Die Arbeitsgemeinschaften Sicherungsverwahrung trafen sich nach Corona-Unterbrechung Ende Oktober in der niedersächsischen Justizvollzugsanstalt Rosdorf. An diesem Ort ist die Sicherungsverwahrung (SV) in Niedersachsen untergebracht. Das Treffen dient dazu, sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen sowie sich über die Schwierigkeiten in der Arbeit mit dem Klientel in der Sicherungsverwahrung auszutauschen. Beides hat miteinander zu tun, was nicht verwundern dürfte. Sicherungsverwahrung wird neben der Strafe angeordnet. Das bedeutet, dass der Täter zunächst seine Gefängnisstrafe absitzen muss und (obwohl er dann seine Strafe verbüßt hat und deshalb eigentlich wieder freikommen müsste), kommt er dennoch nicht frei.
Sicherlich hat ein Großteil der Klientel eine Fülle diagnostizierter Persönlichkeitsstörungen. Hinzu kommt nicht selten nach Jahren in geschlossenen Einrichtungen soziale Zurückgezogenheit und ein deutlich gemindertes Interesse, sich auf Dinge erneut einzulassen. Soziale Kompatibilität ist ebenfalls durchaus ein Problem und ständiges Angesprochen-Werden (Motivierungsgebot) verstärkt nicht selten die Abwehr. Die leitende Psychologin stellte eindrücklich dar, dass das ursprünglich umfangreiche therapeutische Konzept, so kaum zu realisieren war und für Frust auf beiden Seiten sorgte. Viel besser funktioniert es, seit dem der Aktionismus runtergefahren wurde und eher basale Angebote gemacht werden. Das habe dafür gesorgt, dass der Kontakt besser wurde und einige Untergebrachte sich auf den Weg gemacht haben.
Forensische Ambulanz oder Dressur?
Dem Anstaltsleiter, Herrn Janke, ist schon wichtig, selbst mit dieser Klientel in Kontakt zu sein, wenn auch mit der Prämisse: „Riskieren wollen wir eigentlich gar nichts.“ Dieser Kontakt zum Klientel wird auch im Urlaub und sogar nach der Entlassung praktiziert. Diejenigen, die mit einem Verwahrten in Haft in einem guten Kontakt waren, führen dies nach Haftende fort. Man bezeichnet das mit dem Begriff „forensische Ambulanz“. In anderen Bundesländern bezeichnet dieser Begriff eher Einrichtungen, die z.B. die antiandrogene Behandlung nach Haftende fortsetzen. Und dann soll es Veränderungen geben. Die Anreize zur Veränderung seien zu gering, wenn es monatliche Ausführungen gebe und der Verpflegungskostenzuschuss bis zu 250 € betrage. Wofür – so die Vermutung – soll sich der Untergebrachte noch anstrengen?
Ich erzeuge einen Mangel, um bei therapiewilligem Verhalten wieder mehr Zugeständnisse zu machen. Ob dieses Konzept, welches mit Änderungen in der SV – Gesetzgebung einhergehen muss, aufgeht, wird die Zukunft zeigen. Es riecht nach „Dressur“, um das, vielfach als unwillig empfundene Klientel „auf Trapp“ zu bringen. Dabei wird der ursprünglich eingeschlagene Weg, die Situation des Sonderopfers in der SV nicht zusätzlich zu beschweren, zu einem guten Stück verlassen. Aus anderen Anstalten konnte von den Teilnehmenden leider nicht von neuen Überlegungen berichtet werden. Manche KollegInnen sehen wenig Bewegung oder aber ein Gehen im Kreis. Bisweilen wird das gepflegt, was ich an anderer Stelle schon einmal als „konfliktuösen Stil“ bezeichnet habe, wo selbst kleine, zuwendende Handlungen der Seelsorge unterbrochen werden. Wem dient das? Und was wird damit befördert? Welche Kultur hat sich an welchen Orten entwickelt? Das sind die richtigen Fragen an dieser Stelle!
Neuanfang am anderen Ort
Im Anschluss an die Tagung wurde mir freundlicher Weise noch ein Besuch mit einem ehemaligen Verwahrten aus Werl ermöglicht. Danke an Stefan Manzeck von der JVA Rosdorf dafür! Er hat sich inzwischen in Rosdorf auf den Weg gemacht. Macht eine Qualifizierungsmaßnahme im Lager und Logistikbereich, lässt sich auf therapeutische Gespräche ein und hat es sogar seit eingen Wochen geschafft, ohne Methadon drogenfrei zu leben. Wenn er von seinen Mitverwahrten angesprochen wird, warum er bei allem so mitmacht, hat er sich folgenden erklärenden Satz zurechtgelegt. „Ihr wisst ja nicht, wie schlimm es in Werl ist!“ Und es ist wohl so: Neuanfänge an anderen Orten haben diese Chance aus verfahrenen Situationen aufzubrechen.
Adrian Tillmanns, JVA Bielefeld–Brackwede | Ehem. Sprecher ev. der AG SV
Titelfoto: Foto: F. Kleine
Die Arbeitsgemeinschaften SV haben 2022 in Bützow ein kommendes Treffen vom 4. bis 6. Juli 2022 ins Auge gefasst. Auf evangelischer Seite steht nach dem Ausscheiden von Adrian Tillmanns, zumindest für ein Jahr Friedrich Kleine aus Hamburg als Ansprechpartner zur Verfügung. Auf katholischer Seite wird weiterhin Michael Kullinat von der JVA Schwalmstadt für die Arbeitsgemeinschaft Sicherungsverwahrung tätig sein.