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Besuch in einem Berliner Abschiebegefängnis

4. April 2019

Der Mann gibt mir seine Hand und fragt mich, wie ich heiße. Er möchte, dass ich ihn besuche. „Kannst du nochmal kommen? Meine Nummer ist 137.“ Nummer 137 begegnet mir im Gottesdienst in der Abschiebehaft. Nummer 137 ist ein Mann aus einem Land in Afrika. Er soll bald abgeschoben werden. Bis zu der tatsächlichen Abschiebung ist er aber im Abschiebegewahrsam in Berlin-Köpenick, einem ehemaligen DDR-Gefängnis, eingesperrt. Kirsten Johlinger begleitet den Seelsorger Bernhard Fricke von „Asyl in der Kirche“.

Der Abschiebeknast, wie meine Kollegen von „Asyl in der Kirche“ das Gebäude nennen, ist ein grauer Kasten, umgeben von einer Mauer. Ein bisschen Stacheldraht gibt es auch. Draußen ist ein Käfig, in dem man Basketball spielen kann. Im Keller des Gebäudes haben die Seelsorger ihr Büro. Vor dem Fenster sind Gitterstäbe. Einer der Seelsorger ist Bernhard Fricke. Er besucht die Menschen in Abschiebehaft und hält Gottesdienste. Die Gottesdienstteilnehmer werden als Nummern und nicht als Namen aufgeschrieben. Bernhard Fricke bestätigt, dass es nicht die freundlichste Art sei: „Es würde sonst aber alle wahnsinnig machen.“ Die Inhaftierten haben nicht-europäische Namen und sind meistens nicht sehr lange da. Es sei also zu kompliziert, sich die Namen zu merken, so Bernhard Fricke. Im Gottesdienst werden aber keine Nummern gebraucht. Wenn der Pfarrer jemanden fragt, ob er einen Bibeltext in seiner Sprache vorlesen möchte, spricht er ihn mit seinem Namen an. Es gibt viele verschiedene Sprachen in diesem Gottesdienst. Es ist das erste Mal, dass ich das „Vater unser“ auf Serbisch höre.

Die Menschen in dem Abschiebegefängnis verbringen die meiste Zeit auf ihrer Etage. Dort darf man sich frei bewegen. Nach draußen geht es aber nur für 90 Minuten am Tag. Ein Handy ist erlaubt, es darf aber keiner Internet oder eine Kamera haben. In einem normalen Gefängnis ist ein Handy zwar nicht erlaubt, dafür hat aber jeder das Recht auf einen Anwalt. Menschen, denen die Abschiebung droht, nicht. Ein großer Teil der seelsorgerischen Arbeit besteht deshalb aus der Rechtsberatung. Wenn die Seelsorger eine Chance sehen, jemand „aus dem Knast zu holen“ wie Bernhard Fricke sagt, bemühen sie sich, einen Anwalt zu finden.

Von Familien kommt „nur“ der Vater in Haft

Manchmal sollen Menschen abgeschoben werden, die schwer krank sind. Für sie gibt es aber in dem Land, in das sie abgeschoben werden sollen, keine Medikamente. Dann setzen sich die Seelsorger dafür ein, dass der Patient bleiben kann. „Denn sonst kann man ihn ja gleich in Deutschland sterben lassen“, so einer der Seelsorger. Wenn Familien abgeschoben werden sollen, kommt häufig „nur“ der Vater in Haft. Damit wird einerseits verhindert, dass Kinder eingesperrt werden, andererseits geht der Staat davon aus, dass die Mutter nicht mit den Kindern untertaucht, wenn der Vater eingesperrt ist. In dem Gefängnis gibt es einen Familienraum, in dem der Vater dann besucht werden kann.

Um in einem normalen Gefängnis zu landen, muss ein Gericht eine Straftat mit einem Freiheitsentzug bestrafen. Für die Abschiebehaft braucht man „bloß“ ‚zur Ausreise verpflichtet‘ zu sein. Wenn diese Ausreise aber noch nicht möglich ist, zum Beispiel wegen fehlender Papiere, geht es ins Abschiebegefängnis. Um eingesperrt zu werden, reicht aber auch schon der Verdacht, an der eigenen „Ausreisepflicht“ nicht mitarbeiten zu wollen. Einmal eingesperrt, erwartet die Menschen Langeweile, das Gefühl ungerecht behandelt zu werden und die quälende Unsicherheit über die Zukunft.

Der Gottesdienst ist zu Ende. Ich verlasse das Gefängnis, das Tor schließt sich hinter mir. Ich war nur einmal auf Besuch, um zu sehen, wie es in der Abschiebehaft aussieht. Was aus dem Mann mit Nummer 137 werden wird, weiß ich nicht. Er weiß es wahrscheinlich auch nicht.

Kirsten Jöhlinger | Freiwilligendienst bei Asyl in der Kirche e.V. + Geschäftsstelle von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.

 

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