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Postkartenaktion: Liebe Grüße aus dem Gefängnis…

5. September 2023

Die Gefängnisseelsorger Diakon Dr. mult. Meins Coetsier und Pfarrer Dr. Andreas Leipold verteilen „heitere“ Postkarten an die Inhaftierten der JVA Fulda und Hünfeld. Auslöser für die Aktion war das Wort-Kunstwerk „Gegenwärtiger Augenblick“, das im Innenhof der JVA Fulda installiert wurde. Die Tagesschau und die Bild-Zeitung berichten darüber, obwohl es doch nur eine Postkartenaktion ist.

Früher gehörte das Postkarten schreiben zum Urlaub dazu. Wie ist das heute? Und im Gefängnis? Sind Postkarten noch zeitgemäß? „Ja“ sagen die zwei Seelsorger, die im Gefängnis Postkarten gemacht haben. „Postkarten erzählen Geschichten, auch hinter schwedischen Gardinen.“ In Amerika gibt es so etwas häufiger – Postkarten aus dem Knast. „In Deutschland haben wir bei Recherchen kein anderes Gefängnis gefunden, das etwas Ähnliches macht,“ so die Gefängnisseelsorger.

Liebe Grüße von hier…

Die Fuldaer Justizvollzugsanstalt (JVA) hat die Adresse „Am Rosengarten“. Aber rosig sind die Aussichten dort nicht, hohe Mauern und Stacheldraht dominieren den Blick. Dass man die Ansichten eines Gefängnisses künstlerisch sehen kann, zeigt die Postkartenaktion. Man sieht zum Beispiel die Mauerfassade am Sportplatz der JVA, die versehen ist mit einem Sinnspruch. Eine andere Karte zeigt das wie ein Stillleben wirkende Bild einer verschlossenen Zellentür, darauf die Aufschrift: „Liebe Grüße von hier!“ Die acht besten mit unerwarteten Motiven veröffentlichten sie in einer Serie, mit einer Druckauflage von 2.000 Stück, die kostenlos an Gefangenen verteilt werden. Fotos mit heiteren Sprüchen wie: „Im meinem persönlichen Gefängnis bin ich der Direktor“, „Liebe Grüße von hier!“, oder „Alles, was ich zu wissen brauchte, lernte ich im Gefängnis“. Meins Coetsier und Andreas Leipold starteten im Sommer 2023 diese Initiative – und bekamen von Häftlingen und vom Personal der JVA Fulda positive Rückmeldungen. Die Gefängnisseelsorger verfassten in Vergangenheit mit den Häftlingen unter anderem bereits ein Witzebuch mit dem Titel „Humor hinter Gittern“ und ein Kochbuch.

Kreativ sein

„Der Hinweis auf den gegenwärtigen Augenblick ist auch eine pädagogische Botschaft“, erklärt Pfarrer Leipold. „Wir wollen die Gefangenen animieren, sich konstruktiv mit dem Hier und Jetzt auseinanderzusetzen. Sie sollen sich von den Gedanken an die Vergangenheit mit ihren Straftaten nicht erdrücken lassen.“ Die Gefangenen könnten nichts an der Tatsache ändern, im Gefängnis zu sitzen – sehr wohl aber darüber, wie sie damit umgehen, sagt Leipold. Die Postkarten mit Sprüchen wie „In meinem Gefängnis bin ich frei“ oder „In meinem persönlichen Gefängnis bin ich der Direktor“ sollen dabei nicht zynisch wirken. „Auch ein Gefängnis ist ein Ort, an dem man gut leben kann. Essen, Kleidung und sinnvolle Betätigungen – alles okay“, sagt er. Mit den Karten solle eine kreative Umdeutung vorgenommen werden. „Man kann nicht nur aus Urlaubsorten Postkarten schreiben, sondern auch aus einem Gefängnis.

Auch schambesetzt

Eine Postkarte an Angehörige oder Freunde in der Außenwelt zu schreiben, „helfe den Gefangenen die schwierige Situation der Haft besser zu ertragen und das menschliche Zusammenleben erträglich zu gestalten“, sagen die beiden Seelsorger einstimmig. Ein begeisterter Häftling, Herr S., hat schon Karten versendet: „Es gibt einem ein bisschen Kraft und zeigt der Familie, dass man noch lebt und sich nicht aufgibt.“ Es gibt aber andere Inhaftierte, die meinen, man könne die Wirklichkeit des Knastes nicht zeigen. Die Scham im Gefängnis und das Eingeständnis verurteilt worden zu sein überwiegen. Manche wollen Fotos von sich machen oder von ihrem Haftraum. Doch dies verbietet die Sicherheit. Postkartenaktion…

 

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