Im Rahmen der Aktionstage Gefängnis sind Texte von Gefangenen der Schreibgruppe JVA Hahnöfersand geschrieben worden. Auf dem Hamburger Jugendserver sind diese Haftnotizen Inhaftierter publiziert. Neben Rezepten gibt es grundlegende Gedanken zum Strafvollzug und wie es wäre, wenn ein Rollentausch eines Inhaftierten mit dem Anstaltsleiter erfolgen könnte.
Wenn ich Anstaltsleiter wäre, würde ich…
- öfters Besuche erlauben. Ich würde mehr Aktivitäten fördern, zum Beispiel Sport. Ich würde das Essen ein bisschen mehr nach den Wünschen der Insassen ausrichten. Ich würde mehr Freistunden geben. Ich würde die Chancen auf Halbstrafen und offenen Vollzug vergrößern. Und ich würde beim Einkauf mehr Auswahl zulassen.
Mr. Afro
- es ermöglichen, dass die Häftlinge in der Anstalt auch Abitur machen können. Mehr Freizeit zulassen. Und ich würde in jeder Zelle ein Telefon einbauen.
Richie Laymon
- die Anstaltshandys wieder einführen, die es während des Corona-Lockdowns gab, da die jetzigen Stationstelefone oft eine schlechte Verbindung aufweisen. Oder sich zehn Leute ein Telefon teilen, wobei man wenig Möglichkeiten hat, anständig mit den Angehörigen zu kommunizieren. Der Kontakt zur Außenwelt ist ein wichtiger Baustein zur Resozialisierung und gibt Gefangenen, deren Angehörige nicht zum Besuch kommen können, die Möglichkeit, trotzdem mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Eigene Telefone würden auf den jeweiligen Stationen und in der Anstalt auch zu mehr Ruhe und Besserung der Atmosphäre führen. Außerdem würde ich die Löhne erhöhen, da die Inflation auch an uns nicht vorbeigeht und die meisten Gefangenen mit dem ihnen zur Verfügung gestellten Geld immer schlechter auskommen.
Abu Amarda
- einen größeren Einkauf zulassen. Höhere Löhne zahlen, weil ich es unfair finde, für so wenig Geld zu arbeiten. Mehr Sport für alle, die arbeiten – zwei- bis dreimal mehr pro Woche wäre top. Ich würde mehr Produkte in die Einkaufsliste aufnehmen – und nicht mehr als die Ladenpreise dafür veranschlagen. Die Zellen im Sommer mit Ventilatoren ausstatten. Es ermöglichen, dass man mit einem anderen Gefangenen in der Zelle gemeinsam chillen kann, ohne Einschluss zu bekommen. Und mehr Wurst und Käse beim Abendbrot rausgeben.
DaVinci
Gedanken über den Strafvollzug
Strafe ist schon wichtig, ganz klar. Ohne Abschreckung geht es nicht, und manche Menschen sind einfach gefährlich, weil sie Sadisten oder Vergewaltiger sind. Dafür hat man im Gefängnis Struktur, weil alle Tage gleich sind. Andererseits passiert auch nicht viel. Man ist eingeschlossen, die Tür geht auf, die Tür geht zu – das ist alles. Ich finde es gut, dass man im Gefängnis einen Schulabschluss und eine Ausbildung machen kann. Ich wünsche mir für den Jugendvollzug mehr Halbstrafen, also dass man öfter die Chance hat, bei guter Führung früher rauszukommen. Ich würde es gut finden, wenn man Fortschritte belohnt, wenn es auch ein Hafthaus mit besserer Ausstattung für die gibt, die sich wirklich bemühen.
Ich wünsche mir, dass man genauer auf die Motive der Straftaten schaut, dass man sich mehr mit den Jugendlichen auseinandersetzt und die Kindheit aufarbeitet. Ich wünsche mir mehr soziales Training und mehr Therapiegespräche, denn im Gefängnis muss man sich ständig beweisen und verteidigen – das ist anstrengend. Ein Anti-Mobbing-Training würde ich gut finden. Und keine Einzelhaft – auch wenn man Scheiße gebaut hat.
Double-G
Mein Lieblings Knast Rezept
Eines Tages haben wir hier im Knast zum ersten Mal beim Abendbrot Dosenfisch bekommen. Da dachte ich mir: „Komm, DaVinci, mach was Geiles aus dem Fisch!“ Der Fisch war in einer ekelhaften Paprikasoße, die ich dann von dem Fisch abgewaschen habe. Nach dem Reinigen des Fischs schnappte ich mir eine große Pfanne, machte einen Schuss Olivenöl rein und klatschte den leckeren Fisch in die Pfanne. So, der Fisch musste erstmal schön brutzeln. Ich schnappte mir eine zweite Pfanne, und der Kiro, mein Kollege, schnitt schon mal das passende Gemüse: Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Paprika – alles in kleine Stückchen.
Ein Schuss Olivenöl in die zweite Pfanne und rein mit den Zwiebeln und schön goldig anbraten. Danach kamen die Knoblauchstückchen dazu – für ein leckeres Aroma. Nach ca. fünf Minuten Anbraten schaute ich auf den Fisch zurück, der war inzwischen perfekt. Ich nahm ihn vom Herd, und mein anderer Kollege, der Shipe, warf die Tomaten und die frischen Paprikastücke in die Gemüsepfanne und briet es weiter. Danach holte ich aus meiner Zelle Schmand, Sahne und Oro di Parma (pürierte Tomatenstückchen in Knoblauch eingelegt) und Tomatenmark. Zuerst gab ich die Dose Oro di Parma in die Gemüsepfanne und wartete, bis es anfing zu blubbern, dann gab ich drei Esslöffel Tomatenmark dazu. Ich ließ es weiter kochen, nach ca. zwei Minuten klatschte ich den angebratenen Fisch in die Gemüsepfanne und rührte um. Danach schüttete ich die Sahne und den Schmand in die Pfanne, gab ein bisschen Paprika – und Currypulver dazu und noch eine Prise Salz. Der Kiro haute die Aufbackbrötchen in den Ofen, und nach acht Minuten war unser Essen schon fertig.
Leider haben wir nicht allzu viele Möglichkeiten, um noch andere leckere Sachen zu kochen, da wir beim Einkauf nicht alles bekommen dürfen. Zum Beispiel können wir kein frisches Fleisch oder frischen Fisch oder Eier bekommen, weil diese Sachen leicht verderblich sind. Wir saßen also zu dritt im Freizeitraum, die Pfanne in der Mitte, und haben ohne Gabel und Löffel, nur mit den Aufbackbrötchen einfach reingehauen, bis der Bauch platzt. Dazu noch ein schönes Getränk – Eistee Waldfrucht – und man vergisst während des Essens, dass man im Knast ist, weil das Essen so Bombe ist.
DaVinci
Mit freundlicher Genehmigung: Jugendserver Hamburg
Die Namen der Verfasser sind durch Pseudonyme ersetzt.
2 Rückmeldungen
Wunderbare Idee und spannend zu lesen. Besonders berührt hat mich auch das Knast-Rezept. Mich fasziniert, wie erfindungsreich und kreativ Menschen sind, um sich in den kleinen Momente zu gestalten. Ich werde dieses Rezept nachkochen und dabei an DaVinci denken!
Kurzes Feedback zu einem Punkt aus dem aktuellen Newsletter: Die Texte mit dem Hintergrund, selbst Anstaltsleiter zu sein, kommen mir sehr bekannt vor. 🙂 Kürzlich hatten wir in der Berliner JSA die Tagung der Anstaltsleiter der Jugendanstalten und der besonderen Vollstreckungsleiter. Ich war mit meiner Schreibgruppe angefragt, den “kulturellen Teil” des ersten Tages mit meinen Jungs und ihren Texten zu gestalten, und habe die Jungs animiert, genau zu diesem Thema etwas zu verfassen. Es fiel seeeeehr ähnlich und genauso diszipliniert und höflich aus wie die Hamburger Texte. Danke dafür. Ich habe mich gefreut.