Rotary International ist eine weltweite Vereinigung berufstätiger Männer und Frauen. Rotary vereint Persönlichkeiten aus allen Kontinenten, Kulturen und Berufen. Sie wollen denen zur Seite stehen, die sich nicht selbst helfen können. Der Rotary Club Rhön war schon vor dessen Eröffnung im Hünfelder Gefängnis zur Besichtigung. Nun war es an der Zeit für einen weiteren Blick in die Welt hinter die hessischen Gitter. Clubmeister Professor Dr. Richard Hartmann hat im Namen des Rotary-Clubs Rhön eine Anfrage an die katholische Gefängnisseelsorge der Justizvollzugsanstalt Hünfeld gestellt.
Professor Hartmann begrüßt die Anwesenden und eröffnet das Treffen, wonach er die Gäste vorstellt und den besonderen Ansatz in der Gefängnisseelsorge, der die Grundlegung der Bischofskonferenz zu diesem Thema umsetze, betont. Diakon Coetsier, mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern des Gefängnis Musik-Projekts ‚Divine Concern‘, Addi Haas und Tilo Zchorn, leiten anschließend musikalisch zum Thema des Abends über. Für die Musiker ist klar, Musikprojekte und Kultur spielen eine besondere Rolle in der Seelsorge hinter den Mauern.
Glauben und Hoffnung vs. Optimismus
In seinem Vortrag erläutert Dr. Coetsier die Gedanken Karl Rahners zur Gefängnisseelsorge und schildert, dass die Begegnung mit einem Menschen mit allen Abgründen darauf aufmerksam mache, dass diese auch in einem selbst seien. Häufig seien wir auf der Flucht vor der Auseinandersetzung mit uns selbst, während der Mensch in der Zelle nicht ausweichen könne. Dem oft als vordergründig wahrgenommenen Optimismus der heutigen Zeit stellt Diakon Coetsier Glauben und Hoffnung gegenüber, die das Leid des Menschen aufnehme und wende. Die Seelsorger im Gefängnis fragen sich heute: „Wer begegnet mir hinter der Zellentür? Ist dieser Mensch aggressiv, verzweifelt, weint er?“ Der Glaube, dass da ein Gott ist, sei das Fundament der Begegnung. Er selbst sei im Sinne von Theresa von Avila nur ein kleines Instrument.
Kaum Perspektiven
Auch wenn die Betreuung in den Gefängnissen in den vergangenen Jahrzehnten besser geworden und die JVA Hünfeld eine ansprechende bauliche Anlage sei, ändere dies wenig an der Grundproblematik des Weggeschlossen-Seins. So drehten sich die Fragen um die Zeit: „Wann komme ich raus? Bekomme ich eine Halbstrafe? Was mache ich in der Zeit nach der Haft?“ Der Referent beschreibt, dass Menschen, die zum ersten Mal ins Gefängnis kommen einen großen Schock erleben, es nicht begreifen können, dass sie gefasst oder überhaupt mit Gefängnis bestraft werden. Arbeit, Sport, der reguläre Alltag und die Seelsorge helfen, mit diesem Schock umzugehen. In der zweiten Phase seien oftmals Apathie, auch Verhärtung festzustellen. Hier unterstütze die Seelsorge bei der Frage nach dem Sinn, wozu die Zeit der Gefangenschaft genutzt werden könne, der Auseinandersetzung mit Schuld und der Entwicklung von Perspektiven. Die Vorstellung und Erfahrung, nach dem Gefängnis in der Gesellschaft ausgegrenzt und ohne Arbeit zu bleiben, führe dazu, dass viele kaum Perspektiven sähen.
Humor und Literatur spielen eine Rolle
Vom Gefängnispersonal erhalten die Seelsorger oft wertvolle Hinweise, wer gerade dringend Hilfe benötige. Die schwierige Situation im Gefängnis beeinflusse die Bediensteten, die ebenfalls seelsorgerisch begleitet werden können. Als Beispiele für das Angebot im Rahmen der Seelsorge sind über die Jahre eine Musikgruppe, ein Bibelkreis, ein Abend mit Vätern in Haft, kreative und Veranstaltungen entstanden. Die ökumenische Zusammenarbeit und der Ansatz des „Jail House College“ verbinde die Auseinandersetzung mit dem Lebenssinn im Gefängnis mit Bildung und Kultur. Insbesondere Musik, Kunst, Humor und Literatur spiele eine große Rolle. In der anschließenden Gesprächsrunde erläutert Diakon Dr. Coetsier auf Bitte vom Publikum, dass die Nachfrage im seelsorgerischen Bereich so groß ist wie das Angebot, das bereitgestellt werden kann. Im Umgang mit den Gefangenen helfe es den Seelsorgern, dass sie dem Menschen begegnen. Sie versuchen jenseits der schwierigen Lage Gutes wahrzunehmen. Musik schließt den eindrucksvollen Abend ab, der sehr zum Nachdenken anregt.
Rita Schmidt-Schales