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Der Sonntag als ein freier Tag zum Abschalten

28. Februar 2021

Anlässlich des Jubiläums „1700 Jahre freier Sonntag“ erinnern die christlichen Kirchen an den bleibenden Wert eines arbeitsfreien Sonntags und die Wichtigkeit seines Schutzes. Am 3. März 321 hatte der römische Kaiser Konstantin den Sonntag zum reichsweiten Feiertag erhoben. Der Sonntag unterbricht den Alltag, gibt dem Leben Rhythmus, schafft individuelle Freiräume, verbindet Menschen und fördert das Gemeinwohl. Im Bewusstsein vieler Menschen ist der Sonntag daher als wichtiges und schützenswertes „Kulturgut“ tief verankert.

Wie sehr Menschen eine „Struktur der Zeit“ brauchen, haben die Erfahrungen der Corona-Pandemie ins Bewusstsein gerufen: Die sonntäglichen Besuche bei der Verwandtschaft oder Angehörigen im Pflegeheim konnten nicht stattfinden, die Fußballmannschaft der Tochter durfte nicht mehr spielen, die Feier von Gottesdiensten waren gar nicht oder nur unter strengen Auflagen möglich. Der Sonntag gibt Gelegenheit zur gemeinsam frei gestalteten Zeit. So gut wie jeder muss sich aber in der Pandemie von Gewohntem und Geschätztem, mitunter sogar Notwendigem, verabschieden. Zugleich verschwimmt mehr und mehr der wichtige Rhythmus zwischen Arbeits- und Freizeiten durch Homeoffice, mobiles Arbeiten oder asynchrone Arbeitszeiten. Digitale Transformation wird nicht nur das Arbeiten verändern, sie wird den Sonntag anders machen, das Miteinander, die Begegnungen, das gemeinsame Feiern, Leben – und womöglich uns selbst. Denn: Die Seele braucht die Unterbrechung des Alltags. Und der Sonntag ist ein Tag zum Abschalten, im wörtlichen wie übertragenen Sinne.

Artikel 140 des Grundgesetzes

1700 Jahre Schutz des Sonntags. Inmitten der Pandemieerfahrungen unterbricht das Jubiläum, lässt uns innehalten, um den Wert des arbeitsfreien Sonntags zu würdigen: Der Sonntag ist in Artikel 140 unseres Grundgesetzes als Tag „der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ gesetzlich geschützt. Der zweite Aspekt ist ein Hinweis auf die religiösen Wurzeln des Sonntags: Für ChristInnen hat der Sonntag seine herausragende Bedeutung als Tag der Auferstehung Jesu Christi. Die ersten staatlichen Maßnahmen zum Schutz des religiös motivierten Feiertags reichen weit zurück: Vor 1700 Jahren verfügte der römische Kaiser Konstantin I. den dies solis (= Tag der Sonne) zum reichsweiten Feiertag und stellte ihn unter besonderen Schutz. Dieser 3. März 321 gilt als der erste Moment staatlicher Sonntagsschutzgesetzgebung.

Andere Religionen kennen Ruhetage

Auch andere Religionen, wie zum Beispiel der Islam und das Judentum, kennen und feiern wöchentlich wiederkehrende Tage der Ruhe, Besinnung und Feier. Die christliche Tradition eines gemeinsamen, regelmäßig wiederkehrenden Ruhetags entstammt dem Schabbat des Judentums, deren zentrale Texte wie die Schöpfungsgeschichte und die Zehn (An)Gebote wesentlich sind. In einem Jahr, in dem ebenfalls 1700 Jahre Judentum in Deutschland gefeiert wird, gilt es zu erinnern, dass neben vielen anderen Werten und Traditionen der Tag ohne Arbeit ein Geschenk der jüdisch-christlichen Tradition an alle Menschen ist. Unter den christlichen Denominationen feiert beispielsweise die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten den Schabbat.

Sich am Sonntag zu treffen, geht auf die neutestamentliche Zeit zurück. In der Apostelgeschichte ist die Rede davon, dass die Gemeinschaft am Sonntag zusammenkam, „um das Brot zu brechen“ (Apg 20,7). Grund dafür war, dass Jesus am dritten Tag nach seiner Kreuzigung, also einem Sonntag, auferstanden war. Gleichzeitig war laut damaliger Zählung der Sonntag der erste Tag der Woche und damit der achte Tag, was für die Anhänger Jesu den Neuanfang symbolisierte.

Den Tag ohne Arbeit können allerdings nicht alle in Anspruch nehmen. Zahlreiche Menschen arbeiten, um die Grundversorgung für alle Menschen aufrechtzuerhalten und unaufschiebbaren Bedürfnissen zu begegnen. So sind in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Justizvollzugsanstalten, im Nahverkehr, an Tankstellen, in der Strom- oder Wasserversorgung, im Nachrichtenwesen und vielen anderen Bereichen zahlreiche Menschen trotz des Sonntags beschäftigt. Ebenso in Gastronomie, Kultur- und Freizeiteinrichtungen arbeiten Menschen für den Sonntagsgenuss anderer. Diese Tätigkeiten sind keine Selbstverständlichkeiten und sollten auch nicht als solche betrachtet werden. Menschen, die sich trotz des Sonntags oder für den Sonntag betätigen, verdienen Wertschätzung und eine besondere Form der Vergütung oder des Dankes, wenn sie ihre Sonntagsruhe aufgeben, um sie anderen zu ermöglichen.

Verkaufsoffener Sonntag

Sonntagsarbeit ist allerdings keine reguläre Arbeit. Daher sollten Berufsgruppen, die sonntags arbeiten, eng umgrenzt werden, Ausnahmen nur zurückhaltend und auf das absolut Notwendigste beschränkt gewährt werden. Der Sonntag ist kein gewöhnlicher Tag und darf es auch nicht werden. Ohne Arbeit kann der Mensch nicht leben, sie ist notwendig. Doch ist der Mensch nicht für die Arbeit da, sondern umgekehrt. Dies betont Papst Franziskus: „Der arbeitsfreie Sonntag – mit Ausnahme der notwendigen Dienstleistungen – besagt, dass die Priorität nicht im wirtschaftlichen, sondern im menschlichen Bereich liegt, in der Unentgeltlichkeit, nicht in kommerziellen, sondern in familiären, freundschaftlichen Beziehungen, für die Gläubigen in der Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft. Vielleicht ist der Augenblick gekommen, uns zu fragen, ob die Sonntagsarbeit eine wahre Freiheit ist.“

Jeder und jedem von uns kommt die Aufgabe eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Zeit zu. Durch unser eigenes Tun und Lassen entscheiden wir Menschen darüber, welchen Wert und welche Qualität der Sonntag hat. Wie der Staat aufgerufen ist, den arbeitsfreien Sonntag zu schützen und dessen Erosion zu verhindern, so sind wir alle aufgerufen, dafür zu sorgen, dass wir aufgrund des Strebens nach vermeintlicher Freiheit nicht unsere tatsächliche Freiheit aufgeben, die wir in der segensreichen Errungenschaft eines gemeinsamen arbeitsfreien Sonntags besitzen. Denn der Sonntag ist für den Menschen da. Und – wie es Albert Schweitzer formulierte – „wenn Deine Seele keinen Sonntag hat, dann verdorrt sie“.

Aus: Gemeinsames Wort der christlichen Kirchen in Deutschland

 

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