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Papa liest vor. Geschenk an Kinder inhaftierter Väter

14. November 2020

Die Gefängnisseelsorge an der rheinland-pfälzischen JVA Frankenthal bietet Inhaftierten die Möglichkeit, ihren Kindern ein persönliches Geschenk zu machen: eine selbst besprochene CD mit einer Kindergeschichte. Dazu stellt die Seelsorge Kinderbücher zur Auswahl, aus denen der Inhaftierte einen Text aussucht. Wer schon eine konkrete Vorstellung hat, was er seinem Kind vorlesen möchte, bekommt dies ebenfalls zur Verfügung gestellt. Besonders Kreative können eine eigene Geschichte schreiben und vortragen.

Im Büro der Gefängnisseelsorge wird die Geschichte aufgenommen und später vom Seelsorger geschnitten, digital nachbearbeitet und auf CD gebrannt. Der Inhaftierte kann die Einlageblätter der CD-Hülle individuell gestalten. Das Gesamtwerk wird kurz vor Weihnachten vom Seelsorger an die Kinder verschickt. Für die Aktion wird ein Kostenbeitrag von 5 € erhoben. Die Aktion wird von mehreren Leitgedanken getragen:

  • Die Vater-Kind-Bindung wird gefördert. Den Kindern tut es gut, Papas Stimme zu hören und freuen sich sehr über ein individuelles Geschenk, das sonst so niemand hat. Oft werden die CDs als Gutenachtgeschichte eingesetzt – so kommt Papa zumindest indirekt im Familienalltag und bei den Einschlafritualen vor.
  • Zugleich werden die Inhaftierten angeleitet, sich mit den Bedürfnissen, Interessen und Möglichkeiten auseinander  zu  setzen.  Mag  mein Kind lieber Märchen, Tiergeschichten, Kindersachbücher…? Welcher Text ist für welches Alter geeignet? Das sind Fragen, die für einige Teilnehmer ganz neu sind.
  • Die Inhaftierten erleben, welches kreative Potential in ihnen steckt. Oft sind die Teilnehmer stolz, wenn Sie das Endergebnis sehen. Da fällt auch schon mal der Satz: „Das hätte ich mir nicht zugetraut“. Zudem erfahren Sie, dass individuelle Geschenke auf größere Begeisterung stoßen als teure Spielsachen.

Pro CD muss man mit ein bis zwei Stunden Arbeit rechnen, angefangen von den Absprachen und Beratungsgesprächen bis hin zu der Zeit, die die Technik und die Bearbeitung benötigt. Dazu kommt, dass man dabei oft man ins Gespräch über die familiäre Situation und andere persönliche Themen kommt. Fazit des Seelsorgers: Aufwändig, aber lohnenswert. Man muss sich vorher überlegen, wieviel Zeit ich in das Projekt investieren kann und die Teilnehmerzahl entsprechend begrenzen.

Die Kinder inhaftierter Väter können aufgrund des Trennscheiben-Besuches mit den Corona-Maßnahmen nicht auf dem Schoß ihres Vaters sitzen, während er vorliest. Die Situation für Gefangene ist derzeit schwierig. Wegen Corona können inhaftierte Menschen nicht wie gewohnt im „Familiensprecher“ besucht werden. „Das ist ein Ausnahmezustand, das ist sehr schwer. Die Familie ist mir das Wichtigste. Und wenn ich meine Kinder nicht in Arm nehmen kann, ist das wie eine Strafe“, sagt ein 45 jähriger Gefangener. Für manche ist es schwierig überhaupt vorzulesen. „Doch die Stimme des Papa ist wichtig“, sagt der inhaftierte zweifache Vater stolz und lächelt.

Manfred Heitz

 

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