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An offenen Wunden unserer Zeit: Jesu Weg war ein anderer

26. April 2025

Am Ostermontag ist in der Katholischen Kirche und der ganzen Welt die Stimme eines Papstes für immer verstummt, der den Mut hatte, sich offen gegen den Irrsinn der Kriege und das Machtgehabe führender Männer – in der Politik wie in der Kirche – zu stellen und klar die Entrechteten, Armen, Straffälligen und Geflüchteten in die Mitte der Aufmerksamkeit brachte, so wie es Jesus tat.

Am Osterfest, einen Tag vorher, waren seine letzten Worte ein brüchiger Segen über diese so verwundete Welt. Doch wenige Tage nach Franziskus Tod am Ostermontag 2025 melden sich führende Kardinäle mit einer gewissen Genugtuung darüber, dass nun „ein Kapitel in der Geschichte der Kirche abgeschlossen ist“, so der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller in Rom. Sie wollen vor dem Konklave sicherstellen, dass Tradition und Lehre der katholischen Kirche in ihrem Sinne wieder zur Geltung kommen – und meinen damit ihre eigenen Machtprivilegien, die Franziskus überwinden wollte.

Ein Papst, der leutselig war

Ein Papst, der regelmäßig Gefangenen die Füße wusch, dessen erste Reise nach Lampedusa ging, wo er einen Kranz ins Meer warf in Trauer über den Tod so vieler Geflüchteter, der die Kirche als „verbeult“ bezeichnete und auf die prächtigen roten Schuhe seines Vorgängers verzichtete, der nicht richten wollte über schwule Menschen, der den Segen für queere Paare ermöglichte und Frauen in Führungspositionen nahm, war zwar in der Spur Jesu unterwegs, passte aber überhaupt nicht denen, die in so einer Kirche tatsächlich um ihren Einfluss und ihre Macht als selbst ernannte oberste Glaubenshüter fürchten mussten.

Dieses Machtgehabe von einflussreichen Männern der katholischen Kirche zeigt, wie sehr die Kirche selbst verwundet ist. Auch in ihr gibt es die „Trumpisten“, die sich über Menschenrechte hinwegsetzen, um die eigene Macht zu sichern. Und das nicht nur in Rom. Der Missbrauch in der Kirche hat hier seine Wurzeln und er reicht bis in Ortsgemeinden hinein. Bevormundung, Abwertung, Kontrolle, Herrschaft kommen manchmal sehr subtil daher und hinterlassen Menschen beschämt, ausgegrenzt und verurteilt.

An Wunden nicht vorbei gehen

Natürlich gibt es auch die anderen, jene, die Barmherzigkeit und Versöhnung leben. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen von dem öffentlichen Getöse der Mächtigen, denn die, die vor Ort handeln, oft ohne großen Einfluss, die miteinander teilen und aufeinander achten ohne Gewalt, sind mehr. Es sind Menschen, die trotz alle dem auf die Kraft der Bewegung Jesu setzen, die aus dieser Kraft neue Wege gehen und viele ermutigen mitzugehen. Einer von ihnen war der im vergangenen Jahr verstorbene Limburger Bischof Franz Kamphaus, er schrieb zum Evangelium der Begegnung des „ungläubigen“ Thomas mit dem Auferstandenen: „Am christlichen Glauben überzeugt mich nichts so sehr wie diese Wahrheit: Unser Gott geht an den offenen Wunden nicht vorbei, er trägt sie selbst. Und er hat die Kraft, sie zu wandeln. Daran ist er zu erkennen. Thomas tastet sich vor, will greifen und fassen, aber dann wird er ergriffen vom Unfassbaren und Unbegreiflichen: ‚Mein Herr und mein Gott‘.“

Jesu Weg war ein anderer

Selig, sagt Jesus, sind die, die nicht sehen und doch glauben. Angesichts vielfältiger Verwundungen, Angst, Trauer und Leid können wir nicht sehen, wie Versöhnung und Heilung geschehen können. Dann neigen wir dazu, auf erfahrenes Leid mit Leid zu reagieren, so meinen wir, Kriege nur mit noch mehr Waffen, fremde Lebensweisen durch Ausgrenzung und Meinungsstreit mit Machtworten beenden zu können. Und wir glauben, alles im Griff zu haben. Doch Jesu Weg war ein anderer: er rührte die Menschen an, wo sie verwundet waren, und richtete sie auf. Seine Botschaft war voller Zutrauen, dass Gott in bedingungsloser Liebe sich ins Herz des Menschen verschenkt. Wer auch immer neuer Bischof von Rom wird, diese Bewegung Jesu ist nicht aufzuhalten. Lasst uns sie leben an den Wunden unserer Zeit, immer wieder neu und trotz alle dem!

Christoph Kunz | Johannes 20, 19–31

Hintergrund

Papst Franziskus öffnet am 26. Dezember 2024 die Heilige Pforte im Rebibbia-Gefängnis in Rom. Zum ersten Mal in der langen Jubiläumstradition, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, öffnet der Papst ein fünftes heiliges Portal in einem Gefängnis als symbolisches Zeichen, das alle Gefangenen einlädt, mit Hoffnung und neuem Vertrauen in die Zukunft zu blicken.

 

2 Rückmeldungen

  1. Rey sagt:

    Im Gottesdienst des Jugendvollzuges fragt plötzlich mitten hinein und unvermittelt ein Jugendlicher, „wann wir denn eine Schweigeminute für den verstorbenen Papst machen?“ Inhaltlich vorausgegangen ist die Beschäftigung mit schwarz-weiß Denken und der Verlust von geliebten Menschen. Die Musik und den Text des Musikers Joris (Song schwarz-weiß) wurde eingespielt, indem es heißt:

    „Wir können denken, können sehen. Wie selbstverständlich wir das nehmen. Wir machen Liebe, machen Krieg. Es gibt Verlust und es gibt Sieg. Warum sehen wir immer noch schwarz-weiß? Ich denk‘ drüber nach bis ich fast nichts mehr weiß. Ich glaub‘ das werden wir erst verstehen. Wenn am Ende der Vorhang fällt. Wir werden lächelnd weitergehen.“

    „Der Papst war auf unserer Seite“, meint der Gefangene. „Er hat Inhaftierten die Füße gewaschen…“, sagt er. Ein anderer Gefangener fügt hinzu: „…gewaschen und geküsst. – Das war ein guter Mann“, ergänzt er. So stehen wir nach dem Vaterunser-Gebet schweigend eine Minute da und gedenken dem Mann der Kirche, der die Menschen ernst nahm und der nicht in schwarz-weiß Denken verfiel, sondern die Zwischentöne suchte und zuhörte.

  2. Klaus Scheunig sagt:

    Da sitze ich. Sehe die Trauerfeier. Wen führt Franziskus doch noch einmal alles zusammen!? An diesem sonnigen Morgen zwischen den Kolonaden vor St. Peter. Wie eine Umarmung. Die Welt irgendwie eins. Ganz kurz. Still. Vor dem Geheimnis des Lebens. Mir bleibt dieses Bild. Vom Abschied. Eine Frau inmitten all dem liturgischen Getriebe.

    Den Männern in Gewändern. Mit goldenen Kreuzen. Kopfbedeckungen, die sie größer machen als sie sind. Dem Protokoll zum Trotz. Schlicht steht sie da. Mit Rucksack am Sarg. Beweint sie den toten Freund. Eine Freundin von Franziskus. Sie lebt das Evangelium. Dort wo Menschen ausgegrenzt werden. Grenzenlos. Jahrzehntelang ist sie in Rom im Einsatz. Unter Zirkusleuten, Obdachlosen und bei Transgender-Menschen.

    Was wäre würde sie ins Konklave ziehen!? Und all ihre Gefährtinnen. Was bleibt!? Bei all den Nachrufen. Einordnungen. Bewertungen. Den unsäglichen Worten, derer die Franziskus ablehnten und es noch immer tun. Vielleicht das. Grenzenlos. Weit sein. Leben was leben lässt. Dass Kinder Zukunft haben. Frieden eine Chance. Religionen zusammen finden. Bleibt Auftrag und Verpflichtung.

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