Für viele keine einfache Zeit. Die Justizvollzugsanstalten versuchen, mit geschmückten Weihnachtsbäumen, Musik und Gottesdiensten Besinnlichkeit zu schaffen. Aber die Feiertage fallen hinter Gittern bescheiden aus. „Weihnachten ist viel, viel weniger hektisch als draußen”, berichtet der katholische Gefängnispfarrer Frank Ottofrickenstein in Münster. In den Gottesdienst kämen an den Feiertagen besonders viele Häftlinge. „Das Getrenntsein von Familie ist das, was Sorgen bereitet. Das schmerzt oft”, erzählt er.
Immerhin sind in der JVA Aachen die Besuchsräume vor den Festtagen ausgebucht. Weihnachten sei für die Gefangenen sehr wichtig, meint die stellvertretende JVA-Chefin Charlotte Adams-Dolfen. „Es ist eine Abwechslung vom Haftalltag.” Aber eben mal ein Geschenk bekommen? Das geht im Gefängnis nicht so einfach. „Der liebevoll gebackene Kuchen von der Oma darf nicht reingenommen werden”, sagt der stellvertretende Anstaltsleiter Wolfgang Schriever. Das Gebäck würden die Kontrolleure auseinander nehmen – und übrig blieben dann nur Brösel. Erlaubt sind Kosmetikartikel, Tabak und Süßigkeiten.
Getrennt von der Familie sein
In Düsseldorf sammelt daher der Katholische Gefängnisverein Spenden für Gefangene ohne Angehörige. In die Spendentüten dürfen Kaffee, Schokolade, Socken oder Skat-Karten. Verboten sind Alkohol oder Spraydosen. „Wir müssen alles auspacken, um zu kontrollieren, was da drin ist”, sagt ein Bediensteter. „Das ist natürlich viel Arbeit.” Die Feiertage hinter Gittern seien nicht einfach, erzählt ein ehemaliger Häftling. „Man ist eingesperrt. Es ist halt sehr eintönig.” Die Leute seien von ihren Familien getrennt, das zerre an den Nerven. Zum ersten Mal seit langer Zeit verbringt er die Festtage nun wieder draußen. „Ich werde es mal ganz ruhig angehen lassen, noch mal über den Weihnachtsmarkt schlendern”, hat er sich vorgenommen.
In Nordrhein-Westfalen gibt es 37 Gefängnisse. Vier Wochen vor Weihnachten sind Einzelne etwas früher entlassen worden – sie profitierten von der Weihnachtsamnestie. Voraussetzung ist unter anderem die straffreie, gute Führung und ein Endstraftermin um Weihnachten. Manche Gefangene dürfen über Weihnachten auch kurze Zeit nach Hause – in der JVA Bielefeld-Senne zum Beispiel, wo Menschen ihre Haft im offenen Vollzug absitzen. Der Besuch daheim macht die Sache nach Angaben des Anstaltsleiters nicht unbedingt einfacher. Manche merkten erst dann, wie isoliert sie im Gefängnis leben.
Bekenntnisfreie und Muslime
An den Feiertagen gibt es auch in der JVA ein besonderes Essen. In Köln wird Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen serviert. „Das ist – das weiß ich aus der Küche – das teuerste Essen des Jahres”, sagt Schriever. Auch ein Dessert steht im Plan, eher eine Ausnahme. In Essen, Detmold und Aachen landen halbe Hähnchen auf den Tellern. „Wir hatten schon mal Lachs, Gänsekeule. Das kam hier im Haus nicht an”, sagt ein Küchenmitarbeiter in Essen. Nicht alle Gefangenen feiern Weihnachten. In einer JVA sind ebenso Bekenntnisfreie, Yeziden oder Muslime. „Aber das ist ein Nebeneinander verschiedener Traditionen, das durchaus geschätzt wird.” Und manchen ist einfach nicht nach Feiern. In Detmold spielt an Heiligabend ein Posaunenchor im Freistundenhof – die Gefangenen können aus ihren Hafträumen zuhören. „Das ist immer sehr besinnlich”, sagt JVA-Leiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick. „Wem das zu sentimental ist, der macht eben sein Fenster zu.”
Julian Kilian | Westfälischer Anzeiger
Weihnachtliche Gedanken eines Gefangenen
Wie schön wäre das: „Nichts wird mir mangeln.“ Auch in der Weihnachtsgeschichte geht es um Hirten. Und solch ein Hirte ist mein Gott. Er macht sich auf den Weg zu mir. Und was findet er? Irgendwie erwarte ich ihn aktuell noch gar nicht. Sorgen um Leben und Tod beschäftigen mich.
Die größte Liebe und der tiefste Schmerz treffen sich hier in meiner Haftzeit. Vielleicht das tiefe Tal des Psalmisten. Heute habe ich den Weihnachtsbaum geschmückt und die Krippe hervorgeholt. Aber auch dadurch will es noch nicht Weihnachten bei mir werden. Was muss noch passieren? Für mich wird es dieses Jahr wohl erst am 24. Weihnachten. Gottesdienste in meiner Gemeinde, die Hand meiner sterbenden Mutter halten, ein gutes Gespräch mit der Liebe meines Lebens. Weihnachten wird es einfach so, weil Gott es will, nicht weil ich etwas besonderes tue.
Aber noch vor Weihnachten möchte ich Menschen um Verzeihung bitten, möchte Zeit mit Liebe und Vertrauen füllen, meine Zukunft auf festen Boden stellen, meine Partnerschaft planen und zu meinem Wort stehen. Vielleicht muss ich dazu Hauch um Hauch unter dem Sternenhimmel wandern, wie damals die Hirten und Weisen. Dann finde ich Weihnachten und Weihnachten findet mich. Dann wird mir nichts mangeln, dazu erquickt Gott meine Seele. An Weihnachten wird nicht alles gut, aber erträglich und lichtvoll. Gott schenkt mir voll ein und ich darf in seinem Haus wohnen. Ich danke Gott für diese andere Weihnachtserfahrung und sein Geschenk der Liebe in meinem Leben.
Zu Psalm 23 eines Gefangenen aus der JVA Bielefeld-Senne