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Corona-Deklaration: Seelsorge in den Gefängnissen weltweit

26. Januar 2021

Julian in der Capellania des Gefängnisses „San Juan de Lurigancho“ in der peruanischen Hauptstadt Lima. Foto: Achim Pohl.

Die Internationale Vereinigung der Gefängnisseelsorgenden IPCA (International Prison Chaplains Association) äußert sich besorgt über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Seelsorge für die Menschen in den Gefängnissen der Welt. Es hat lange Tradition, dass IPCA nach ihren Konferenzen Deklarationen zu Kongressthemen herausgibt. Da wegen der Coronapandemiesituation die Weltkonferenz abgesagt werden musste, legten die Beteiligten ihn der Zoom Konferenz (Keeping Hope Alive!) von IPCA worldwide vor, die diesen Text als offizielle IPCA Deklaration annahm und verabschiedete. Es geht nicht um die Bedingungen in deutschsprachigen Gefängnissen, sondern um prekäre Situationen weltweit, die durch Corona zum Teil erschwert sind. Die Deklaration wurde von IPCA worldwide bei der UN eingereicht.

Hinter Gittern: Jugendlicher im „Centro de Socioeducacao Dom Bosco“, einem Untersuchungsgefängnis für Straftäter unter 18 Jahren. Fotos: Adveniat

Die Internationale Vereinigung der Gefängnisseelsorgenden IPCA hat eine Corona-Deklartion formuliert und diese an die UN zugesandt. Inhalte sind die Auswirkungen von Covid-19 auf die Seelsorge für die Menschen in den Gefängnissen weltweit. Die Coronavirus-Pandemie stellt die Welt vor eine Herausforderung. Wenn von vulnerablen (schutzbedürftige) Gruppen die Rede ist, sind inhaftierte Menschen selten gemeint. Dabei können Gefängnisse leicht zu Hotspots für COVID-19 werden. In zu vielen Gefängnissen auf der ganzen Welt tötet COVID-19 Menschen entweder direkt oder indirekt. Nach den Nelson-Mandela-Regeln haben Gefangene das gleiche Recht auf Gesundheit wie alle anderen.

Die weltweite Gefängnispopulation wird auf 11 Millionen geschätzt. Zu viele Gefängnisse in zu vielen Ländern sind überfüllt und es herrschen unhygienische Zustände. Insassen haben nicht immer Zugang zu sauberem Wasser. Das Gefängnis selbst ist kaum eine gesunde Umgebung. Lebensmittel sind in der Regel von schlechter Qualität, und an vielen Orten sind sogar Lebensmittel von schlechter Qualität selten. In vielen Ländern sind Insassen auf Familie und Freund*innen angewiesen, um Lebensmittel und anderes Notwendige zu erhalten, insbesondere in Situationen von Untersuchungshaft. Mit dem Lockdown verschwinden diese Möglichkeiten.

Freunde und Familien können aufgrund ihrer Situation außerhalb der Mauern und der Kontaktbeschränkungen nicht helfen. Einschränkungen bei Besuchen von Familienmitgliedern und Freunden, kein Zugang zu GefängnisseelsorgerInnen, Freiwilligen, zu Rehabilitations-Programmen und vielen anderen Beratungsdiensten sowie keine religiösen oder spirituellen Dienste – all dies führt nicht nur zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Gefangene, sondern auch zu geistlicher und spiritueller Not. Das Coronavirus tötet in einigen Teilen der Welt Menschen im Gefängnis und wir sollten alles tun, um diese zu schützen. Aber auf lange Sicht können auch mangelnder Kontakt, das Fehlen von Besuchen sowie religiöser, spiritueller und anderer Fürsorge tödlich sein.

  • IPCA erkennt an, dass die Gefängnisverwaltungen in vielen Ländern ihr Bestes tun, um die Pandemie durch Lockdown-Maßnahmen aus ihren Gefängnissen fernzuhalten, indem der Kontakt mit praktisch allen anstaltsfremden Personen von außerhalb der Mauern minimiert wird. Infolgedessen wurden viele Gefängnisse vor COVID-19 Ausbrüchen geschützt.
  • IPCA unterstützt die Bemühungen zum Schutz des Lebens der Gefängnisgemeinschaft, der Inhaftierten genauso wie der Bediensteten weltweit, bedauert jedoch Einschränkungen, die über das unbedingt Erforderliche hinausgehen und den Zugang zu Arbeitsplätzen und Beratung für Inhaftierte einschränken.

  • IPCA äußert die Sorge, dass viele aus gesundheitlichen Gründen erforderliche Einschränkungen auch dann bestehen bleiben könnten, wenn sie nicht mehr angemessen sind.
  • IPCA ruft die Gefängnisbehörden weltweit dazu auf – wo und wann immer die Möglichkeit besteht – denjenigen, die Unterstützung in Form von religiöser und spiritueller, aber auch anderer Beratung leisten, den Zugang zu Gefängnissen zu öffnen.

 

Michelle Bachelet, die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, hat die Regierungen ermutigt, Inhaftierte, die besonders anfällig für COVID-19 sind, wie ältere Menschen und Straftäter mit geringem Risiko, freizulassen. „Die Inhaftierung sollte ein letzter Ausweg sein, insbesondere während dieser Krise“, sagte sie in einer Erklärung vom 25. März 2020. Experten glaubten, dass es genügend Spielraum für die Freilassung von Gefangenen gibt. In mindestens 46 Ländern weltweit würde die Mehrheit der Gefangenen bisher nicht wegen eines Verbrechens verurteilt. Die Zahlen der in Untersuchungshaft einsitzenden Menschen (vor dem Prozess) sind hoch. Beispielsweise befindet sich ein Drittel der beträchtlichen Gefängnispopulation Brasiliens in Untersuchungshaft. (Quelle: The Lancet, 2. Mai 2020).

Diese Erklärung wurde beim weltweiten „Keep Hope Alive“ webinar von IPCA am 11. November 2020 mit über 120 TeilnehmerInnen verschiedener Religionen angenommen und verabschiedet.

IPCA Ansprechpartner im deutschsprachigen Raum
Michael Philippi, Vorsitzender IPCA Europa | JVA Freiburg mischiphilippi(at)t-online.de
Martin Faber, IPCA UN-Team | JVA Weiterstadt yogifaber(at)t-online.de
Dr. Frank Stüfen, IPCA UN-Team | JVA Pöschwies frank.stuefen(at)bluewin.ch

 

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