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Anfangen bei null: Reset-Taste. Wenn das so einfach wäre…

10. Februar 2025

Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende auch schon wieder vorbei. Tja. Und mal ehrlich: Mir geht es im Moment manchmal so, dass ich morgens lieber liegenbleiben würde. Decke über den Kopf und weiterschlafen. Welt, bleib bloß da, wo du bist. Denn die Zeiten sind gerade anstrengend.

Es gibt viel Hemdsärmeligkeit in der internationalen Politik. Es geht rauer zu. Staaten konzentrieren sich wieder auf das eigene Wohl. Grenzen werden hochgezogen. Aber ich sehe auch, dass viele Menschen erschöpft und verunsichert sind. Auch in meinem Bekanntenkreis ist das so. Gesprächsfäden reißen gerade ab. Menschen verstummen. Krisenzeiten überfordern und lassen die eigene Haut dünner werden.

Gefangene, die jeden Cent umdrehen

In diesen Wochen habe ich oft an die „Regierungserklärung“ Jesu denken müssen. Regierungserklärung? Genau: Die Bibel erzählt, wie Jesus am Anfang seines Wirkens in seine Heimat kommt und in der Synagoge das Wort ergreift. „Ich möchte den Armen eine frohe Botschaft bringen. Den Gefangenen die Entlassung, den Blinden das Augenlicht und die Zerschlagenen in die Freiheit führen“ sagt er da. Das ist nicht mal seine eigene Idee. Er zitiert einen Propheten, der das schon viele Jahre vor ihm gesagt hat, als die Israeliten in einer tiefen Krise waren. Verschleppt und zerstreut, ohne Heimat. Und ich denke: Wir sind ja wieder in einer Krisenzeit.

Die Armen, das sind heute womöglich die, deren Anliegen von der Politik gerade übersehen werden. Die Gefangenen, das sind vielleicht heute die, die jeden Cent umdrehen müssen, im Supermarkt an der Kasse sitzen und ahnen, dass die künstliche Intelligenz ihren Job demnächst übernimmt. Die Blinden unserer Zeit, das sind vielleicht die, die im Tunnel ihrer Milieus unterwegs sind. Die Zerschlagenen, das sind heute vielleicht die, die die Last der politischen Verantwortung spüren und Angst haben, daran zu zerbrechen. Der Spitzengedanke Jesu ist: Ein „Gnadenjahr des Herrn“ soll es geben. Damit greift er eine zentrale Idee des Alten Testamentes auf: Alle fünfzig Jahre soll es eins geben. Dann sollen Schulden erlassen und Besitz zurückgegeben werden. Anfangen bei null. Werkseinstellung. Reset-Taste.

Gnädiger miteinander sein

„Wir werden euch jagen!“ hat ein Politiker der AfD 2017 gesagt, als seine Partei zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen ist. Gemeint hat er die anderen Parteien. Ein Gnadenjahr, so stell ich mir vor, ist das exakte Gegenteil davon: Es gibt eben nicht mehr Jäger und Gejagte. Die einen, rastlos, gehetzt, übersehen, überfordert oder voller Angst. Und die anderen mit den Ellenbogen. Gnade bedeutet: Tempo rausnehmen, zuhören, bedächtiger werden, sich Zeit lassen, den anderen wahrnehmen, nicht verächtlich machen, nicht sofort schlecht über ihn denken. Was wäre das ein Aufatmen, würden wir der Aggression dieser Tage die erlösende Energie einer gnädigen Zeit entgegensetzen? Gnade bedeutet: den anderen mit Zuneigung, mit Liebe anschauen. Seien wir doch gnädiger miteinander. Nicht nur an diesem Montagmorgen.

Peter Otten | Kirche im WDR 2

 

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