In der vergangenen Woche waren manche Gottesdienste im Rahmen der Libori-Feierlichkeiten im Hohen Dom zu Paderborn im Internet zu sehen oder Menschen haben vor Ort mitgefeiert. Große Einzüge, prächtige Musik, viele Gewänder. Es scheint an nichts zu fehlen, außer an Frauen, denn die durch den Mittelgang schreitenden sind zu mehr als 90 % Männer. Wer sollte auch darüber hinaus fehlen? Es wirkt wie „eine runde Sache“, kaum jemand scheint etwas oder jemanden zu vermissen.
Nicht nur bei diesen Gottesdiensten frage ich mich, was da gefeiert wird oder was wir feiern. Wirklich Jesus? Ich glaube, es kann einen Unterschied machen, ob ich mein „religiöses Gefühl“ befriedet glaube oder ob ich mit Jesus in Berührung komme. So manche seiner Worte befriedeten und befrieden nicht, etwa, wenn er sagt: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen“ oder: „Wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus“ und: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.“ Der sich Zeit seines Lebens nicht mit Prunk hervortat und eher zur Bescheidenheit aufrief, wird recht schnell in Gold gehüllt.
Jesus ist ein Unruhestifter
Mit so manchen gottesdienstlichen Inszenierungen, die eher etwas Höfisches haben, vermag ich ihn nicht zusammen zu bringen. Auch wenn das Höfische nach wie vor Menschen anzieht: Jesus ist nicht wie der englische König, dessen Position rein zeremonieller Natur ist und keinerlei politische Macht beinhaltet. Satt werden meint hier nicht das Stillen der Not des Verhungerns, satt werden meint hier eher Selbstgenügsamkeit, Selbstgefälligkeit. So etwas gab es von Anfang an, nicht umsonst schreibt Paulus im 1. Brief an die Korinther: „Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine Feier des Herrenmahls mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken ist.“ Zusammenkünfte nach dem Motto: Hauptsache, ich werde satt; Hauptsache, mein religiöses Bedürfnis ist gestillt.
Anwesenheit feiern, Abwesenheit aushalten
In jeder Eucharistiefeier werden wir mit einem Zeichen konfrontiert, das wir uns vielleicht zu selten bewusst machen: Unmittelbar nach der Wandlung, gerade dann, wenn wir Christus in Brot und Wein gegenwärtig glauben, beten wir im Lobpreis von Tod und Auferstehung Jesu: „Bis du kommst in Herrlichkeit.“ Wie denn nun: Schon da sein oder erst noch kommen? Nahezu widersprüchlich: Wir feiern Anwesenheit und halten Abwesenheit aus. Eucharistie ist nicht nur Zeichen der Anwesenheit Jesu, sondern auch Zeichen seiner Abwesenheit, sonst würden wir sie so nicht feiern. „Der Durst beweist nicht die Quelle, aber immerhin ihre Abwesenheit…“ (Hans-Joachim Höhn). Und gerade diese Abwesenheit war und ist ein Einfallstor. Menschen (am meisten Männer) sehen sich berufen, die Lücke, die der Tod Jesu gerissen hat, den leeren Platz zu füllen.
Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid.
Durch Lücke sich selbst an den Platz stellen
Dietrich Bonhoeffer hat einmal mit Blick auf Tod und Trauer geschrieben: „Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren.“ Ich glaube, das gilt auch für gottesdienstliche Feiern. Es muss sich in ihnen abbilden um des Zeichen willens, das Jesus selbst setzt, um der Redlichkeit gegenüber menschlichen Erfahrungen willens. Seine Gegenwart annehmend halten wir ihm den Platz frei und setzen uns nicht selbst darauf.
Bernd Mönkebüscher | Joh 6, 24-35