. Die Begegnung mit Betroffenen und das unmittelbare Hören und Begreifen von Tatfolgen sei für ihn jedoch eine ganz besondere und prägende Erfahrung, die er nicht vergessen werde.

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Daniela Hirt, Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH),
Gewaltprävention und Restorative Justice Praktikerin
Daniel Rilli, Leiter des Sozialdienstes der JVA Bielefeld-Brackwede

Quelle: Justiz Newsletter
Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzuges | Ausgabe 37, Mai 2023

 

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