Die Walcker-Orgel in der Justizvollzugsanstalt Mannheim feiert ein besonderes Dienstjubiläum: ihren 70. Geburtstag. „Da bleiben die falschen Töne hinter Gittern“, erinnert sich Wolfram Sauer an die Worte seines damaligen Orgellehrers Uli Ziemer. Damit hatte er seinen Schüler 1977 überzeugt, die Aufgabe als Organist in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim zu übernehmen.
Dass er allerdings den 70. Geburtstag der damals 24 Jahre jungen Orgel der Firma Eberhard Friedrich Walcker mitfeiern würde, hätte Sauer selbst nie geglaubt. Doch die „Königin der Instrumente“ hinter den Mannheimer Gefängnismauern ist ihm und seinen Kollegen am Spieltisch, Thomas Bödigheimer und Nathan Sikner, ans Herz gewachsen. Erklingt sie Dank ihnen doch zu evangelischen und katholischen Gottesdiensten immer am frühen Sonntagmorgen.
Instrument ist ein Glücksfall
Die Besonderheit dieser zwei-manualige Pfeifenorgel mit 19 Registern und ihres Dienstjubiläums ergibt sich aus dem außergewöhnlichen Standort: der Anstaltskirche der JVA Mannheim, der Sauer eine wunderbare Akustik bescheinigt. „Eine Pfeifenorgel im Gefängnis ist nicht selbstverständlich“, weiß Thomas Eisermann, katholischer Seelsorger an der JVA Mannheim: „Dass dieses Instrument über Jahrzehnte erhalten werden konnte, ist ein Glücksfall. Sie hat seit dem 7. Mai 1953 den Strafvollzug und die inhaftierten Menschen in Mannheim durch alle Höhen und Tiefen begleitet“, weiß Eisermann. Dabei brauche man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Menschenschicksale in diesen 70 Jahren dabei berührt wurden. „Viele Tränen sind in diesen Jahren in unserer Kirche – gerade auch beim Orgelspiel – geflossen und viele Inhaftierte sind nach persönlicher Schuld und anschließender Inhaftierung in den besinnlichen Momenten der Gottesdienste ,aufgewacht´“, beschreibt der Gefängnisseelsorger.
Orgel besänftigt
Als besonders beeindruckend sind Sauer die Gottesdienste an Heilig Abend in Erinnerung geblieben. Die hat er nämlich seit 1977 jedes Jahr an der Orgel begleitet. Wie „draußen“ seien die Gottesdienste am 24. Dezember die bestbesuchten. Die Anstaltskirche ist dann mit bis zu 200 Gefangenen voll besetzt. Die große Herausforderung sei es, die Gefangenen zur Ruhe zu bringen. „Hier haben mir die sanften Register der Walcker-Orgel immer große Dienste geleistet“, berichtet Sauer. Es dauere dann nicht lange, bis die Gespräche verstummten und eine für alle wohltuend-ruhige Atmosphäre des Zuhörens einkehre. „Ich freue mich immer wieder aufs Neue, wenn ich dann bei ,Stille Nacht‘ und ,O du fröhliche‘ den Gesang der Menschen mit der Orgel beflügeln kann.“
Kontrast zur Gefängnis-Zelle
„Diese Orgel ist nicht nur in den Gefängnissen Baden-Württembergs eine Besonderheit“, betont der Organist. „Manche Kirchengemeinde ,draußen‘ wäre froh und glücklich, ein solches Instrument zur Verfügung zu haben.“ Denn auch im Alltag empfänden viele der Inhaftierten die Weite des Kirchenraumes der JVA mit großen Fenstern ohne Gitter, der schwebenden Orgelempore, dem schimmernden, bronzierten Orgelprospekt und den Klang als wohltuenden Kontrast zur nüchternen Zelle. Dass dieses Instrument noch immer in gutem Zustand ist, ist den jeweiligen AnstaltsseelsorgerInnen- und – Organisten, dem Orgelbaumeister-Ehepaar Graser aus Speyer und nicht zuletzt der Justizvollzugsanstalt Mannheim selbst zu verdanken. Durch ihren Einsatz für den Erhalt der Pfeifenorgel wurden immer wieder die nötigen finanziellen Mittel zur Wartung und Pflege des Instrumentes bewilligt. Nach 70 Jahren steht die Orgel sicher unter Denkmalschutz.
Erzbistum Freiburg | Fotos: Thomas Eisermann