parallax background

Petition gegen die Überbelegung von Haftanstalten in BaWü

27. Dezember 2022

In den Haftanstalten Baden-Württembergs befinden sich zu viele Gefangene. Einige der Gefängnisse sind im erwachsenen Männervollzug überlastet. Besonders in Mannheim und Bruchsal. In der JVA Bruchsal liegt die Obergrenze bei 401 Gefangenen, die tatsächliche Belegung lag Ende Oktober 2022 bei 425 Häftlingen. Die Belegungssituation im Justizvollzug ist bereits seit Anfang 2016 angespannt.

Das Waschbecken eines Inhaftierten im abgetrennten WC eines Haftraumes.

Die Inhaftierten sind gefragt worden, ob man noch ein Bett in ihre Zelle stellen könne, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Kein Häftling werde aber zur Doppelbelegung gezwungen. Die Belegungssituation im Justizvollzug sei bereits seit Anfang 2016 aufgrund eines erheblichen Anstiegs der Gefangenenzahlen angespannt, insbesondere im geschlossenen Männervollzug, heißt es aus dem Ministerium der Justiz und Migration in Baden-Württemberg. Die durchschnittliche Auslastung des geschlossenen Vollzugs liegt bei 96 %. Von einer „Vollbelegung“ spricht man im Justizvollzug bereits ab 90 %, da die Haftanstalten Hafträume freihalten müssen, um gesetzliche Trennungsgebote und mögliche Corona-Maßnahmen gewährleisten zu können.

Petitionseingabe

Eine Eingabe und Beschwerde, die dem Petitionsausschuss zugeleitet wurde, ist vom Petenten, Dennis Riehle aus Konstanz, an die Fraktionen des Landtags von Baden-Württemberg überbracht worden. Darin heißt es, dass der Landtag von Baden-Württemberg sofortige Maßnahmen gegen die Überbelegung in den Justizvollzugsanstalten des Landes beschließen soll:

Mit den Anforderungen nicht vereinbar

„Wie dieser Tage medial ausführlich berichtet, sind die Justizvollzuganstalten in Baden- Württemberg massiv überbelegt. Teilweise wurden die ohnehin eng bemessenen Maßstäbe, die sich für die Unterbringung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben, deutlich gerissen und damit eine nicht mit Verfassungsgrundsätzen vereinbare Lage kreiert. Gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus 1994 muss bei gemeinschaftlicher Unterbringung in einer Zelle mehrerer Insassen jedem Einzelnen von ihnen zumindest eine Grundfläche von sieben Quadratmetern zustehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht eine kurzzeitige (maximal wenige Tage andauernde) Begrenzung der Haftzellengröße pro Inhaftierter von drei Quadratmetern als zulässig an, betont jedoch in seiner Entscheidung von 2016, dass dieser Zustand nur ausnahmsweise und vorübergehend erfolgen darf und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen für die Häftlinge zu schaffen sind. Nach den vorliegenden Informationen ist die momentane Situation in Gefängnissen von Baden-Württemberg mit den Anforderungen an die EMRK insofern nicht mehr vereinbar. Immerhin wurde in Zellen, die bereits an die Grenze der oben genannten Bedingungen herangetreten sind, durch das bloße Zustellen weiterer Betten die Mindestgröße für eine menschenwürdige Unterbringung unterschritten. Zudem ist nicht ersichtlich geworden, wonach die geforderten Ausgleiche für die Häftlinge geschaffen wurden.

Fragen nach Gründen der Überbelegung

Eine adäquate medizinische Versorgung ist nicht mehr gewährleistet, jegliche Form der Privatsphäre wurde verunmöglicht. Das Justizministerium hat zudem nicht erkennen lassen, dass die Missstände zeitnah – also nach Rechtsprechung innerhalb von Tagen – beseitigt und damit eine Wiederherstellung grundgesetzlicher Vorgaben angestrebt werden. Stattdessen hat man auf das Fertigstellen der Justizvollzugsanstalt in Rottweil verwiesen, allerdings handelt es sich hierbei um eine perspektivische Maßnahme, nicht jedoch um eine sofortige Intervention zur Abstellung der momentanen, skandalösen Verhältnisse. Zudem bleibt das Justizministerium nur symptomatisch aktiv, unternimmt jedoch keinerlei Anstrengung zur Behebung ursächlicher Beweggründe: Weshalb ist die Zahl der im Land verurteilten Straftäter derart massiv gestiegen? Warum sind keine Ambitionen zu erkennen, gerade die Fälle verhängter Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren und damit eine Anstrengung des Bundesjustizministers zu unterstützen? Haben präventive Ansätze zur Reduktion der Kriminalität und Straffälligkeit versagt? Wurden zu wenige Bemühungen ergriffen, Alternativen zum Freiheitsentzug in Haftanstalten zu schaffen und beispielsweise vermehrt Hausarreste oder Fußfesseln zur Umsetzung von Strafen zu nutzen?

Gebot der Einzelunterbringung

Besonders ist der Umstand zu bemerken, dass Häftlinge in den überfüllten Gefängnissen in Baden-Württemberg offenkundig nicht mehr in ausreichendem Maß den ihnen zustehenden Kontakt zu Rechtsanwälten suchen können, um ihre Rechte auf Verbesserung ihrer Situation und Klagen gegen die Missstände in hiesigen Gefängnissen vor den Gerichten durchzusetzen. Des weiteren versagt Baden-Württemberg weitgehend die Möglichkeit zur Partizipation am grundgesetzlich verankerten Anspruch zur Teilhabe, beispielsweise durch die eingeschränkte Nutzung von digitalen Kommunikations- und Informationsmitteln als denkbarer Ausgleich für die massive Menschenrechtsverletzung, die durch die Überbelegung entstanden ist. Auch bleiben die Gebote zur Einzelunterbringung von Inhaftierten, die aus verschiedenen Gründen nicht in Gemeinschaftszellen untergebracht werden wollen oder müssen, momentan in wachsendem Ausmaß nicht mehr einhaltbar, weshalb ein wachsenden Klima von Gewalt, Frustration und psychischer Instabilität bei den Häftlingen geschaffen wird. Auswirkungen bestehen auf die Arbeitsmöglichkeiten im Vollzug, Freigang und Bewegung außerhalb der Zellen, grundständige Versorgung und Therapieangebote. Betroffenen kann insofern nur geraten werden, gegen die Zustände Klagen einzureichen.“ Soweit der Wortlaut der eingereichten Petition.

Neue Haftplätze?

Mit dem Neubau der Justizvollzugsanstalt Rottweil sollen die Engpässe beseitigt werden, so das Ministerium. Der Neubau inmitten eines Naturschutzgebiet soll aber frühestens 2028 in Betrieb gehen können. Bis jetzt sind dort nur die Zufahrt und die Bushaltestelle erschlossen worden. 2023 können in den JVA´en Heimsheim, Stuttgart und Schwäbisch Hall durch Ausbau Plätze gewonnen werden. Durch Sanierungen einiger Gefängnisse fallen demgegenüber allerdings 200 Haftplätze wieder weg. Die Weihnachtsamnestie hat keine Entlastung gebracht, so das Ministerium. Es sind etwa 200 Gefangene wie fast jedes Jahr kurz vor Weihnachten nach bestimmten Kriterien freigekommen.

Antwort Landtag

Feedback 💬

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert