Es gab eine Begegnung zwischen französischen Scouts aus Abbeville und Pfadfindern aus Dortmund und Bochum. Bindeglied dieses grenzübergreifenden Treffens war eine Person, Abbé Pierre Carpentier, Pfadfinderkurat aus Abbeville. Vor 75 Jahren wurde der katholische Priester von den Nationalsozialisten in Dortmund umgebracht.
1942/43 saß er im Gefängnis “Krümmede” in Bochum ein. Die französische Pfadfindergruppe benennt sich nach ihm. Höhepunkte der Begegnung war eine deutsch-französischer Gottesdienst in der Bochumer JVA-Kapelle mit Inhaftierten, die Herstellung von Gedenkkränzen mit Bochumer Pfadfindern und das Treffen an der Gedenktafel der JVA Dortmund.
Vor über 75 Jahren, im Juni 1943, wurde es in Dortmund vollstreckt: Nationalsozialisten enthaupteten den Widerstandskämpfer und weitere angebliche Straftäter im Minutentakt. “Die Vorwürfe lauteten Feindbegünstigung, Spionage, deutschfeindliche Aussagen, Arbeiten für die Untergrundpresse und das Verstecken Untergetauchter“, berichtet der Bochumer Gefängnisseelsorger Alfons Zimmer. Er hat zum Schicksal der in Bochum inhaftierten und in Dortmund ermordeten Nazi-Gegner recherchiert. Mit ihm stehen an einem Sonntagnachmittag 50 Bürgerinnen und Bürger vor einer Mauer des Dortmunder Gefängnisses – im Nationalsozialismus eine „zentrale Richtstätte“ des Deutschen Reiches. Über 300 wurden hier getötet. Heute erinnert eine Gedenktafel an die Opfer der Gewaltherrschaft.
„Frieden ist kein Besitz“
An das Schicksal des französischen Priesters Pierre Carpentier und den gewaltsamen Tod vieler anderer Widerstandskämpfer erinnern die aus Frankreich angereisten Pfadfinder und die Dortmunder Pfadfinderschaft Sankt Georg. „Die meisten Leute glauben: Die Sache ist gelaufen, die Versöhnung hat stattgefunden und jetzt kann jeder gemütlich für sich weitermachen – aber das ist eine ganz schwere Täuschung. Denn Frieden und Versöhnung sind kein Besitz, den man in die Tasche stecken kann. Man muss ständig dafür weiterkämpfen“, sagte Pastor Wilfried Göddeke nach der Gedenkstunde. Die derzeitige politische Lage in Deutschland sei allerdings beunruhigend.
Schicksal blieb lange verborgen
Der französische Priester Pierre Carpentier starb im Alter von nur 31 Jahren einen Tag nach seinem Todesurteil. Über Jahrzehnte blieb sein Schicksal in Dortmund verborgen. Wie so viele Schicksale in der Stadt. Der Bochumer Gefängnisseelsorger Alfons Zimmer recherchierte in der Vergangenheit. Doch keine Zeitung, auch nicht die Kirchenpresse, hatte je über den Priester und Pfadfinderführer berichtet. Die Franzosen verehren den mutigen Katholiken in ihrer Heimat. In Deutschland ist dessen Geschichte weitgehend unbekannt. Als Pfadfinder schloss er sich der Résistance gegen Hitler-Deutschland an. Pierre Carpentier „half dabei, alliierte Fallschirmspringer und Piloten außer Landes zu bringen. Die große Widerstandsgruppe wurde verraten“, berichtet Alfons Zimmer.
Sein Markenzeichen war ein Lächeln
Elf Monate nach der Inhaftierung in Bochum nahm der Franzose mit der Gefangenen-Nummer 789/42 sein Todesurteil entgegen. Am 30. Juni 1943 starb er unter dem Fallbeil im „Lübecker Hof“ in der Innenstadt von Dortmund. Alfons Zimmer: „In seiner Heimatstadt Abbeville ist ein Platz nach ihm benannt. Gedenkstelen erinnern an ihn. Dortmunder Pfadfinder erinnern nun an dem Ort an den Priester, wo er von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Alfons Zimmer: „Sein Markenzeichen war ein Lächeln.“ Der junge Pfadfinder Baptiste Chapotard aus Abbeville fügt hinzu: „Mit seinem Mut kann Pierre Carpentier Deutschland und Frankreich gut miteinander verbinden.“
Text: Peter Bandermann | Ruhr Nachrichten
Foto: Karsten Wickern | Nordstadtblogger