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Einsichten in die Akte Jesus N. hinter Gittern

1. März 2020

„Die Botschaft des Engels am leeren Grab“. Ein Foto von Thomas Georg Blank, der sich mit der „Mondkamera“ – einem legendären Kameratypus – für den fotographischen Teil des Bibelkurses verantwortlich zeichnete.

„Wenn ich nur wüsste, wie ich die 23 Stunden täglich allein in meinem Haftraum rumkriegen soll… Kein Fernsehen, kein Besuch?“ Diese Frage stellte mir ein Inhaftierter aus Südamerika. Auf seinem Tisch lag eine Bibel in seiner Sprache und so schlug ich ihm vor, den einen oder anderen Psalm abzuschreiben. Die Wörter und Sätze dabei ganz bewusst wahrzunehmen und den Text schreibend zu beten. Plötzlich erinnerte ich mich an einen Bibelkurs, den wir in Brasilien als Glaubensvertiefung für Interessierte angeboten hatten. Das Besondere daran war, dass die TeilnehmerInnen die Antworten auf Fragen rund um die Person Jesu aus den Evangelien nicht lesen, sondern abschreiben und in Szene setzen. Dieser Kurs war der Anfang für den spannenden Weg zum Projekt „Bibel hinter Gittern“.

„Die Heilung des Blindgeborenen“ ins Szene gesetzt und fotografiert.

Im Gespräch haben wir festgestellt: Es gibt Ereignisse im Leben von Jesus, die sind vielen Inhaftierten nicht fremd. Ausgehend von der Leidensgeschichte – Verhaftung, Anklage, Verurteilung, Hinrichtung – haben wir das Leben und die Verkündigung Jesu deshalb durch die strafrechtliche und vollzugliche Brille betrachtet. Wir hoffen, dass die Teilnehmer durch diesen Kurs Jesus kennen lernen als einen, der mitfühlen kann mit ihren Sorgen (Hebr 4,15).

Die Gemeinsamkeit mancher Erfahrungen soll neugierig machen auf die inhaltlichen Unterschiede: Was hat er eigentlich getan und weshalb? Warum wurde er dafür verurteilt? Was unterscheidet den Paten Jesu von Marlon Brando? Wer hat mitgemacht bei seinen Streifzügen? Warum ging das nach seiner Hinrichtung weiter? Die Antworten geben die Evangelien. Wir haben eigentlich nur versucht, gute Fragen dazu zu finden. Damit keiner mit seinen Fragen allein bleibt, gibt es als zweite Säule des Kurses neben der persönlichen Bibelarbeit die Gruppe, in der über das Gelesene gesprochen wird.

Die Zielsetzung bestand darin, Fotos und Texte zu je drei Sonntagsevangelien der Fastenzeit zusammenzutragen und gemeinsam zu präsentieren. Die konkreten Bibeltexte im hiesigen Projekt waren: „Die Versuchung Jesu“ aus dem Matthäus Evangelium. „Die Heilung des Blindgeborenen“ (Johannes Evangelium) und „Botschaft des Engels am leeren Grab“ (Matthäus, Ostern). Durch die Art und Weise der wöchentlichen Treffen konnte sich jeder Teilnehmer bei der Textinterpretation frei entfalten und seinen Gedanken ganz persönlich Ausdruck geben.

So war man stets in den Entwicklungs- und Entstehungsprozess eingebunden. Alle Ideen wurden gesammelt, was als Grundlage für die dann anstehende fotographische Realisation Verwendung fand. Hier war zu entscheiden, ob die Bilder in Polaroid oder in analoger Schwarz-Weiß-Fotographie entstehen sollten. Fazit: Ein bereicherndes Projekt, das Spaß machte, neue Pfade beschritt und unbedingt einer Wiederholung bedarf! Bibelkurs als Dokument…

A. Gessner | JVA Weiterstadt

 

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