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Wie stehts um die Achtung eines jeden Menschen?

1. Februar 2025

Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sagte Margot Friedländer, eine der letzten Überlebenden der Shoa, in einem Interview der Tagesschau: „Wenn ihr Menschen seid, würdet ihr so etwas nicht tun. Damals haben die Menschen gejubelt. Gejubelt, weil sie nicht wussten, für was. Ihr seid klüger, ihr habt gelernt, ihr wisst, was Menschlichkeit ist, was sich gehört, was wir sind. Dass Menschen, ganz egal, welcher Hautfarbe, welcher Religion, Menschen sind und als Menschen respektiert werden müssen.“

Immer wieder mahnt die 103-jährige eindringlich zu Respekt und Menschlichkeit angesichts des Antisemitismus in Deutschland und eines zunehmenden Rassismus – „So hat es damals auch angefangen“, sagt sie. Doch ihre Mahnung scheint zu verhallen im Getöse gegenseitiger Beschimpfungen des politischen Wahlkampfes. Eine Ordensfrau schrieb, das Gebaren führender PolitikerInnen sei wie ein „Wettbewerb in Erbarmungslosigkeit“. Wie steht es denn um die Achtung eines jeden Menschen, gleich welcher Nation, Religion oder sexuellen Orientierung? Die Würde des Menschen ist unantastbar – gilt das noch?

Wirklichkeit trauen

Es geht um dieses Fundament unseres Miteinanders, das Fundament der Demokratie. Darin ist das politische Gestalten eines sozial gerechten Miteinanders bei all der Unterschiedlichkeit der Menschen mit all den Ängste und Sorgen um Frieden und Sicherheit eine große Herausforderung. Glaubwürdiges politisches Handeln kann nur in Wahrhaftigkeit und Demut geschehen. Denn es ist ein tiefer Zwiespalt, der sich im menschlichen Miteinander auftut: da ist einerseits unsere Fähigkeit zu lieben und andererseits die zu morden. Der Brudermord geschieht biblisch gleich im Anschluss an die Schöpfung des Menschen, von der Gott selbst noch behauptet: sie sei sehr gut. Respekt all denen, die sich angesichts dieser menschlichen Wirklichkeit trauen, politische Verantwortung zu übernehmen und dafür einzustehen!

Schwert durch die Seele

Im Evangelium dieses Sonntags wird erzählt, wie die Eltern für ihren erstgeborenen Sohn Jesus im Jerusalemer Tempel nach altem jüdischem Brauch ihr Opfer darbringen. Während des feierlichen Rituals treten zwei alte Menschen auf, Simeon und Hanna. Sie deuten das Erscheinen dieses Jesus als ein Licht hinein in die Dunkelheit der Welt. Meine Augen haben das Heil gesehen, das Gott allen Menschen bereitet hat, sagt Simeon, und die Prophetin Hanna preist Gott angesichts des neu geborenen Kindes und ermutigt alle, die da harren auf Erlösung. Der Mutter Maria aber, so der greise Simeon, „wird ein Schwert durch die Seele dringen“. Im Evangelium ist Maria die Gestalt der Glaubenden. Mit dem Bild des Schwertes, das durch die Seele, also durch das ganze Leben dringt, ist somit eine Wirklichkeit überhaupt des glaubenden Menschen gemeint.

Zwiespalt aushalten

Dabei offenbart das Schwert genau jenen Zwiespalt unserer Welterfahrung zwischen Verzweiflung und Vertrauen, zwischen Zerrissenheit und Verbundenheit, zwischen Kapitulation und Hoffnung. Dieser Zwiespalt kennzeichnet das Leben jedes Menschen; darin noch an Gott glauben, heißt den Zwiespalt aushalten. Die schmerzhafte Erfahrung dieser menschlichen Wirklichkeit zu verdrängen mit frommen Sprüchen und Jenseitsvertröstung ist genauso Unglaube wie der Versuch, den Zwiespalt im Sinne irgendeines Heilsversprechens ideologisch aufheben zu wollen. Weil Gott selbst in diesem Jesus Mensch wurde und durchbohrt wurde am Kreuz, ist der Mensch noch im Abgrund des Zwiespaltes ein Aufgehobener. So zu glauben ist mutig, bedeutet es doch, dem geheimnisvollen Wirken Gottes, das sogar in der Vergeblichkeit der Hoffnung noch Licht erscheinen lässt, mehr zu trauen als der Macht des Menschen. Das ist wie die erstaunliche Zuversicht einer Mutter oder eines Vaters angesichts des neugeborenen Kindes in einer unheilvollen Welt, ohne wissen zu können, wie alles ausgeht.

Christoph Kunz | Das Schwert des Zwiespalts zu Lukas 2, 22 – 40

 

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