Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist darauf ausgerichtet, den Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dabei ist der Fokus auf die Auseinandersetzung des straffällig Gewordenen mit seinen Straftaten und ihren Folgen zu richten. Die meisten Länder haben in ihren Justizvollzugsgesetzen darüber hinaus mittlerweile die Berücksichtigung von Opferbelangen verankert, indem festgeschrieben wird, dass das Bewusstsein des Täters für den dem Opfer zugefügten Schaden geweckt werden soll. Die Evangelische und Katholische Gefängnisseelsorge sowie die Bundesvereinigung der AnstaltsleiterInnen e.V. (BVAJ) haben eine gemeinsame Erklärung hierfür herausgegeben.
Das Bekenntnis zur „Restorative Justice” verfolgt über den sanktionierenden Grundgedanken des Strafrechts hinaus das Ziel der Befriedung und der persönlichen Entwicklung aller Beteiligten. Resozialisierung und Einbeziehung geschädigter Personen schließen sich nicht aus, sie können sich im Sinne einer sozialen Integration vielmehr ergänzen. Die Aufarbeitung eines Tatgeschehens wird durch die Bewusstmachung der Tatfolgen sowie deren Bewältigung umso nachhaltiger wirken. Die Durchführung eines auf Wiedergutmachung und Opferorientierung abzielenden Justizvollzuges nimmt die Straftäter vermehrt in die Verantwortung, ihre Handlungen mit Blick auf die Folgen für andere Menschen zu ändern.
Wiedergutmachung…
Dabei kann sich das Prinzip des opferorientierten Vollzuges und damit auch das Ziel der Annäherung und Wiedergutmachung auch auf Opfer im weiteren Sinne beziehen. Nicht nur das unmittelbare Opfer, das unter den Folgen der Straftat zu leiden hat, sollte hier in den Fokus genommen werden. Als mittelbare Opfer können genauso Angehörige sowie die Gesellschaft an sich gelten. Während dem Straftäter in der Beziehung zum unmittelbaren Opfer die individuellen Folgen verdeutlicht werden sollten, um Reue und Verständnis zu wecken und im besten Falle eine Entschuldigung bzw. Vergebung zu erwirken, kann mit Blick auf die Gesellschaft eine gesamtgesellschaftliche Wiedergutmachung z.B. durch gemeinnützige Arbeit und Projekte erfolgen.
Nicht außer Acht gelassen werden sollten zudem die Folgen der Straftat, die sich für mittelbar Betroffene wie z.B. Kinder oder Angehörige ergeben. All diese Aspekte sollten in eine umfassende Straftataufarbeitung einbezogen werden, um einerseits das Verständnis des Täters für die Folgen seiner Taten, andererseits aber auch das Verständnis von Opfer, Gesellschaft und Angehörigen für straffällig Gewordene zu wecken. An dieser Stelle verfolgen Anstaltsleitungen und Seelsorge ähnliche Ziele. Während der Strafvollzug primär die soziale Integration der Straftäter verfolgt, dies jedoch durch eine Opferorientierung zielführender und nachhaltiger erwirken kann, zielt die Arbeit der Seelsorge auf Wiedergutmachung, Vergebung und Versöhnung, welche jedoch auch abhängig von der inneren Haltung des Straftäters sind.
Verantwortung aller Akteure
Insoweit bekennen sich die Bundesvereinigung der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter sowie die Katholische Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. und die Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland zu den Grundsätzen der „Restorative Justice”. Es besteht Einigkeit darüber, dass durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Anstaltsleitung und Seelsorge, aber auch durch konkrete Projekte, die individuell in den Anstalten entwickelt werden können, dieses Ziel gemeinsam verfolgt werden kann. Ein solches Vorgehen soll durch die Anstaltslleitungen proaktiv unterstützt werden. Auf diese Art kann das gemeinsame Ziel, die Straftäter auf ihrem Weg in ein straffreies Leben in sozialer Verantwortung auch und gerade für die Opfer zu unterstützen, gefördert werden. Unter Annahme der Verantwortung für Opfer und Gesellschaft und durch Anstreben von Versöhnung und Vergebung vermag eine ganzheitliche gesellschaftliche (Re-)Integration zu gelingen. Hierfür tragen alle Akteure des Strafvollzuges gemeinsam Verantwortung.
Mai 2023
Da wir langfristig an dem Thema Opferorientierung im Justizvollzug interessiert sind, bitten wir um Beiträge aus der Vollzugspraxis an eine der E-Mail Adressen.