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Wie viel Gefängnis braucht Nordrhein-Westfalen?

18. Mai 2022

Im Friedensbildungswerk Köln fand zur Landtagswahl ein Gespräch über die Zukunft der Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen statt. Hintergrund der Veranstaltung ist der schlechte Bauzustand vieler Gefängnisse in NRW und der damit verbundene Sanierungsbedarf. Es wurde die Frage gestellt, wie viel Gefängnis NRW eigentlich braucht. Dabei haben sich Fragen nach der Entkriminalisierung von Drogen, dem Umgang mit Ersatzfreiheitsstrafen sowie der Armutsbestrafung aufgetant. Eine Zusammenfassung von Klaus Jünschke, der lange Zeit im Anstaltsbeirat der Köln-Ossendorf aktiv war und Einblick in das Innenleben von Gefängnissen hat.

Der Bauzustand vieler NRW Gefängnisse ist dramatisch schlecht. Rund 8000 Haftplätze von rund 18 500 Plätzen im Land entsprechen nicht mehr den baulichen und vollzugsrechtlichen Anforderungen, rund 43 Prozent. Betroffen sind 19 von 43 Gefängnissen in NRW, 16 der Anlagen sind demnach noch in Altbauten aus preußischer Zeit untergebracht. Daher besteht Sanierungsbedarf, der besonders bei den Anstalten in Iserlohn, Köln, Münster und Willich ausgeprägt sei. Die Kölnische Rundschau berichtet darüber

Würden Politik und Justiz die im § 3 Gestaltung des Vollzuges der Strafvollzugsgesetze der Länder festgehaltenen Grundsätze ernst nehmen, müssten sie 100% der Haftplätze in Frage stellen. Nur Zimmer würden den allgemeinen Lebensverhältnissen entsprechen – Zellen tun es nicht. In Zellengefängnissen kann den schädlichen Wirkungen des Vollzuges nicht entgegengewirkt werden – sie produzieren sie.  Auf der Homepage des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB) wird über den aktuellen Stand des 2014 beschlossenen Justizvollzugsmodernisierungsprogramms informiert. Mit Fotos und Grafiken werden die Projekte JVA Wuppertal-Vohwinkel, JVA Iserlohn, JVA Willich I und JVA Münster vorgestellt. Die JVA Köln fehlt. Der Artikel von Daniel Taab hatte die Überschrift „Keine Haftplatzkapazitäten. Neubau der JVA Ossendorf auf unbestimmte Zeit vertagt“. Dabei lagen die fertigen Baupläne damals schon seit 2018 vor.

Öffentlichkeit bei Planung nicht beteiligt

Gebaut werden soll wieder ein Zellengefängnis mit 1000 Haftplätzen, aber nicht mehr in der Kammbauweise der alten JVA. Die im neuen Gefängnis vorgesehenen 10 qm großen Zellen, mit abgetrennter Nasszelle, sollen in mehreren freistehenden vierstöckigen Gebäuden angeordnet werden. Der Neubau soll im laufenden Betrieb geschehen: quer durch die JVA soll eine Mauer gezogen werden und danach würde die eine Hälfte der alten Gebäude abgerissen und die neuen an ihrer Stelle hochgezogen. Dafür sollen während jedem Bauabschnitt 500 Gefangene in andere Gefängnisse verlegt werden. Weil die Kapazitäten in den anderen großen JVA in NRW dafür nicht vorhanden sind, ist der Neubau der JVA Köln auf die Zeit nach der Fertigstellungen der Gefängnisse Willich I und Münster zurückgestellt. Inzwischen ist die Rede von 2028. Die Öffentlichkeit, die Gefangenen und die Straffälligenhilfe waren an dieser Entwicklung zu keiner Zeit beteiligt.

Dabei ist die Unzufriedenheit mit der alten JVA schon bekannt gewesen, als an einen Neubau noch gar nicht gedacht wurde. Das Kölner Friedensbildungswerk hat daran erinnert: „Im November 1996 hatten über 500 geladene Gäste die Möglichkeit sich das Kölner Gefängnis in Köln Ossendorf von innen anzusehen. Oberregierungsrat Heinz-Werner Haucke, der damalige Abteilungsleiter der Strafabteilung der JVA Köln scheute sich an diesem Tag der Offenen Tür nicht, deutlich auszusprechen, was er von diesem Gefängnis mit seinen 1.100 Haftplätzen hält: ‚Heute würde eine Justizvollzugsanstalt dieser Größe nicht mehr gebaut werden. Zu groß, zu unübersichtlich. Heutzutage würde man lieber drei Einzelanstalten errichten.‘ (Kölnische Rundschau, 18.11.1996)“. Auch der damalige Leiter der JVA, Jörn Foegen, der den Tag der Offenen Tür für die Familien der Bediensteten und die Straffälligenhilfe eingeführt hat, hat in Gesprächen immer betont, dass eine JVA nur so groß sein sollte, dass er als Chef alle, die einsitzen und alle, die darin arbeiten, persönlich kennenlernen kann.

Maßregelvollzug

Im Maßregelvollzug sind die Einrichtungen so klein und so überschaubar wie sich das Jörn Foegen gewünscht hat. Der Maßregelvollzug untersteht allerdings nicht dem Justizministerium, sondern dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und die Insassen sind keine Gefangenen, sondern Patienten. Wenn Straftäter aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer Suchterkrankung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sind und aufgrund ihrer Erkrankung für die Allgemeinheit gefährlich sind, werden sie im so genannten Maßregelvollzug untergebracht. In Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit 14 spezialisierte Einrichtungen, in denen rund 3.000 Patientinnen und Patienten behandelt werden. Köln-Porz ist die mit Abstand jüngste Einrichtung. Sie wurde 2009 eröffnet und hat Platz für 150 Patienten. Hier leben ausschließlich Männer zwischen 19 und 74 Jahren. Etwa die Hälfte von ihnen hat einen Migrationshintergrund. Seit 2006 gibt es im Vollzugskrankenhaus Fröndenberg psychiatrische Abteilungen. Angesichts der Süchtigen in der JVA Köln hat Anstaltsleiter Jörn Foegen in den 1990er Jahre mehrfach öffentlich gefragt „Bin ich Klinikdirektor oder bin ich Knastdirektor?“ Für ihn gehörten Süchtige und psychisch Kranke nicht in den Strafvollzug.

Abschiebehaft

Die Bau- und Liegenschaftsbehörde (BLB) hat auf ihrer Liste der Neubauprojekte nicht nur nicht die Erweiterung der Psychiatrie in Fröndenberg präsentiert, es fehlt auch jeder Hinweis auf das geplante Abschiebegefängnis in Düsseldorf. In NRW gibt es ein Abschiebegefängnis mit 175 Plätzen in Büren. Es gehört zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Es heißt auch nicht mehr Gefängnis oder JVA, wie bis zum Mai 2015, sondern seither „Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige Büren“ (UfA) Der geplante Neubau am Düsseldorfer Flughafen soll Platz für 25 Personen im sogenannten „Ausreisegewahrsam“ (Inhaftierung bis zu 10 Tage) dienen und das Abschiebegefängnis in Büren ergänzen. Gegen diesen geplanten Neubau hat sich ein Bündnis von über 14 Organisationen gebildet. Auch Verurteilungen wegen Bagatelldelikten können für eine Ingewahrsamnahme ausreichen. Daran wird deutlich, dass das Aufenthaltsrecht und insbesondere die Durchsetzung der Abschiebung dazu dienen, Menschen, die bereits strafrechtlich für ihr Vergehen belangt wurden, nochmals aufenthaltsrechtlich zu bestrafen. Die Sensibilität für Flüchtlinge hat in der Bundesrepublik zugenommen, ein annährend entsprechendes Engagement für Strafgefangene gibt es noch nicht.

Strafvollzug

Das nordrhein-westfälische Justizministerium informiert detailliert mit statistische Daten und Grafiken aus dem Bereich des Justizvollzuges. In den 36 selbstständigen Justizvollzugsanstalten mit fünf angeschlossene Zweiganstalten gibt es rund 18.900 Haftplätze. Davon sind rund 4.200 Haftplätze im offenen Vollzug und rd. 14.700 Haftplätze im geschlossenen Vollzug. Fünf Jugendarrestanstalten mit 237 Plätzen, davon 27 für weibliche Jugendliche, fallen auch unter die 18.900 Haftplätze. Im Bundesschnitt sind nur 14% aller Gefangenen im Offenen Vollzug. In Bayern sind es nur 6%. In NRW immerhin 22%. Während der große Anteil des Offenen Vollzugs in NRW positiv hervorsticht, zeigt die Gefangenenrate, d.h. die Anzahl der Inhaftierten von 100.000 Einwohnern, ein negatives Bild: In Deutschland beträgt die Gefangenenrate 69 von 100.000 (Stand 2020). Im Vergleich der Bundesländer auf Basis der Daten des Jahres 2020 hatten Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin mit 95, 88 und 84 von 100.000 die höchsten Werte. Die niedrigste Gefangenenrate unter den Bundesländern hatte Schleswig-Holstein mit 38 von 100.000. Die Sanktionsforscher Frieder Dünkel und Bernd Geng erklären dies damit, dass Schleswig-Holstein „seit jeher eine ‚reduktionistische Einsperrungspolitik‘ betrieben hat.“

Die verschieden hohen Anteile der Plätze des Offenen Vollzugs in den Bundesländern und die deutlichen Unterschiede bei den Gefangenenraten vermitteln anschaulich, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Diese Veränderbarkeit ist aber kein Thema bei der Präsentation der Daten durch die Justizbehörden. Das ist besonders traurig beim Jugendarrest, der 1940 von den Nazis eingeführt wurde. Laura Gammon: „Der Jugendarrest ist nach wie vor ein umstrittenes Sanktionsinstrument, welches trotz aller Kritik im Jugendstrafverfahren als häufigste freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet wird.“ Die Inhaftierten teilen sich wie folgt auf (gerundet): 72 % erwachsene Strafgefangene, 19 % Untersuchungsgefangene, 7 % sind im Jugendstrafvollzug, 6 % sind Frauen, 37 % sind ausländische Gefangene, 1 % Gefangene befinden sich in Sicherungsverwahrung.  Wie der Jugendarrest ist die Sicherungsverwahrung im Nazi-Reich Gesetz geworden: „Erst die Nationalsozialisten setzten mit dem Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 (RGBl. I 995) einen Vorschlag zur Sicherungsverwahrung in die Tat um.“

Marginalisierte Männer unter sich

Das für mich Auffälligste ist, dass das Justizministerium 6% Frauen hervorhebt, statt die 94% Männer. Dass der Strafvollzug Männervollzug ist, darauf muss doch die Hauptaufmerksamkeit gerichtet werden. Diese Geschlechtsblindheit zieht sich durch die ganze Geschichte der Auseinandersetzung mit Kriminalität und Strafvollzug. In den Kriminologischen Wörterbüchern geht es um Jugendkriminalität, Frauenkriminalität, seit neuestem Seniorenkriminalität – es finden sich keine Kapitel über Männerkriminalität. Wer Männerkriminalität googelt, landet sofort bei Beiträgen, wo es wieder um Frauen geht. Öffentlich werden von Frauen und zunehmend auch von Männern seit Jahren gleiche Rechte eingefordert: gleicher Lohn für gleiche Arbeit und 50% der Plätze in den politischen Gremien und in den Aufsichtsräten und Vorständen in der Wirtschaft. 50% Frauen im Strafvollzug ist allenfalls ein Thema auf Seiten der Bediensteten. Mit dem Gleichberechtigungsanspruch kommt man hier offensichtlich nicht weiter. „Wenn Kampf um den Machterhalt des Patriarchats eine Konstante innerhalb der Geschlechterbeziehungen ist, dann haben die Anteilseigner des Patriarchats ein Interesse daran, jede Männlichkeit zu unterdrücken, die die hegemoniale Männlichkeit untergraben könnte.“

Gerlinda Smaus zu den symbolischen Funktionen des Strafrechts: „Aufrechterhaltung der Ressourcenverteilung und der Genderstruktur – Umfassender Schutz der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Gesellschaft – Umfassender Schutz des Eigentums und der Eigentumsverhältnisse – Faktische Adressaten des Strafrechts bzw. die Gelegenheitsstruktur: die „wirklichen“ Adressaten sind vornehmlich Männer der Unterschicht. Frauen haben zu den meisten Begehungsarten keinen Zugang.“ Damit erklärt sich auch, warum zwar seit über 100 Jahren unermüdlich Franz von Liszt zitiert wird, der in einer guten Sozialpolitik die beste Kriminalpolitik sah und das folgenlos geblieben ist.

Kriminalisierung der Armut

Jedes Jahr kommen an die 100.000 Menschen in der Bundesrepublik in Haft. Die Allermeisten wegen kurzen Freiheitsstrafen. 50.000 kommen nur in die Gefängnisse, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt haben. Ein Viertel von ihnen, rund 12.500 sind mehrfach im öffentlichen Nahverkehr beim Fahren ohne Ticket erwischt worden sind. Die Linke und die Grünen haben schon 2018 die Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein gefordert. Da die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag Hoffnung auf die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafen gemacht hat, hat die Linke zu den Ersatzfreiheitsstrafen wegen Fahrens ohne Fahrschein einen neuen Vorstoß im Bundestag unternommen. Die Bundesregierung in der Vorbemerkung zu ihrer Antwort: „Der Jurist Ronen Steinke weist darauf hin, dass Ersatzfreiheitsstrafen mittlerweile die häufigste Form der Freiheitsstrafe sind. Meist gehe es bei den Geldstrafen, die nicht beglichen werden können, um Beträge von wenigen hundert Euro. Betroffen sind ganz überwiegend Obdachlose, Suchtkranke und prekär lebende Menschen, viele von ihnen sind bereits verschuldet (Ronen Steinke, Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz, Berlin 2022, S. 96).“

Wissentlich, dass damit Armut bestraft wird, kam die Bundesregierung zu dem Schluss: „Die Ersatzfreiheitsstrafe stellt grundsätzlich ein wirksames Druckmittel dar, um die Geldstrafe durchzusetzen. Ohne dieses Druckmittel würde bei der Geldstrafe, die eine zentrale Rolle im deutschen Sanktionensystem spielt, die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs grundsätzlich in Frage gestellt.“ Was das Sanktionensystem anrichtet, wird regelmäßig vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht. Da es sich bei den Inhaftierten, die 5 bis über 21 Mal und öfter vorbestraft sind, nur in Ausnahmefällen um wegen schwerster Straftaten Verurteilte handelt, darf angenommen werden, dass auch hier die Inhaftierten, die wiederholt eine Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen haben, überpräsentiert sind. Zumal es sich auch hier nur um Stichtagsdaten handelt. Ein Hinweis darauf, dass es dem Strafvollzug nicht gelingt, die armen Inhaftierten aus dieser Dauerkriminalisierungsfalle zu befreien.

Das Gefängnis sorgt selbst für den Nachschub an Gefangenen. Nachdem jahrzehntelang eine „Ausländerkriminalität“ oder „Asylantenkriminalität“ skandalisiert wurde, glauben viele, dass Kriminalität eine Ausländereigenschaft sei. Da das NRW Justizministerium die Zahl von 37% ausländischen Gefangenen veröffentlicht und im Bundesland nur 16% keinen deutschen Pass haben, wird suggeriert, dass da was dran sein könnte. Nicht berichtet wird, was in den von Schily eingeführten Sicherheitsberichten zu lesen war, dass es einen Zusammenhang von Aufenthaltsstatus und Kriminalisierung gibt. Da auch keine weiteren sozialen Daten erhoben werden, wird ausgeblendet, dass es sich auch hier um Armutskriminalität handelt. Am deutlichsten vermitteln das die Angaben über den Wohnsitz von Gefangenen. Zum Stichtag 31. März 2020 waren von den 46.054 Strafgefangenen 6.187 ohne festen Wohnsitz. Da die Zahl der Obdachlosen und Wohnungslosen in der Bundesrepublik deutlich unter einer Million liegt, sind die Gefangenen ohne festen Wohnsitz mindestens 14-fach überrepräsentiert.

Entkriminalisierung des Drogengebrauchs

Die Armen in Haft sind nicht nur arm und überwiegend männlich, sie sind auch süchtig. Von sich aus machen die Justizverwaltungen dazu keine Angaben. Sozialarbeiterinnen in der JVA Köln schätzen, dass bei den Frauen 70% und bei den Männern 50% süchtig sind. Dabei sind die wenigsten direkt wegen Drogendelikten verurteilt worden. Bekannt ist, dass rund ein Drittel aller Eigentumsdelikte in den Großstädten durch Süchtige verursacht werden, die sich so das Geld zur Finanzierung der Drogen beschaffen. Jörn Foegen hat in den 1990er Jahren erklärt, dass er ein Drittel aller Zellen dicht machen könnte, wenn es in der Bundesrepublik eine an Leidverminderung orientierte Drogenpolitik geben würde. Der Koalitionsvertrag der Ampel und der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, machen Hoffnung auf eine Abkehr von der repressiven Drogenpolitik. Wie aus ersten Interviews von Burkhard Blienert hervorgeht, wird das nicht schnell geschehen.

Schlussfolgerungen

Es ist falsch, neue große Gefängnisse zu bauen. Kleine Haftanstalten, wie in der Forensik üblich, müssen mit Zimmern statt mit Zellen gebaut werden. Wenn der ehemalige Anstaltsleiter Thomas Galli davon spricht, dass nur 10% der derzeit Inhaftierten ins Gefängnis gehören und für alle anderen Alternativen möglich sind, könnte der Bestand an Haftplätzen in NRW um 90% reduziert werden. Mit dem Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) werden nur 1% aller angezeigten Delikte ohne Inhaftierung beigelegt. TOA und Restorative Justice können weit mehr Gefängnisstrafen vermeiden. Die Entkriminalisierung des Gebrauchs aller Drogen, wie in Portugal, die Substitution aller Süchtigen, wie es heute nach der Zulassung von Heroin als Medikament für einen kleinen Teil der Drogenabhängigen möglich ist, würde nicht nur die Zahl der Drogentoten drastisch senken und die Zahl der Strafgefangenen, sondern auch die Zahl der Gewalt- und Eigentumsdelikte. Auf illegalen Märkten werden Konflikte mit Gewalt geregelt. Wenn, wie in Schweden zu Ersatzfreiheitsstrafen nur verdonnert wird, wer Geldstrafen nicht bezahlt, obwohl Geld vorhanden ist, würden jährlich 50.000 Menschen weniger in Haft kommen. Wenn ein wirksamer Kampf zur Überwindung der Armut geführt wird und Wohnungs- und Obdachlosigkeit Geschichte werden, wird auch die Kriminalisierung der Ärmsten der Armen Geschichte sein. Die Forderungen nach Gleichberechtigungen müssen verbunden werden mit einem Kampf zum Abbau der sozialen Ungleichheit und der Hierarchien in der Gesellschaft.

Klaus Jünschke

 

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