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Ochse und Esel werden in der Knast-Krippe gesucht

11. Juli 2024

Ochs und Esel, die beiden tierischen Zeugen von Jesu Geburt fehlen noch in der sozialkritischen Knast-Krippe im Jugendvollzug der JVA Herford. Die ungewöhliche Weihnachtskrippe wurde gemeinsam mit jugendlichen Gefangenen durch den Holzbildhauer Rudi Bannwarth aus dem baden-württembergischen Ettlingeweier gestaltet. Die Dreikönige sind ein Bediensteter, die Freundin eines Gefangenen und eine Rechtsanwältin mit Aktenordner. Das Jesuskind ist ein Inhaftierter mit der Anstaltskleidung, der auf dem Bett sitzt. Aber wer könnten der Esel und der Ochse in der Knastkrippe verkörpern?

Die beiden Tiere werden nirgendwo im Neuen Testament der Bibel genannt. Erwähnt werden nur Hirten und ihre Schafe. Im Knastkontext sind die Hirten kartenspielende Gefangene im Freistundenhof. Im Lukasevangelium, das die Weihnachtsgeschichte erzählt, tauchen die Tiere gar nicht auf. Dort ist nur von einem Stall und einer Futterkrippe die Rede, in die Maria ihr neugeborenes Kind legt. Nach Deutung einiger Historiker gehen die Tiere auf das Alte Testament zurück, auf einen Vers im Prohheten-Buch Jesaja, in dem es heißt: “Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.” Demnach wären beide Tiere an der Krippe allegorisch, als Hinweis auf den besonderen Status des Kindes in der Krippe. Alternative biblische Erzählungen hatten bis zur Reformation großen Einfluss – selbst in kirchlichen Kreisen. So ist bekannt, dass der Dominikanermönch Jacobus de Voragine um 1264 eine Sammlung von biblischen Geschichten in lateinischer Sprache herausgab, die sich als Volksbuch in ganz Europa verbreitete. In diesem nahm er einige Geschichten aus dem Pseudo Matthäus-Evangelium auf – auch die vom Ochs und Esel.

Esel

Aus großen dunklen Augen guckt das Viech über das Gatter, störrische Haare versperren den Blick auf das heilige Kind, graues Fell, dürre Beine. So ist der Esel auf vielen Krippendarstellungen abgebildet. In der Ecke des Bildes, hinter dem Körper des Ochsen, ein Symbol für das Närrisch-Naive. Ein dummer Esel. Daran erinnert täglich das milde Schimpfwort und die Eselsbrücke für Begriffsstutzige. Schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte domestiziert, war sein Besitz ein Zeichen von Reichtum. So ist es auch in der Bibel. König David reitet auf ihm. Das Kind aus der Krippe reitet, erwachsen geworden, auf einem Esel nach Jerusalem. Er reitet als Nachfahre Davids auf dem Tier. Esel sind belastbar und trittsicher in unwegsamem Gelände. Sie gelten als störrisch, zugleich sind sie sehr geduldig. Im offenen Vollzug des „Centre pénitentaire de Givenich“ in Luxemburg wird die tiergestützte Therapie mit Eseln angeboten.

Ochse

„Du Ochse“ ist ein Schimpfwort, genauso wie „Du Esel“. Ein Ochse wird in manchen Ländern vor den Karren gespannt, wenn es um das Pflügen oder das Ziehen eines großen Wagens geht. Ochsen sind männliche Rinder und strahlen große Potenz-Kraft aus. Sie reagieren aber meistens sehr behäpig. „So wie die Justiz langsam im Gerichts-Verfahren arbeitet“, meint ein junger Gefangener. Die Paragrafenreiterei verhindert oftmals den Blick auf den konkreten Menschen, der auf der Anklagebank sitzt. „Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht andersherum. Dies dies steht in der Bibel“, meint ein Bediensteter. Manche der Gefangenen würden Bedienstete als Ochse gerne sehen, weil sie die Macht hätten. „Doch ganz ist das nicht so“, lacht ein Jugendlicher. „Auch ein Mitgefanegner kann ein ochse sein“, fügt er hinzu.

Knast-Krippe in Telgte

Ochse und Esel gehören irgendwie zur Krippe. Besonders in der sozialkritischen Knast-Krippe kann man über die Tiere und die Figuren aus dem „Heute“ ins Gespräch kommen. Von September 2024 bis Februar 2025 ist die Herforder Knast-Krippe in der großen Krippenausstellung in Telgte bei Münster zu sehen. Die über 80jährige Geschichte des westfälischen Museums RELíGIO in Telgte setzt den Schwerpunkt auf die Sammlung von Krippen und christlicher Alltagskultur. Ob bis dahin Ochs und Esel dabei sein werden? Dies hängt noch von der Finazierung ab. Der Holzbildhauer Rudi Bannwarth würde sich ins Zeug legen, termingerecht zur Ausstellungseröffnung am 9. November 2024 die Krippe zu vervollständigen. Gerne können Sie eine Spende dafür tätigen…

 

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